Geschichte
Hightech statt Ochsengespann

Die Landwirtschaft erlebte nach dem Krieg eine beispiellose Umwälzung. Zwei Nittendorfer erzählen von damals und heute.

19.09.2018 | Stand 16.09.2023, 5:58 Uhr
Paul Neuhoff

Karl Bolz aus Nittendorf ackert 1950 mit dem Ochsengespann vor einem Holzpflug. Er schaffte an einem Tag gut 3000 Quadratmeter. Foto: Archiv/Neuhoff

Wenn man in diesen Tagen des Frühherbstes durch die Lande fährt, sieht man überall auf den Feldern riesige Traktoren, die, mit großen Geräten bestückt, die Erde auf den abgeernteten Flächen bearbeiten. Nimmt man sich ein wenig Muse und beobachtet die Arbeitsvorgänge, so kann man nur staunen, in welch kurzer Zeit große Areale geackert, angesät und gewalzt sind.

Manche Äcker liegen danach so feinkrümelig und glatt bearbeitet da, als sei ein riesiges Spannbetttuch darüber ausgebreitet. Wie war das eigentlich vor sechzig, siebzig Jahren, als Pferde und Ochsen oder auch eine Kuh den Pflug zogen?

Technische Revolution

Die Mittelbayerische hat sich mit Sebastian Sußbauer, Austragslandwirt, und mit seinem Sohn Andreas unterhalten.

Die Sußbauers bewirtschaften einen Vollerwerbshof in Grafenried, einem Weiler auf den Jurahöhen östlich von Nittendorf. Andreas Sußbauer geht mit der Zeit und ist maschinenmäßig bestens ausgestattet. Sein Vater hat die Zeit noch erlebt, als noch kein Traktor auf dem Hof stand und reine Muskelkraft von Mensch und Tier der Motor für die Arbeitsabwicklung war. Vorweg kann schon festgehalten werden, dass wir in den letzen sechzig Jahren in der Landwirtschaft eine technische Umwälzung erlebt haben, wie sie in der Jahrtausende alten Geschichte des Ackerbaus noch nicht vorgekommen ist. Auch unser derzeitiger, vorher nie gekannter Wohlstand, fußt zum Teil darauf, dass den Pflug und die Egge nicht mehr Ochsen oder Pferde ziehen.

Sebastian Sußbauer erinnert sich noch im Detail an die einzelnen Arbeitsschritte, die nötig waren, um etwa ein abgeerntetes Feld wieder für die nächste Ansaat herzurichten. Man konnte damals nicht einfach einen Zündschlüssel am Pferd umdrehen und losfahren. Wie uns der Altlandwirt schildert, wurde nach der Stallarbeit am frühen Morgen das Pferd oder auch der Ochse erst einmal „eingeschirrt“. Den Pferden wurde dazu ein ledernes Brustgeschirr umgelegt, der Ochse oder die Kuh bekam ein „Joch“ auf den Kopf. Beide Vorrichtungen dienten dazu, das jeweilige Arbeitsgerät anzuhängen. Nach dem „Einschirren“ ging es zuerst ganz gemächlich in Schrittgeschwindigkeit mit dem Pflug aufs Feld hinaus. Dieses Gerät wendete die Erde bis zu einer Tiefe von etwa zwanzig Zentimeter. Die aufgeworfenen Schollen blieben den Winter über liegen, damit Frost und Tauwetter die Erde lockern konnten.

Im Frühjahr spannte man die Tiere dann vor die vergleichsweise kleine Egge, um die Schollen zu zerkleinern. Dann wurde angesät. Ganz früher schritt dazu der Bauer über das Feld und streute die Getreidesamen händisch mit einer gekonnten Armbewegung möglichst gleichmäßig über den Boden. Danach kam noch die Walze, früher aus Holz, später auch schon aus Eisen, zum Einsatz, um das Erdreich zu verfestigen. Wie Sebastian Sußbauer weiter schildert, waren damals Mensch und Tier bei der jeweiligen Bodenbearbeitung etwa acht Stunden auf dem Feld und schafften dabei etwa ein „Tagwerk“, also gut 3300 qm.

Allein an diesen geschilderten Arbeitsschritten kann man den gewaltigen Unterschied bei der Feldbearbeitung damals und heute festmachen. Andreas Sußbauer und seine Berufskollegen könnten es sich heutzutage zeitmäßig gar nicht mehr leisten, gemächlich mit dem Gaul über das Feld zu zuckeln. Ernährte in den 1950er Jahren ein Bauer noch etwa zwanzig Personen, so muss ein Landwirt heute Feldfrüchte, wie etwa Roggen als Brotgetreide, für circa 150 Esser produzieren. Dementsprechend muss ein Landwirt technisch ausgerüstet sein.

Ansaat mit GPS-Unterstützung

So reicht heute kein einschariger Pflug mehr, der von einem PS gezogen wird. Mit fünf, sechs oder mehr Scharen und weit über einhundert PS wird das Feld beackert. Geht es zur Ansaat, so packt der moderne Bauer an die Frontpartie seines GPS-gesteuerten Traktors Kultivator und Doppelprismenwalze. An der Heckpartie sind dann noch Kreiselegge und Sämaschine angebaut.

Mit dieser Kombination bearbeitet Andreas Sußbauer etwa zehn Hektar pro Tag. Sein Vater hätte in den 1950er Jahren für die komplette Bearbeitung einer solchen Fläche mit dem Ochsengespann das zig-fache an Tagen arbeiten müssen. Auch die Ernte war mühselig. So wurde etwa Heu gabelweise auf den Wagen geladen und dann in der Scheune wieder in der gleichen Weise in den Heuboden gegabelt. Auch das Unkraut, wie etwa Disteln, musste einzeln gerupft werden. Heute kommt ein Spritzmittel oder auch ein leistungsfähiges mechanisches Gerät zum Einsatz.

Sebastian Sußbauer macht am Ende unseres Gesprächs keinen Hehl daraus, dass er sich die „gute alte Zeit“ nicht mehr herbeiwünscht. „Es war eine große Plackerei und auch die Kinder mussten bei vielen Arbeiten schon mithelfen“, resümiert der Altbauer.