Schlagabtausch Bier, Fisch und Politprominenz
Am Politischen Aschermittwoch und am Donnerstag geht es auch im Landkreis Regensburg heiß her. Wir klären wichtige Fragen.

Im Landkreis finden viele Veranstaltungen zum Politischen Aschermittwoch erst am Donnerstag statt. Warum?
Die Landkreis-CSU legt Wert auf hochkarätige Redner: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, womöglich bald Bundesverkehrsminister, kommt nach Karlstein, Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich nach Wenzenbach und Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle nach Neutraubling. Dafür nimmt die CSU in Kauf, dass drei Kundgebungen erst am Donnerstag stattfinden können. Denn Scheuer, Friedrich und Spaenle sind am Mittwoch schon anderweitig verpflichtet. Daran konnten selbst die „guten Kontakte“, auf die Kreisvorsitzender Peter Aumer gerne verweist, nichts ändern.
Lediglich der Thalmassinger CSU-Ortsverband sowie die Kreisverbände der Freien Wähler und der SPD versammeln sich am Mittwoch. Die Mitglieder von Bündnis90/Die Grünen verzichten sogar ganz auf eine eigene Veranstaltung mit Politprominenz. Sie schließen sich stattdessen dem Sozialpolitischen Aschermittwoch an, den mehrere Partner im Leeren Beutel in Regensburg organisieren. „Wir schauen da eher auf Inhalte als auf hochrangige Gäste“, sagt Grünen-Kreisvorsitzende Maria Scharfenberg.
Hier finden politische Aschermittwochsveranstaltungen im Landkreis statt:
Für Politiker beginnt die Fastenzeit also mit einem Überangebot an teils fulminanten Reden. Doch sollten Politiker nicht auch fasten?

Peter Aumer (CSU) will bis Karsamstag keine Süßigkeiten essen. Laut Alois Möstl, Regionaldekan
für Stadt und Landkreis Regensburg, sei in der Fastenzeit aber nicht nur Verzicht
wichtig, etwa auf Suchtmittel, sondern auch Gebet, Dank und Nächstenliebe. Der Prälat
sagt: „Der Aschermittwoch wäre für Politiker ein guter Zeitpunkt, um damit zu beginnen,
mehr ans Volk zu denken.“ Möstl hat etwa im Poker um die Große Koalition „wieder sehr
viel Ich-Bezogenheit“ beobachtet, „viel ,I first!‘“. Seiner Ansicht nach denken viele
Politiker lieber an ihre Posten statt an die Menschen, denen sie dienen sollten.
Sprechen die Landkreispolitiker über Verzicht, liefert das einen Vorgeschmack auf die Aschermittwochsreden: SPD-Kreisvorsitzender Rainer Hummel wünscht sich, dass die politische Konkurrenz, aber auch die Mitglieder seiner eigenen Partei auf ihren „Geltungsdrang“ verzichten. Aumer fordert „weniger leere Phrasen“ und Harald Stadler, Chef des Freie-Wähler-Kreisverbands, „weniger Vollmundigkeit und eine Politik näher am Menschen“. Am Mittwoch und Donnerstag dürften ihre Redner in deren Wortwahl noch eine Schippe drauflegen.
Was werden heuer die großen Themen der Redner sein?

Eine Woche nach den Koalitionsverhandlungen im Bund und inmitten der Turbulenzen bei der SPD können die Politiker aus dem Vollem schöpfen. SPD-Kreisvorsitzender Hummel rechnet damit, dass es bei der SPD-Veranstaltung in Mariaort viel über den Koalitionsvertrag und den Mitgliederentscheid zu diskutieren geben wird. Doch auch die Verkehrsproblematik in und um Regensburg könnte Thema sein: Unterbezirkschef Sebastian Koch hat Martin Burkert, der zuletzt Vorsitzender des Bundestagsverkehrsausschusses war, gebeten, die Themen A3-Ausbau, B16-Ausbau, Stadtbahn und Elektrifizierung der Bahnstrecke auf die Agenda zu setzen. Stadler (Freie Wähler) rechnet unterdessen damit, dass bei der Veranstaltung seiner Partei auf dem Adlersberg unter anderem über Straßenausbaubeiträge, Flutpolder und die Stromtrasse Südost-Link heiß diskutiert werden dürfte. Und Aumer erwartet, dass die CSU-Redner, die alle an der Ausarbeitung des Koalitionsvertrags mitgearbeitet haben, näher auf den Vertrag eingehen werden. „Als Boom-Region sind wir vielseitig betroffen“, sagt Aumer. Dabei dürfte neben der Verkehrsproblematik auch die Digitalisierung eine Rolle spielen.
Wer hört sich die Reden überhaupt an? Und wer kommt nur wegen der Brotzeit?
Die Wirtshäuser sind zu den Kundgebungen voll, vor allem mit älteren Politikinteressierten.
Die Freien Wähler zum Beispiel trommeln alle Bürgermeister der Partei zusammen und
bieten eine Mischung aus Politik und Kabarett, um weitere Parteimitglieder anzulocken.
„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir schon einmal zwei Tische frei hatten“, sagt
Stadler. Bei der SPD lag die Zahl der Besucher konstant bei rund 80 bis 90 Zuhörern.
Ob von den jüngsten Querelen in der Partei potenzielle Zuhörer abgeschreckt worden
sind, kann Hummel nicht abschätzen: „Wenn einer sagt, ,Ich hab‘ die Schnauze voll‘,
kann ich es ihm aber nicht verdenken“, sagt er. Andererseits seien der SPD in Stadt
und Landkreis seit Ende Januar 120 Mitglieder neu beigetreten – ein Spitzenwert.
Wie viele Gäste wegen der Brotzeit statt der Politik kommen, zeigt keine Statistik. Meist wird Fisch aufgetischt. Pfarrer Möstl führt den Brauch auf den lateinischen Begriff „Carne vale“ zurück, was so viel heißt wie „Fleisch, ade!“. Im Mittelalter hatten Christen 40 Tage lang auf Fleisch und auch auf Eier verzichtet. Heutzutage tun das gläubige Christen zumindest noch am Aschermittwoch und am Karfreitag.
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