Krieg in der Ukraine
Der Hilfslaster aus Pielenhofen rollte

In einer 30-Stunden-Fahrt brachten zwei Freiwillige Hilfsgüter an die Grenze. Zuvor hatte die Dorfgemeinschaft gesammelt.

11.03.2022 | Stand 15.09.2023, 6:48 Uhr
Kurz vor der Abreise: die Fahrer Theo Hartmann (l.) und Roland Rieger (r.) mit Bürgermeister Gruber und Dorfladen-Inhaber Florian Gebhardt. −Foto: Andreas Ernst

„Man würde am liebsten dortbleiben und weitermachen“, sagt Roland Rieger. Der Pielenhofener fuhr am vergangenen Wochenende mit einem Lastwagen voll Hilfsgütern auf Initiative der Dorfgemeinschaft bis an die Grenze zur Ukraine. Hilflosigkeit sei das erste Gefühl, was jeden überkommt, wenn man die dortigen Bilder sehe und die Berichte höre.

Am Sonntagabend vor einer Woche starteten Roland Rieger aus Pielenhofen und Florian Gebhardt vom Klosterstadel eine Sammelaktion mit Hilfsgütern. Nach und nach geriet diese zum Selbstläufer, bis die ganze Dorfgemeinschaft im Boot saß. Bereits am Montagnachmittag waren alle Vorstände der Vereine zusammengetrommelt worden, Andreas Ernst vom Schützenverein koordinierte. Rieger erstellte und konzipierte einen Flyer und Plakate für die Aktion, die Werbemanufaktur Regensburg bekam um 15 Uhr bereits die Druckfreigabe. Am selben Abend verteilten zwei Vereinsmitglieder bis ein Uhr die Flyer und Plakate in alle Briefkästen. „Innerhalb eines Tages ist aus einer Idee ein Flyer entstanden, alle Vereine der Dorfgemeinschaft haben mitgeholfen, der Dorfladen war die Anlaufstelle“, erzählt Andreas Ernst stolz.

Ab Dienstag wurden die Waren im Klosterladen angenommen. Bereits am Abend waren die ersten drei Autoanhänger mit Spenden voll. Im Schützenheim nahm ab Mittwoch der Frauenbund tagsüber die Spenden in Empfang und begann mit der Sortierung. „Abends füllten die Spenden bereits ein Drittel unserer Stellflächen im Schützenheim“, sagt Ernst.

Ein Lastwagen muss her

Zugleich teilte die Pfarrei in Wackersdorf mit, dass die zugesagte Transportkapazität leider nicht reiche, man könne nur Teile ihrer Spenden mitnehmen. Ernst: „Daraus entstand dann die Idee, selbst an die Grenze zu fahren. Ein Vereinsmitglied baute den Kontakt direkt in die Ukraine auf, eine Pfarrei dort in der Stadt Horodok meldete Bedarf an und teilte mit, dass vor allem Hygieneartikel und Lebensmittel benötigt werden. Roland Rieger (37) erklärte sich bereit, zu fahren. Nun mussten schnell 200 Kartons besorgt werden, gespendet von der Spedition Scheibinger und Prokopidis. Die Firmen Jura Automobile und Autoteile Schirmbeck organisierten einen Lkw. Bis abends 19 Uhr wurden die Spenden gesammelt, sortiert, verpackt und zweisprachig beschriftet.

Am Donnerstagnachmittag erreichte das Team die Hiobsbotschaft, dass der zweite Fahrer aufgrund gesundheitlicher Probleme ausfällt. Doch bereits nach einer Stunde meldete sich Theo Hartmann (50): „Ich kann Autofahren.“ Ab Freitag 13 Uhr wurden die Güter von der FFW in den Lkw geladen, der Dorfladen und die Metzgerei Kempka stellten die Verpflegung für die Fahrer bereit. „Unbürokratisch, schön und gemeinsam organisiert“, lautet das Resümee von Andreas Ernst.

Abfahrt war dann am Freitag um 16 Uhr. „Sind schon fast in Prag, es schneit und es wird kälter“, meldete Rieger um 19.28 Uhr. „Wir stellen fest, dass viele Menschen dieselbe Idee gehabt haben. Wir machten an der Mautstation Bekanntschaft mit Helfern aus Stuttgart, die das gleiche Ziel ansteuerten.“

Regelmäßig sendeten die beiden Fahrer Nachrichten an das Team zuhause: „Wir werden den Zielort Przemysl an der ukrainischen Grenze vermutlich um 3 Uhr morgens erreichen.“ Ab 22.30 Uhr leerten sich die Straßen langsam, die Schneeschauer hörten auf. „Wir befinden uns mittlerweile bei Brünn und werden noch knapp fünf Stunden unterwegs sein“, teilten die Fahrer mit. „Der von Michael Achhammer gestellte Transporter schnurrt wie ein Katzerl. Die Brotzeiten halten uns bei Laune.“

Um 0.10 Uhr erreichte der Lkw die polnische Grenze. Um 5 Uhr morgens kamen die beiden Fahrer aus Pielenhofen nach einer „turbulenten Fahrt inklusive Schneefall“ müde an. Zunächst mussten sie noch auf die ukrainische Kontaktperson für die Übergabe warten. Die ersten Eindrücke waren drastisch: „Ringsherum ist ein Elend. Einkaufshäuser sind bis an den Rand mit Flüchtlingen gefüllt. Busse mit Flüchtigen treffen im Fünf-Minuten-Takt ein. Man zündet Lagerfeuer am Parkplatz an, um sich zu wärmen.“ Die beiden trafen einen unbegleiteten 16-jährigen Jugendlichen aus Kiew. Er erzählte ihnen, dass er auf dem Weg nach Amerika sei. Zuvor saß er sechs Tage im Keller in Kiew.

Bewegende Momente

Nach dem Ausladen der Pakete in einem Lager traten die beiden um 9 Uhr am Samstag den Rückweg in die Oberpfalz an. „Helfer finden sich sogar aus Italien, Frankreich, Lichtenstein und Schweden ein. Unglaublich, was hier vor Ort geleistet wird.“ Unterwegs gab es immer wieder bewegende Momente. „Wir wollten bei zwei Kindern während einer Pause unseren üppigen Schokoriegelvorrat verteilen. Die Mutter winkte uns aufgeregt zu ihrem Van. Sie hatte fünf Babys, zwei Kleinkinder sowie einen Hund dabei. Sie verständigt sich mit Hilfe ihrer Hände und teilt uns so mit, dass sie aus Kiew kommt. Wir statteten sie noch mit Lebensmitteln aus für die Reise nach Baden-Baden, wo sie Bekannte hat.“

Am Samstag um 22.30 Uhr kamen die erschöpften Fahrer nach 30 Stunden und 2200 Kilometern in der Heimat an und wurden von ihren Kumpeln in Empfang genommen. „Es ist so reibungslos abgelaufen“, freut sich Ernst. Und: „Ohne die Dorfgemeinschaft hätte die Aktion nicht funktioniert.“