Gedenken im Kreis Regensburg
Plötzlich bedrückend real: Volkstrauertag im Zeichen des Ukraine-Krieges

13.11.2022 | Stand 15.09.2023, 2:58 Uhr
Vor dem Ehrengrab am Kriegerdenkmal: Bürgermeister Herbert Tischhöfer bei seiner Ansprache −Foto: David Santl

In den vergangenen Jahren war der Volkstrauertag fast nur noch eine Pflichtschuldigkeit. Vertreter aus Politik, Kirchen Gesellschaft wollten eben regelmäßig an etwas erinnern, das eigentlich so weit weg schien. Krieg war allenfalls ein hässliches Wort in Geschichtsbüchern oder Inhalt von Nachrichten aus anderen Teilen der Welt. Aber hier in Europa? Unvorstellbar.

Dann kam der 24. Februar 2022. Der Tag, an dem eine jahrzehntelange Episode des Friedens auf diesen Kontinent auf schreckliche Art und Weise zu Ende ging. Russland überfiel die Ukraine – und sorgt mit den Gräueltaten seiner Armee noch immer für Entsetzen, auch auf dem Hemauer Volkstrauertag.

Nie gekannte Existenzängste

„Mit diesem Krieg wurde das Tabu gebrochen, dass Grenzen niemals mit Gewalt verschoben werden dürfen“, sagte Bürgermeister Herbert Tischhöfer bei der zentralen Gedenkfeier am Kriegerdenkmal. Er erinnerte daran, wie er seine Trauerrede noch im letzten Jahr begonnen habe: „Gott sei Dank ist Europa kein Kriegskontinent mehr.“ Doch inzwischen dauere der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine schon ein Dreivierteljahr – und habe auch Deutschland verändere.

Einerseits gebe es eine große Solidarität, andererseits aber auch bislang nie gekannte Existenzängste, durch die Energiekrise oder die Bedrohung einer nuklearen Auseinandersetzung. „Außerdem haben die Krisen die Risse in unserer Gesellschaft vertieft. Extreme Kräfte bekommen Zulauf“, stellte er fest. Viele würden fordern, den Krieg einzufrieren und die russischen Annexionen hinzunehmen.

Tischhöfer warnte aber, dass der russische Präsident Wladimir Putin eine gefährliche Ideologie verfolge: „Gehen dann die Eroberungen immer weiter?“, fragte er. Denn ein Krieg, so der Bürgermeister, kenne nur Verlierer – egal, wer sich am Ende zum Sieger erklärt. Stadtpfarrer Berno Läßer und Pfarrerin Julia Sollinger gedachten vor allem der Kinder, Frauen und Männer, die durch Krieg ihr Leben verlieren oder verfolgt werden, weil ihr Leben manchen als lebensunwert gilt. Der Hemauer VdK-Vorsitzende Martin Preuschl sah den Volkstrauertag auch als Tag der Verpflichtung, der die Menschen erinnere, im Namen des Friedens zu sprechen.

Kränze und Nationalhymne

Seit 1945 sei der Satz „nie wieder Krieg“ mehr als ein leeres Wort gewesen. „Über 70 Jahre hatten wir das Gefühl, dass alles passt und dass wir großes Glück haben, in Deutschland zu leben“, so Preuschl. Doch nun sei der Krieg auch hier wieder real. Nach den Reden wurden vor dem Kriegerdenkmal traditionell die Kränze niedergelegt und die Nationalhymne gesungen.

Vor der Gedenkfeier auf der Stadtterrasse gab es wieder einen Trauerzug durch die Innenstadt. Bei der Kranzniederlegung an der Kriegergedächtniskapelle erinnerte der Vorsitzende der Hemauer Soldaten- und Kriegerkameradschaft, Alfons Kollmer, daran, dass vor einem Jahr noch Corona als größte Herausforderung galt. Jetzt sei es die Frage nach dem Frieden. „Diese Frage sollte jeder sich selbst stellen. Darum ist es unsere Pflicht, den gefallenen Soldaten und allen Vertriebenen und Opfern sinnloser Gewalt zu gedenken“, so Kollmer. Denn viele von ihnen hätten ihr Leben noch gar nicht gelebt und seien einen vermeidbaren Tod gestorben. Anschließend bewegte sich der Trauerzug zum Alten Kriegerdenkmal am Ringweg, wo ebenfalls eine Schweigeminute eingelegt wurde.

Nach der offiziellen Gedenkfeier fand noch der Kriegergedächtnisgottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Johannes statt, der mit einem Moment der Stille unter dem mahnenden Klang der großen Glocke und dem Lied vom Guten Kameraden endete.