Sport Marathonlauf in voller Feuerwehr-Montur
Vier Feuerwehrler aus Sinzing gehen mit Atemschutzausrüstung auf die Viertelmarathon-Strecke in Regensburg. Experten staunen.

Sinzing.Wolfgang Pumberger ist ein Hüne. „1,93 Meter groß, 88 Kilo schwer – das sind Lewandowski-Maße“, sagt er. Trotzdem ist der Sinzinger Feuerwehrmann geworden und nicht Profi-Fußballer. Am 13. Mai will er seine Kameraden der Sinzinger Feuerwehr in einen besonders wichtigen Einsatz führen: Zu viert werden sie jeweils in voller Montur eines Atemschutzgeräteträgers – das heißt mit Brandschutzmantel, Brandschutzhose und Atemschutzgerät – ein Viertel der Strecke des Regensburg Marathons laufen. Pumberger und drei seiner härtesten Kerle, Bernhard Kranz, Alexander Wutz und Vize-Feuerwehrvorsitzender Helmut Finkenzeller, wollen so auf die Not der Feuerwehren im Landkreis aufmerksam machen.
Denn die meisten Freiwilligen Feuerwehren in der Region haben zuletzt zwar um Mitglieder zugelegt – allerdings nur im Bereich der passiven, fördernden Kameraden. Gleichzeitig ist die Zahl der aktiven Einsatzkräfte weiter gesunken. Ende 2017 gab es nur noch rund 6900 aktive Feuerwehrleute im Kreis Regensburg und 444 in der Stadt, außerdem insgesamt rund 1900 Jugendliche, die sich für den aktiven Dienst ausbilden lassen.
Zahlen und Fakten zu den Feuerwehren im Landkreis Regensburg sehen Sie in unserem Video:
Auch in Sinzing ist die Lage ernst. Trotz Aufrufen auf Plakaten, im Radio und in einer Drittel-Pause eines Spiels der Eisbären Regensburg hat der Verein im vergangenen Jahr keinen einzigen aktiven Kameraden gewonnen. Nur eine einzige Jugendfeuerwehrlerin kam hinzu. Schließlich buhlen alle Sinzinger Vereine, ob BRK, Schützen oder Fußballer, um Nachwuchs.
„Jetzt spinnt er total“

Pumberger beschäftigt diese Problematik sehr. Er ist mittlerweile erster Vorsitzender der Sinzinger Feuerwehr. Und als solcher muss er auch einmal etwas wegstecken können. Zum Beispiel, wenn wie zurzeit Sätze wie „Jetzt spinnt er total“ fallen. An diesem Samstagvormittag wollen die Feuerwehrmänner zum ersten Mal in Atemschutz-Montur joggen gehen. Das Gewicht, das sie dabei mitschleppen werden, ist enorm. 15 bis 18 Kilogramm, schätzt Pumberger, dürften Montur und Atemschutzgerät wiegen. Nur die schweren, klobigen Feuerwehrstiefel dürfen im Gerätehaus stehenbleiben.
„Ich würde das nicht ohne ärztliche Betreuung machen.“
Für Bernhard Karl, Leiter des Fachbereichs Umwelt und Ausbildung an der Staatlichen Feuerwehrschule in Lappersdorf, ist das, was die Sinzinger Feuerwehrleute vorhaben, eine äußerst waghalsige Aktion. „Schon bei normalen Einsätzen kollabieren Atemschutz-Geräteträger“, sagt der Experte. „Ich würde das nicht ohne ärztliche Betreuung machen.“ Karl warnt davor, das Gewicht zu unterschätzen, das auf den Feuerwehrmännern lastet. Allein ein handelsüblicher Pressluftatmer und eine Atemschutzmaske wiegen 12,2 Kilogramm. Ein zusätzlicher Stressfaktor ist die Hitzebelastung unter der Einsatz-Montur. „Die Goretex-Membran wird den Temperatur-Ausgleich nicht schaffen“, prognostiziert er. „Den Läufern wird das Wasser unten wieder rauslaufen.“
Aber Wolfgang Pumberger kennt noch härtere, sportliche Herausforderungen. Als Ultraläufer hat er schon manche bezwungen, zum Beispiel die kompletten 84,1 Kilometer des Mittelbayerische Landkreislaufs 2012 von Köfering nach Schierling. Nun ist er heiß auf die zehn Kilometer in Regensburg, den Viertelmarathon. Eine Gaudi wird das aber auch für ihn nicht. „Uns geht es um das Image der Feuerwehr“, sagt er. Ihn ärgert es, wenn jemand schimpft, dass Freiwillige Feuerwehren nur „Feierwehren“ seien. In Sinzing gäbe es nur noch selten Bier.
Die Sorge um den guten Ruf

Kreisbrandrat Wolfgang Scheuerer hat erst von der Mittelbayerischen Zeitung von der Aktion der Sinzinger erfahren. Er ist gespannt: „Der Lauf dürfte für enormes Aufsehen sorgen“, sagt er. „Und wir sind ja gezwungen, alle Ressourcen für die Mitgliederwerbung zu nutzen.“ Scheuerer zufolge kommt es aber auch immer wieder vor, dass gut gemeinte Initiativen auf negatives Echo stoßen. „Da heißt es dann: Hat die Feuerwehr sonst nichts zu tun?“
Die drei Männer, die mit Pumberger auf die Strecke gehen, sind alle sportlich. Vize-Vorsitzender Helmut Finkenzeller ist in Hannover kürzlich sogar selbst einen Viertelmarathon gelaufen. Seine Zeit, sagt der 44-Jährige, sei „katastrophal“ gewesen. Aber er sei zuvor auch ein wenig krank gewesen. In Regensburg wollen er und seine Kollegen diese Zeit trotz Einsatzmontur toppen. Doch zuvor wartet harte Arbeit auf sie. Ultraläufer Pumberger hat für seine Kameraden einen Trainingsplan aufgestellt. Kamerad Finkenzeller erwartet Muskelkater. „Und vielleicht sagen wir ja am Samstag auch: Was war das für eine Scheiß-Idee“, scherzt er.
Bis zum Marathon-Tag wollen die Sinzinger ihre Strategie so optimiert haben, dass sie mal gehend, mal laufend gut ins Ziel kommen. Momentan planen sie sogar noch, 300 Meter zuvor ihre Atemschutzmaske aufsetzen. Ihr eigentliches Ziel ist aber erst erreicht, wenn sich wieder mehr Sinzinger für ihre Feuerwehr engagieren. Schließlich ist die Not groß.
Sehen Sie hier Fotos vom Regensburg Marathon 2017:

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