Mode
Das ist die richtige Tracht für Anfänger

Tracht hat Tradition. Aber die Mode treibt ihre Blüten. Chic sein ist erlaubt – manches stößt den Experten aber sauer auf.

17.08.2018 | Stand 16.09.2023, 6:07 Uhr
Heiner Stöcker

Lucia Riepl und Franziska Liedl waren mit MZ-Redakteur Heiner Stöcker shoppen. Was sie erlebt haben zeigt das Video auf www.mittelbayerische.de/hemau

Dult in Regensburg, Tangrintel-Volksfest in Hemau oder Gillamoos in Abensberg – die Volksfestsaison steht ins Haus und damit die große Frage: Was ziehe ich an und was ist erlaubt? Grundsätzlich darf natürlich jeder anziehen, was er will. „Aber wenn ich T-Shirt und Badeschlappen zur Lederhose bei einer Veranstaltung sehe, die Traditionscharakter hat – das geht halt nicht“, sagt Lucia Riepl. Die Schülerin und ihre Freundin Franziska Liedl spielen seit rund neun Jahren in der Stadtkapelle Hemau. Und eine einheitliche Tracht ist da Pflicht. „Es ist ein Unterschied, ob man abends Party macht oder beim Festumzug mitgeht.“Heute sind Franziska und Lucia die MZ-Style-Berater.

Ein hoffnungsloser Fall

Redakteur Heiner Stöcker ist da ein hoffnungsloser Fall. Mit Lederhose, Sneaker, T-Shirt und einem rot karrierten Etwas von Hemd fällt er bei ihnen durch. „Mir fehlt da einfach das HintergrundWissen“, sagt der und zuckt die Schultern.

Das Wort Tracht kommt vom tragen. Und: „Die eine, spezifischeOoberpfälzer Tracht gibt es nicht“, sagt der stellvertretende Bezirksheimatpfleger Florian Schwemin. „Das kommt immer darauf an, in welcher Gegend Sie sind, und für was die Kleidung gedacht war.“ Allein schon die Unterscheidung Festtagstracht und Alltagstracht fällt da ein. „Was wir heute in den Bierzelten sehen, ist im wesentlichen stilisiertes Arbeitsgewand.“ So eine Lederhose hält viel aus. Die konnte der Bauer auch auf dem Feld und im Wald tragen, ohne Angst haben zu müssen, dass er sich eine Ecke herausreißt. „So wirklich in die Köpfe kam die Tracht als Mode dann erst im Barock, wo sich die feinen Herrschaften gefielen, wenn sie bei ihren Schäferspielen Dirndl trugen.“ Die Maler der Zeit begannen genauer hinzuschauen, was die einfachen Menschen anhatten und verewigten das in ihren Gemälden. Im späteren 19. Jahrhundert kamen dann die ersten Trachtenvereine auf.

Maßgeblicher Impulsgeber der Mode war laut Schwemin die Münchner Gesellschaft – allen vorandie Wittelsbacher. Die Königsfamilie präsentierte sich oft und gerne in Tracht. Tracht wurde chic und gesellschaftsfähig. Zu Ehren der Silberhochzeit von König Ludwig I. von Bayern und Prinzessin Therese fand zum Oktoberfest 1835 erstmals ein Trachtenumzug statt. 1895 organisierte der Heimatschriftsteller Maximilian Schmidt einen weiteren Umzug mit 1400 Teilnehmern in 150 Trachtengruppen. Aber oft waren die Trachten Sammelsurien. „Die Damen und Herren grasten die umliegenden Dörfer ab und suchten nach dem alten Zeug, das keiner mehr anziehen wollte.“ Ein Tuch hier, eine Kette da...: „Einige Damen hatten Teile aus zwölf Dörfern an.“ Die ersten Trachtenvereine der Oberpfalz waren in der Folge alpenländisch geprägt und trugen die Miesbacher Tracht. Einheitlicher und besser historisch belegt wurden die Gewänder dann erst Mitte des 20. Jahrhunderts.

Heute braucht niemand mehr Speicher und Dachböden durchforsten. „Es gibt genügend Anbieter, die nach historischem Vorbild fertigen.“ Schwemin würde auf alle Fälle einer modernen vor einer echten historischen Tracht den Vorzug geben. „Allein schon aus hygienischen Gründen. Wir haben Fotos bei uns im Archiv, auf denen wir etliche tote Käfer aus dem alten Rosshaar einer historischen Tracht geholt haben.“

Einer dieser Anbieter ist die Familie Pöllinger in Hemau. Seit 1860 fertigt das Unternehmen Lederhosen. Gründer Thomas Pöllinger war damals hauptsächlich damit beschäftigt, für die heimischen Bauern die langen, schwarzen Stiefellederhosen zu nähen, sie zu reparieren, zu waschen oder neu einzufärben. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen dann die alpenländischen, kurzen Lederhosen. Die Firma machte einige Hochs und Tiefs durch. Aber heute zählt Trachten Pöllinger im ostbayerischen Raum mit zehn Filialen zu einem der führenden Anbieter von Trachtenmode. Und dankInternet verkauft Pöllinger Leder & Trachtauf der ganzen Welt.

Weniger ist mehr

„Eine gute Tracht braucht gar nicht viel“, sagt Franz Pöllinger jun.. „Nicht Schickimicki – was schlichtes, echtes, ehrliches. Baumwollstoff und eine g’scheide Lederhose. Das genügt und man ist immer gut angezogen.“ Gesehen hat er schon viel und manche Blüten, die die Oktoberfest-Mode mitunter treibt, macht ihn Kopfschütteln. „Der schönste Moment für mich ist, wenn die Kundschaft die Sachen anhat und sich zum ersten Mal im Spiegel sieht. Wenn dann die Mundwinkel nach oben gehen, freue ich mich auch.“

Auch für den MZ-Redakteur gibt’s ein Happy-End und Franziska und Lucia sind zufrieden. Die Basics stimmen jetzt: Ein einfaches weißes Baumwollhemd, Haferlschuhe und dazu hohe Strümpfe die in der Knie-Bund-Lederhose verschwinden. Kostenpunkt – ohne Lederhose – knapp 160 Euro. „So kann er sich sehen lassen. Später kannst da noch eine Weste oder einen Janker dazu nehmen.“

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