Gesellschaft
In Hemau fehlen die Soldaten

Am 31. Dezember vor 15 Jahren wurde die General-von-Steuben-Kaserne aufgelöst. Das hat das Stadtbild stark verändert.

24.12.2018 | Stand 16.09.2023, 5:49 Uhr
Engelbert Weiß

Der letzte Hemauer Kommandeur, Oberstleutnant Joachim Renner, fuhr mit den letzten beiden Raketenwerfern des Typs „MARS“ an den rund 500 angetreten Soldaten bei der Abschlussparade im Juni 2003 vorbei. Fotos: Archiv/Krenz, Fick, Seiberl, Schmidt, Eder

37 Jahre haben Soldaten in Hemau eine unübersehbare und wichtige Rolle gespielt: In Spitzenzeiten mit bis zu 1200 Soldaten und fast 250 Zivilbeschäftigten war die Bundeswehr von 1966 bis 2003 der größte Arbeitgeber, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und ein ständiger Begleiter im Stadtbild. „Wurst, Brot und Semmeln, alles wurde in Hemau gekauft“, erinnert sich Oberstabsfeldwebel a. D. Gert Schmidt. „Strom und Wasser wurde von den Hemauer Stadtwerken bezogen.“

Der gebürtige Regensburger war nach seiner Grundausbildung in Bayreuth von 1968 bis 1993 und nach zwei Jahren Einsatz in Nordbaden von 1995 bis 2001 Berufssoldat in der General-von-Steuben-Kaserne. Seit 1971 wohnt und lebt Schmidt in der Tangrintel-Stadt. Er war zehn Jahre in Hemau CSU-Vorsitzender und nach seiner Pensionierung im Jahr 2001 von 2002 an zwölf Jahre 2. Bürgermeister.

Die Bevölkerung nahm Anteil

Viele Soldaten und Bundeswehrfahrzeuge haben 37 Jahre lang das Stadtbild von Hemau geprägt. Die Soldaten haben in Hemau ihre Freizeit am Abend und an den Wochenenden verbracht, waren in den Gasthäusern und Vereinen aktiv. „Damals hat die Bevölkerung am Leben und den Aktivitäten der Bundeswehr viel mehr Anteil genommen“, erinnert sich Schmidt. Seit die Kaserne geschlossen und allgemein, seit die Wehrpflicht ausgesetzt ist, sehe man in der Öffentlichkeit keine Soldaten mehr. Schmidt findet das sehr schade.

Die Entwicklung zur Schließung der General-von-Steuben-Kaserne in Hemau sei bereits seit 2001 abzusehen gewesen, erinnert sich Schmidt im Gespräch mit unserem Medienhaus. Die Wiedervereinigung 1990 und die Weltlage hätten den Kalten Krieg beendet. Die Bundeswehr sei gewaltig verändert, reduziert und umstrukturiert worden. So hätten auch 15500 Unterschriften aus Hemau und Umgebung für den Erhalt der Kaserne nichts mehr bewirken können.

Es sei durchaus ein sanfter Übergang gewesen, erinnert sich Josef Wiesmüller, der Geschäftsleiter der Stadt Hemau, an die Zeit vor und nach der Auflösung der Kaserne zum Jahresende 2003. Bereits in den letzten Jahren seien viele Arbeitsplätze bei der Bundeswehr weggefallen, nicht mehr nachbesetzt worden. Viele Zeit- und Berufssoldaten haben in Hemau gelebt und hier Geld ausgegeben. Örtliche Firmen hätten die militärischen Liegenschaften instandgehalten und die Beschäftigten in der Kaserne versorgt.

„Es war ein gewaltiger Verlust“, erinnert sich Bürgermeister Hans Pollinger. Etwa vier Millionen Euro Kaufkraft pro Jahr seien mit der Schließung der Kaserne verloren gegangen. Aber ein Verlust könne auch eine Chance sein, zieht der Bürgermeister aus heutiger Sicht Bilanz. Es sei eine vorausschauende und nachhaltige Entscheidung gewesen, dass die Stadt Hemau den einstigen Standortübungsplatz gekauft habe: inklusive Wald 155 Hektar Fläche, die bereits beste Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet habe und noch viele Jahre bieten werde. Das einstige Kasernengelände mit den Gebäuden hat ein Logistik-Unternehmen gekauft, weiß Josef Wiesmüller. Wo bis 2003 Soldaten aktiv waren, sind heute Autos geparkt, bis zu 8000 Fahrzeuge. Sie „werden von hier aus weiterverteilt“, so Wiesmüller.

Flächen ermöglichen Wachstum

Derzeit werde der zweite Abschnitt als Gewerbepark erschlossen, freut sich der Bürgermeister. Die vorhandenen Flächen würden für vielschichtige Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe beste Chancen bieten. Die Stadt Hemau habe die Wirtschaftskraft zur Zeit vor der Schließung der Kaserne inzwischen überholt. Damals seien es rund 1200 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer gewesen, schätzt Pollinger. Deren Zahl sei inzwischen auf mehr als 1500 angestiegen. „Und die vorhandenen Flächen ermöglichen weiter ein permanentes Wachstum.“ Wegfallen werde aber in Zukunft ein willkommener Werbefaktor, klagt der Bürgermeister. Noch treffe man viele, die sagen: „Hemau kenne ich, da war ich bei der Bundeswehr.“

Ehemalige Soldaten erinnern sich