Hochwasserschutz
Beträge werden zurückgezahlt

Der Gemeinderat Sinzing hob das Votum für eine Eigenbeteiligung auf. 100 betroffene Bürger können sich freuen.

31.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:50 Uhr
Gertraud Pilz

Hochwasser 2013: Die Autobahnbrücke über die Donau bei Sinzing. Foto: Winter

Einhundert betroffene Bürger konnten am Mittwochabend die Sektkorken knallen lassen: Der Gemeinderat machte ihnen mit seinem positiven Votum in Sachen „Eigenbeteiligung Hochwasserschutz“ ein rund 700 000 Euro umfassendes „Geschenk“. Mit nur einer Gegenstimme wurde ein Gemeinderatsbeschluss von 2006 gekippt.

Dieser sah mittels erlassener Verwaltungsvorschriften die Eigenbeteiligung der vom Hochwasser Beeinträchtigten in Höhe von insgesamt 10,29 Prozent vor. Die Eigenbeteiligungsregelung war 2006 mit nur zwei Gegenstimmen vom Gemeinderat befürwortet worden. Durch die Tatsache, dass die damaligen Beschlüsse am Mittwoch mehrheitlich gekippt wurden, sind nun rund 613 000 Euro an die fünfundneunzig Bürger, die per Ablöseverträge bereits bezahlt haben, in zwei Raten zurückzuzahlen. Im Weiteren werden von fünf Beschwerdeführern, bei denen die Zahlung bis zur Entscheidung per Gericht ausgesetzt wurde, die Kostenbescheide aufgehoben.

Akt der Gerechtigkeit

In der Regelung die bereits bezahlten Beträge der fünfundneunzig Willigen zurückzuerstatten, sieht Bürgermeister Patrick Grossmann einen Akt der Gerechtigkeit, denn im Jahre 2006 erfolgte die Bereitschaft, sich an den Kosten für den Hochwasserschutz zu beteiligen unter „gewissem Druck“. Die Finanzlage der Gemeinde war mittels geplanter und begonnener Investitionen, wie der damalige Bürgermeister Franz Xaver Wiesner argumentiert hatte, sehr angespannt.

Eine Kreditaufnahme zur Finanzierung des Hochwasserschutzes, der eine freiwillige Eigenbeteiligung der Gemeinde von achtunddreißig Prozent bedeutet hätte, sollte laut Wiesner unbedingt vermieden werden. Der Gemeinderat folgte damals mit nur zwei Gegenstimmen den Argumenten Wiesners und stimmte für eine Eigenbeteiligung der betroffenen Bürger im Umfang von insgesamt 10,29 Prozent der Gesamtkosten.

Bürgermeister Patrick Grossmann stellte in der Sitzung am Mittwoch eingangs vor vollbesetzter Besucher- und Zuhörerkulisse in der Schulaula die Rechtssituation zu diesem Thema dar und sagte, dass nach vorläufiger Rechtseinschätzung im zuständigen Senat des VGH Bayern die damals in Anlehnung an geltendes Recht erlassenen Verwaltungsvorschriften der Gemeinde für die Eigenbeteiligung rechtlich sehr umstritten seien und es wahrscheinlich sei, dass die Beschwerdeführer vor Gericht obsiegen werden.

„Es kann nicht sein, dass 7900 Bürger die Kosten von 100 Bürgern tragen müssen.“Wolfgang Wiegard, Gemeinderat

Dennoch aber habe der Gesetzgeber mit einer Neufassung der Vorschriften im Bay. WSG 2018 die Voraussetzungen geschaffen, dass Eigenbeteiligungen an Maßnahmen der Nutzungsmehrung und Schadensabwehr, wie beim Hochwasserschutz gegeben, per Satzung vereinbart werden könnten. Rechtsanwältin Funk bestätigte dies und stellte auf Nachfrage von Professor Wiegard fest, dass man auch keine Verjährungsfristen bei einem jetzigen eventuellen Satzungserlass zu befürchten habe weil ja die Gemeinde die Eigenbeteiligung nur in Form von Kostenvorschüssen eingefordert habe.

Die Verwaltungsvorschriften für die Eigenbeteiligung, die die Gemeinde 2006 erlassen habe, seien zwar sauber, transparent und sehr nachvollziehbar erarbeitet worden, müssten jedoch in Form einer Satzung nachgearbeitet und neu erlassen werden sagte Funk. Ob diese dann inhaltlich, formell und vor allem rechtssicher zu erwartenden Klagen bei Gericht standhalten würde, zumal hier dem Gesetzgeber Versäumnisse zuzuschreiben sind, bleibe abzuwarten. Auch eine sogenannte Amtshaftung durch den Freistaat Bayern wegen Versäumnissen in der Gesetzgebung sei abwegig, beantwortete Funk die Nachfrage von Nicolas Hilbert.

„Inneren Frieden“ herstellen

Professor Dr. Wolfgang Wiegard plädierte dennoch für einen Satzungserlass und die Beibehaltung der Eigenbeteiligung für die betroffenen Bürger und vertrat die Meinung, „Es kann nicht sein, dass 7900 Bürger die Kosten von einhundert Bürgern, die ausschließlich von der Maßnahme bevorteilt wurden, tragen müssen.“ Vorteile einiger weniger gingen mittels der zu erwartenden Anhebung von Gebühren zum Nachteil der gesamten Bürgerschaft, untermauerte er seine Argumente.

Bürgermeister Grossmann sagte, die von der Gemeinde beabsichtigte Entlastung der 100 betroffenen Bürger von der Eigenbeteiligung am Hochwasserschutz entspräche dem derzeit erkennbaren „Trend“ von Politik und Staat. Deshalb sehe er sich veranlasst, um weiteren zu erwartenden gerichtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen, dem „Ganzen“ ein Ende zu setzen und den „inneren Frieden“ wieder herzustellen.

Andreas Geim schlug vor, bereits beim Ausbau der Bahnhofstraße Einschränkungen zu treffen. Gernot Seybold für die CSU-Fraktion und Franz Schöppl für die FW, befürworteten die Rücknahme der Eigenbeteiligung. Die heutige Vorgehensweise sei in Sachen Bürgerentlastung längst überfällig sagten sie. Mit zwei Gegenstimmen wurde die Rückzahlung der bereits bezahlten Kostenvorschüsse durch den Gemeinderat gebilligt. Die Rücknahme der Beitragsbescheide der fünf Klageführer wurde einstimmig genehmigt.