Begriff
Auf der Spur des Tangrintel

Im Mittelalter ist der Begriff Tangrintel belegt. Vor 50 Jahren war er in Hemau vergessen. Drei Männer wollten das ändern.

09.08.2018 | Stand 16.09.2023, 5:56 Uhr

Altbürgermeister Hans Schuster präsentiert die Tangrintel-Karte, die Leo Katzmeier recherchiert und gezeichnet hat. Foto: Heiner Stöcker

Geschäfte werben damit, Hemau präsentiert sich stolz als Stadt auf dem Tangrintel und das Tangrintel Volksfest steigt in drei Wochen: Die Stadt Hemau, die Region und der Begriff Tangrintel sind heute untrennbar miteinander verbunden. Er ist eine Marke geworden. Es gibt sogar den Tangrintel-Nachmittag am Volksfest-Samstag. Dabei wollte Mitte des vergangenen Jahrhunderts niemand etwas davon wissen.

Anfang der 1970er-Jahre haben der damalige Bürgermeister Hans Schuster und seine Mitstreiter den Nachmittag zum ersten mal abgehalten. „Du hast doch einen Vogel! Geh doch weg mit dem Schmarrn! Was willst Du überhaupt damit?“ So sind Schuster, German Roßkopf und Leo Katzmeier angegangen worden. Heute sitzt Schuster in seinem Arbeitszimmer und grinst spitzbübisch. „Wir wollten den Begriff wieder in die Köpfe und Herzen der Menschen bringen.“ Und das hat geklappt.

Im Video erklärt Hans Schuster, wieso ihm das Projekt „Tangrintel“ so wichtig war.

„Vor 50 Jahren hatten viele den Namen Tangrintel vergessen oder verdrängt“, sagt Hans Schuster. Er ist 90, Altbürgermeister, war unter anderem stellvertretender Landrat und Ortsheimatpfleger der Stadt Hemau. „Die Geschichte, wie der Begriff wieder zu seiner heutigen Bedeutung kam, geht bis in die 1950er Jahre zurück“, sagt Schuster. Ein maßgeblicher Impulsgeber war Leo Katzmeier. 1902 in Nürnberg geboren, kam er nach dem Krieg nach Hemau. Hier etablierte er sich als Kunstmaler und förderte als Ortsheimatpfleger das Brauchtum. „Er hat in den 50ern einmal in einer Aktion acht großformatige Bilder der Tangrintel-Gemeinden einfach so auf dem Stadtplatz aufgestellt“, erinnert sich Schuster. „Damals wussten die Leute nicht so recht etwas damit anzufangen.“ Als ‚Tangrintel‘ galt damals umgangssprachlich nur noch ein Dorf im Westen von Hemau – Pellndorf. Aber historisch bezeichnet der Begriff Tangrintel das gesamte Gebiet auf der Hochfläche zwischen den Flüssen Altmühl und Schwarze Laber. Er reichte von Herrnried im Norden bis Maierhofen im Süden. Im Mittelalter war der „Districtus Tangrintel“ eineigener Fiskalbezirk und im 16. Jahrhunderthieß es auf allen offiziellen Schreiben der Stadt „Hemau, die Stadt auf dem Tangrintel“. „Das ist im 17. und 18. Jahrhundert alles vergessen worden.“

Schuster und seine Mitstreiter hatten eine Agenda: „Dass der Tangrintel grenzmäßig wieder bekannt ist, also, dass die Menschen wissen, was gehört dazu und dass die Leute sich auch zum Tangrintel zugehörig fühlen.“

Die Bildergalerien zeigen Impressionen vom Tangrintel-Nachmittagen der vergangenen Jahre.

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Für den ersten Tangrintel-Nachmittag auf dem Volksfest machten sich Maler Katzmeier und Schuster auf die Suche nach den acht Bildern aus den 1950er Jahren. Die hatte die Stadt zwischenzeitlich im alten Feuerwehrhaus eingemottet. Seit dem zieren sie das Festzelt. Auch die Ortstafeln, die an der Decke über den Besuchern im Bierzelt schweben, sind Katzmeiers Werk.

Ein weiterer Verfechter der Idee war Dr. German Roßkopf. Promovierter Botaniker, Apotheker, gewählter Stadtrat, Vollblutmusiker und erster Conférencier des Tangrintel Nachmittags. „Das war natürlich damals auch die Zeit der Gebietsreform“, sagt sein Sohn, Dr. Frieder Roßkopf. „Damals waren einige Ortsteile nicht sonderlicht begeistert von der Zusammenführung. In Hohenschambach hingen zum Beispiel damals Tangrintel-Nachmittag-Plakate, die jemand mit roter Farbe durchgestrichen hat.“ Heute lachen die Menschen über solche Geschichten. Damals kochten die Emotionen.

Die Organisatoren steckten viel Mühe ins Programm der Nachmittage. „In einem der ersten Jahre haben wir zum Beispiel in Klingen in Schuppen und Scheunen nach alten Sensen, Gabeln und vielen anderen Arbeitsgeräten durchsucht“, sagt Hans Schuster. „Das war Katzmeiers Idee. Und dann hatten wir im Zelt eine Schau und präsentierten das Werkzeug. Die Besucher sollten sehen, womit früher gearbeitet worden war. German Roßkopf und er haben da eine Menge angeschoben.“

Die Bildergalerien zeigen Impressionen vom Tangrintel-Nachmittagen der vergangenen Jahre.

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Den Tangrintel Nachmittag gibt es seit etwa 45 Jahren. „Aber es ist schön, dass von den Bürgern und Teilnehmern bis heute immer noch und immer wieder neue Ideen dazukommen“, sagt Schuster.

Seit zehn Jahren führt Dr. Frieder Roßkopf durch das Programm. „Leute die Brettlspitzen und Wirtshausmusikanten im BR mögen, sind bei uns richtig aufgehoben. Aber es ist immer wieder eine Herausforderung.“ In den vergangenen 45 Jahren sei viel ausprobiert und wieder verworfen worden. „Wichtig ist, die Besucher fühlen den Tangrintel und erleben einen schönen Nachmittag.“