Hochwasser
Flut an Argumenten für und wider Polder

Die Befürworter sehen keine Alternative zu den riesigen Becken. Die Gegner fürchten nasse Keller und misstrauen Fachleuten.

10.02.2015 | Stand 16.09.2023, 7:02 Uhr
Zwei Gegner auf dem Weg zum Podium: Barbings Bürgermeister Hans Thiel und Umweltministerin Ulrike Scharf −Foto: Seidl

Im Hochwasserdialog des bayerischen Umweltministeriums im Rathaussaal fuhren Befürworter und Gegner gesteuerter Polder am Montagabend eine Vielzahl an Argumenten auf. Die MZ stellt die wesentlichen Punkte gegenüber.

Das zentrale Argument vonUmweltministerin Ulrike Scharf(CSU), Professor Dr. Peter Rutschmann (TU München) und Josef Feuchtgruber, dem Leiter des Wasserwirtschaftsamts Regensburg: Gesteuerte Flutpolder bieten als einzige technische Lösung die Möglichkeit, den Scheitel einer Hochwasserwelle gezielt zu kappen, weil sie dann zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Maßnahmen bereits ausgeschöpft sind.

Rückhalt in der Fläche reicht nicht aus

Ein Wasserrückhalt in der Fläche, an kleinen Flüssen, Bächen etc. müsste vergleichsweise sechsmal so groß dimensioniert werden wie die zwölf an der Donau geplanten Flutpolder, um eine ähnliche Wirkung zu erhalten, betonte Feuchtgruber. Es gebe in Bayern 370 derartige Maßnahmen, so beispielsweise in Bach. Alle zusammen hätten ein Rückhaltevolumen von etwa 25 Millionen Kubikmeter – weniger als die beiden geplanten Polder Eltheim und Wörthhof.

Rückhalt durch Staustufen birgt Gefahren

Noch nicht untersucht ist der Effekt, den die Staustufen an der Donau und ihren Nebenflüssen auf ein Hochwasser haben könnten, wenn sie vorab abgelassen würden und dann selbst als steuerbare Polder dienen würden. Rutschmann kündigte an, dass die TU München eine solche Untersuchung am Inn demnächst starten werde. Er bezweifelte aber, dass man die Staustufen an den bayerischen Flüssen innerhalb eines großen Gesamtkonzepts steuern kann. Er warnte vor negativen Folgen wie Böschungsabbrüchen, wenn der Wasserspiegel in Flüssen schnell abgesenkt wird. Der Schaden könne größer sein als der Nutzen.

Polder hätten Fischerdorf gerettet

Der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU) schilderte die Dammbrüche, die 2013 bei Fischerdorf eine Flutkatastrophe ausgelöst hatten. „Sobald ein Damm überschwemmt wird, bricht er.“ Hätte es damals steuerbare Polder gegeben, hätten die Dämme gehalten, weil sie nicht überspült worden wären, sagte Bernreiter. Professor Rutschmann schränkte diese Gewissheit auf Nachfrage ein. Mit Sicherheit lasse sich das nicht sagen. Bernreiter verwies auf den Polderbau bei Deggendorf. Dort ziehe die Bevölkerung mit, die ihrerseits Oberlieger für Vilshofen und Passau sei.

Das sagen die Gegner

Die Grundwasserfrage ist für die Bevölkerung im Bereich der geplanten Flutpolder Eltheim und Wörthhof das größte Problem. Landrätin Tanja Schweiger brachte es auf den Punkt: „Es gibt dort Häuser, wo die Pumpen bereits jetzt das ganze Jahr laufen.“ Sie sprach von 30000 Betroffenen. Durch die Polder werde sich die Lage weiter verschärfen, lautete die Befürchtung der Gegner. Die Regierungsvertreter versicherten wiederholt, dass man die Probleme mithilfe eines detaillierten Grundwassermodells in den Griff bekommen werde.

Vertrauen verloren

Dem Versprechen, dass Grundwasserprobleme durch technische Lösungen beherrschbar sind, schenken die Gegner keinen Glauben mehr. Genau diese Zusage habe es bereits beim Ausbau der Donau gegeben. Die Realität zeige, dass die Donau den Grundwasserspiegel in die Höhe treibe, wie die Untersuchungen des Wasserbauspezialisten Professor An-dreas Malcherek im Auftrag des Landkreises nachgewiesen habe. Nachträgliche technische Lösungen seien nicht in der Lage, das Grundwasserproblem entscheidend zu entschärfen. Feuchtgruber und Rutschmann räumten auf Nachfrage ein, dass das Grundwasser bei der Festlegung der Polderstandorte keine Rolle gespielt habe. Konkrete Aussagen zu dem Themenkomplex seien erst möglich, wenn das Grundwassergutachten vorliegt.

Polde gefährdet Trinkwasser

Josef Schütz, 2. Bürgermeister von Wörth, befürchtete Schäden für die direkt neben dem geplanten Polder Wörthhof gelegene Trinkwasserbrunnen der Stadt. Im Ernstfall würden sie unbrauchbar werden, weil verschmutztes Hochwasser direkt in den Einzugsbereich der Wasserversorgung eindringe. Auch hier versprach das Wasserwirtschaftsamt Abhilfe. Ministerin Scharf fügte hinzu, dass Untersuchungen der Böden bei Fischerdorf nach der Flut 2013 gezeigt hätten, dass es keine dauerhafte Verunreinigungen gegeben habe.

Staustufen statt Polder

Professor Malcherek hält ein Staustufenmanagement an der Donau für realisierbar. Man könne dadurch ähnlich wie bei einem Verkehrssystem eine Hochwasserwelle durch das gesamte Flusssystem steuern. Michael Beimler aus Eltheim hatte sich die Mühe gemacht, die Datengrundlage für die Standortwahl der Polder zu studieren. Sein Fazit: Die Aussagen zu diesen Daten seien sehr unterschiedlich. So sei von Unwägbarkeiten vor allem im Alpenraum die Rede, der Inn komme in diesen Unterlagen überhaupt nicht vor.

Der Abend in Barbing war Auftakt für einenDialogprozess, der sich über mehrere Monate erstrecken soll. In Arbeitskreisen, insbesondere zu den Themenbereichen Grundwasser, Infrastruktur, Landwirtschaft und Naturschutz, sollen die verschiedenen Aspekte des Mammutprojekts zwischen dem Wasserwirtschaftsamt Regensburg und Anliegern erörtert werden.