Gewerbe
Ortsmitte verliert ein Stück Tradition

Nach 116 Jahren schließt die Bäckerei Karl Lang in Obertraubling. Am Samstag verabschiedet sich die Familie von den Kunden.

29.12.2016 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr
Karl und Marion Lang holen am Samstag das letzte Brot und die letzten Brezen aus dem Backofen. −Foto: Fotos: Matok

Seit Wochen ist bekannt, dass die Traditionsbäckerei Karl Lang, inmitten der Ortschaft gegenüber der Gemeindeverwaltung gelegen, zum 31. Dezember für immer ihre Geschäftstüre schließt. Damit geht Obertraubling wieder ein Stück Identität verloren und dem Ortskern ein weiteres Traditionsgeschäft. Laut Eigentümer Karl Lang endet eine 116 Jahre alte Ära. Wie er sich gegenüber unserer Zeitung äußerte, habe er sich zur Schließung entschlossen, nachdem die Mutter als Seele der Familie heuer verstarb. Eine Weiterführung durch Familienangehörige ist nicht vorgesehen.

Familienbetrieb über 100 Jahre

Kaum ein alteingesessener Bürger von Obertraubling kann sich das Ortsbild zur letzten Jahrhundertwende vorstellen. Anstelle der heutigen Metzgerei Kumpfmüller lag ein landwirtschaftliches Anwesen. Gegründet wurde in dessen Wohnhaus im Jahre 1900 eine Bäckerei von Franz Xaver Lang, dem Ur-Urgroßvater des jetzigen Eigentümers. Franz Xaver Lang stammte aus Oberhinkofen, war erfolgreicher Händler und Inhaber der heutigen Gastwirtschaft Stocker. 1919 übernahm dessen Sohn Karl die Bäckerei. Dieser verkaufte das Haus an den Metzger Konrad Neumüller. Karl Lang baute sich nebenan eine neue Bäckerei auf, wo sie heute noch an der Ecke Pindorfer Straße/Landshuter Straße steht. Nach seinem Tod führte die Witwe Mathilde Lang den Betrieb von 1939 bis 1945 mit Unterstützung von Kriegsgefangenen weiter und übergab das Geschäft 1951 an ihrem einzigen Sohn Karl.

Der Erbe heiratete am 25. September 1951 die Tochter Edith des Bauunternehmers Georg Bauer aus Niedertraubling und zog mit ihr eine Tochter und zwei Söhne groß. Mit der wachsenden Bevölkerungszahl Obertraublings stieg auch der Umsatz und machte in der Folgezeit eine Vergrößerung des Ladens und des Wohnhaues notwendig. 1983 erfolgte die Betriebsübergabe der Eltern an Sohn Karl den III., der sich 1983 mit Marion Rieger aus Regensburg verehelichte. Am 10. Oktober 2003 verstarb der unvergessene Vater Karl Lang und der Sohn war seither auf sich alleine gestellt.

„Das Geschäft wurde zu meinem Lebensinhalt.“Karl Lang

Für den Lang „Zap“, wie er liebevoll von seinen Schul- und Sportfreunden genannt wird, kam schon aus Familientradition kein anderer Beruf infrage. Trotz mittlerer Reife und Aussicht auf eine Berufsausbildung bei der Telekom stieg er aus Liebe zum Vater in den Betrieb ein. „Das Geschäft wurde zu meinem Lebensinhalt“, gestand er.

Goldener Meisterbrief an der Wand

In der wenigen Freizeit war Sport sein Hobby. Nach einer zweieinhalbjährigen Bäckerlehre im väterlichen Betrieb und einer Fachausbildung als Konditor beim Bäcker Zink in Pfakofen machte Lang 1979 den Meister im Bäckerhandwerk. Davon zeugt heute der Goldene Meisterbrief im Laden, den ihm 2016 die Handwerkskammer verlieh.

Über 43 Jahre stand er schon ab drei Uhr in der Früh, am Freitag sogar schon ab 22 Uhr bis etwa 7.30 Uhr in die Backstube. Bis zu 80 Stunden Wochenarbeitszeit brachte der 61-Jährige zusammen. Seine Spezialität sind die Langsemmeln, Brezen, Kipferln, Milchbrötchen und die Konditorwaren. Gerne kamen Kunden auch außerhalb der Geschäftszeit zu ihrem „Zap“ und holten sich Backwaren zum Feiern ab. An vielen Wochenenden wurden früher für Feiern im großen Backofen ganze Spanferkel mit knuspriger Kruste zubereitet, manchmal zwei bis drei Stück. „Davon könnte ich unzählige Geschichten erzählen“, schmunzelte Karl Lang. Für Neues zeigte sich der Meister ständig offen, so sind vor allem in der Vorweihnachtszeit die handgemachten schmackhaften Lebkuchen, Stollen und Plätzchen sehr gefragt.

1989 richtete die Familie Lang neben der Bäckerei ein kleines Café ein, welches sich zu einem Kleinod für Männer und Frauen zu Stammtischtreffen entwickelte. Mit dazu bei trug die Seniorchefin und Mutter Edith Lang, die tatkräftig im Betrieb mitarbeitete und es als wahres Geschichtsbuch von Nieder- und Obertraubling verstand, die Gäste zu unterhalten. Nach einem erfüllten Leben verstarb sie am 26. Juni im 93. Lebensjahr.

„Heute zählt nur mehr Masse statt Klasse.“Karl Lang

Wehmut klingt an, wenn Karl Lang vom „Aus“ in der vierten Generation spricht. „Heute zählt nur mehr Masse statt Klasse.“ Das traditionelle Bäcker- und Konditorhandwerk werde einerseits durch immer mehr Vorschriften und andererseits von Backfabriken kaputtgemacht. Sein Geschäft mit den vielen treuen und qualitätsbewussten Stammkunden sei aber immer gut gegangen. Zu den Stammkunden gehörte auch Obertraublings Bürgermeister Rudi Graß, der die Schließung „mehr als traurig“ findet. Er selbst kenne die Bäckerei seit seiner Kindheit und das Geschäft gehöre einfach zum Ort.

Wenn am Samstag, 31. Dezember, von 7 bis 12 Uhr die letzten Backwaren und Brötchen von Karl und Marion Lang über den Tresen gehen, dann bedankt sich das Ehepaar bei allen Stammkunden ganz herzlich für die jahrzehntelange Treue.