Freizeit
Natur erobert den Truppenübungsplatz

Gelände bei Oberhinkofen wird umgestaltet. Der Zielplan für das nationale Naturerbe ist auf mehrere Jahrzehnte ausgerichtet.

11.05.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
Bundesförster Andreas Krüger, Revierleiter Ingo Meierjürgen und FFH-Gebietsbetreuer Hartmut Schmid warteten mit vielen Informationen auf. −Foto: Fotos: BN

Mehr als 50 Interessierte wollten sich die BN-Exkursion ins Naturerbe-Gebiet Frauenholz nicht entgehen lassen. Bundesförster Andreas Krüger (Betriebsbereichsleiter) und Ingo Meierjürgen (Revierleiter) sowie FFH-Gebietsbetreuer Hartmut Schmid warteten mit vielen neuen Informationen auf.

Krüger berichtete, dass in Deutschland in drei Tranchen bis zu 156000 Hektar wertvolle Naturgebiete, die sonst vielfach anderweitig verwertet worden wären, als „Nationales Naturerbe“ gesichert wurden. Die Flächen wurden bzw. werden an die Länder, die DBU Naturerbe GmbH und an Umweltverbände abgegeben. Hierbei handelt es sich überwiegend um ehemalige Militärflächen aber auch um kleinflächige Naturgebiete und Bergbaufolgeflächen. Im Landkreis Regensburg ist der ehemalige Standortübungsplatz bei Oberhinkofen, das jetzige „Frauenholz“, ein solches Gebiet mit einer Größe von 494 Hektar, das der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Naturerbe GmbH übertragen wurde.

Die naturschutzfachliche Betreuung und Entwicklung der Naturerbefläche erfolgt auf der Grundlage eines mit den zuständigen Behörden abgestimmten „Leitbildes“. Der Bundesforstbetrieb Hohenfels unterstützt die DBU bei der Umsetzung ihrer Ziele als Dienstleister vor Ort.

Auf dem ehemaligen Standortübungsplatz herrscht im Westteil geschlossener Wald vor, im Osten eine parkartige Landschaft mit Gehölzbeständen und Offenland. Im Offenland wird durch eine extensive Pflege (Mahd ohne Düngung oder Beweidung mit Schafen) der bestehende Landschaftscharakter erhalten.

Arten- und blütenreichere Bestände

Ziel ist es, das vorhandene Grünland in noch arten- und blütenreichere Bestände zu entwickeln. Die Wiesennutzung erfolgte zu Truppenübungsplatz-Zeiten noch durch intensive Landwirtschaft, teilweise mit Dünger. Seit 2014 ist jeglicher Düngereinsatz verboten. Durch Extensivierung sollen sukzessive artenreichere Wiesen entstehen.

Im Wald besteht vielfach das Ziel, standortgerechte Wälder ihrer natürlichen Entwicklung (Wildnis) zu überlassen. Die vorhandenen Nadelwälder werden sukzessive, aber ohne Eile in Laubmischwälder mit einem geringen Nadelholzanteil umgewandelt. Die zur Zeit vorherrschenden trockenen Sommer beschleunigen diese Entwicklung, da sich hierdurch Borkenkäferschäden an den Fichten häufen. Die befallenen Fichten müssen gefällt werden, da die Borkenkäfer sonst auf umliegende Privatwälder übergreifen könnten. In den Bestandslücken entwickeln sich schon jetzt laubholzreiche Waldbestände. Die Fichte soll aber nicht völlig ausgemerzt werden, sondern sich anteilig bei rund zehn Prozent einpendeln. Markante Einzelbäume (Biotopbäume) werden dabei gezielt gefördert.

Die jetzt vorhandenen Wälder werden in drei Kategorien eingeteilt. Kategorie eins befindet sich schon in Richtung „Natürliche Waldentwicklung“ und benötigt keine lenkenden Eingriffe mehr. Zwei besteht aus Beständen mit älterem Nadelholz. Der Umbau Richtung artenreichen Mischwald soll sukzessive in ca. 20 Jahre erfolgen. Ziel auch hier: naturnaher, standortgerechter Laubwald, der nicht mehr genutzt wird. Die dritte Kategorie sind jüngere Fichtenbestände, die wohl noch mehr als 20 Jahre „Umbau“ bedürfen. Dabei gilt gerade im Waldbereich: Langfristig denken. In Lichtungen fliegen oft Pionierbaumarten, so wie auch der Ahorn, an. Langfristig, soweit der Klimawandel nicht extrem wird, werden sich Buchen-Eichen-Laubwaldmischwälder entwickeln.

Aktiver Artenschutz

Ein weiterer Schwerpunkt im Gebiet ist der aktive Artenschutz. Gefördert wird dieser zum einen langfristig durch die Nutzungsaufgabe im Wald. Hierdurch können, anders als im Wirtschaftswald, alle Bäume ihr natürliches Altersstadium erreichen, in dem sehr viel Höhlen, Nischen und Pilzkonsolen an den Bäumen entstehen, die Lebensgrundlage für zahlreiche Vogel-, Fledermaus-, Käfer- und andere Arten sind. Schon jetzt kommen über 80 Vogelarten als Brutvögel, Nahrungsgäste oder Durchzügler im Gebiet vor. Darunter befinden sich mit Schwarz-, Grau-, Grün-, Bunt-, Mittel- und Kleinspecht sechs Spechtarten. Zur Förderung der Standort- und Artenvielfalt werden alte, geeignete Laubbäume, soweit notwendig, sukzessive vom umgebenden Nadelholz freigestellt.

Auf dem ehemaligen Standortübungsplatz hatten sich durch den Übungsbetrieb Gelbbauchunken in einem großen, stabilen Bestand sowie ein kleines Vorkommen der Kreuzkröte etabliert. Beide Arten laichen in unbewachsene Pioniergewässer, die in den Fahrspuren von Panzern und schweren Radfahrzeugen entstehen. Zum Erhalt dieser Arten werden künstlich sonnige und unbewachsene Laichgewässer geschaffen.

Letzte Kreuzkrötenpopulation

Wie notwendig dies ist, zeigt die Tatsache, dass von der Kreuzkröte in Stadt und Landkreis Regenburg nur noch diese letzte Population erhalten geblieben ist. Auch Erdkröte, Grasfrosch, Berg- und Teichmolch profitieren von der Neuanlage von Gewässern.

Die Bejagung wird auf die Arten beschränkt, bei denen sie absolut notwendig ist. Beim Rehwild muss der gesetzlich vorgeschriebene Abschuss erfüllt werden, damit die natürliche Waldverjüngung mit Laubholz gelingen kann. Auch Schwarzwild muss bejagt werden, da dies sonst hohe Schäden in den umliegenden Feldern anrichtet. Ansonsten erfolgt aber keine Bejagung des Niederwilds wie Hase und Fasan. Die Bejagung soll zeitlich sehr konzentriert erfolgen (sog. Intervalljagd), um die „Scheu der Tiere“ zu reduzieren und auch wieder, wie bei anderen Naturerbeflächen, tagaktives Verhalten zu ermöglichen.

Um all dieses komprimiert darzustellen, befindet sich ein „Naturerbe Entwicklungsplan“ in Arbeit. Er soll für die nächsten gut zehn Jahre Aussagen zur naturnahen Entwicklung, zu Naherholung und zu weiteren Nutzungen enthalten. So sind im Gebiet derzeit die Segelflieger und Bogenschützen aktiv; weitere Nutzungen wie z.B. der Pistolenschießplatz wurden aber aufgegeben.

Wünsche angemeldet

Am Schluss der Exkursion wurden durch die Teilnehmer noch einige „Wünsche“ angemeldet: Unangeleinte Hunde, die unbeaufsichtigt in sensiblen Bereichen Hasen, Fasane und seltene Bodenbewohner aufscheuchen, werden nicht selten beobachtet und sind ein Problem; genauso wie einzelne „Wilde“, die meinen mit PS-Stärken durch das Gebiet rasen zu müssen. Wunschvorstellung des Bund Naturschutzes ist, dass der in das Gebiet hineinragende Staatsforst möglichst extensiv bewirtschaftet werden sollte. Ziel könnte hier vielleicht auch ein Naturwald sein