Faszination
In diesem Bayern steckt ein Krieger

Zwischen Lederhosen und Hornbogen: Bei einer Reise in die Mongolei hat der Rohrdorfer Hüne sein Alter Ego gefunden.

08.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:19 Uhr
Marion Lanzl

Uwes original Mongolenbogen ist aus Steinbockhorn, Steinbockrückensehnen und Birkenholz gefertigt. Allein der Bau und die Trockenzeit dauern wegen des Fischblasenleims des Störs über ein Jahr. Fotos: Zimmermann

Uwe Zimmermann ist ein waschechter Bayer, in Lederhose mit Waldlerhut, wie aus dem Bilderbuch. Seit seiner Reise in die Mongolei hat er jedoch sein Alter Ego gefunden: In diesem bajuwarischen Hünen steckt auch ein echter Krieger. Das können Besucher bei ihm in Rohrdorf Am Schlagacker hautnah erleben.

Langsam spannt sich der Bogen zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Stand ist fest und geerdet und doch locker. Man spürt die Konzentration, dann lässt Uwe den Pfeil los, lässt das Holz über 30 Meter durch den Garten zischen und trifft die Strohscheibe in der goldenen Mitte. Uwe hat beim Bogenschießen seine Mitte gefunden und bei seinem sportlichen Einsatz 2016 bei den Nomad Games in Kirgistan ein Land, das wie für ihn gemacht schien. Weit und karg und wunderschön. Die Menschen herzlich und aufgeschlossen für die Fremden aus dem Westen. Freundschaften sind damals hier entstanden. Die gemeinsame Leidenschaft zum traditionellen Bogenschießen verband Gastgeber und Besucher, in diesem Bayer steckt auch ein Mongole.

Verlorene Identität wiederfinden

Das Wissen um die Fertigung der traditionellen Reiterbogen ging diesem Volk in den kommunistischen Zeiten zwar komplett verloren, mittlerweile finden sich aber wieder Meister, die das Handwerk beherrschen. Aus Rundhölzern, Horn und Sehnen, Fischleim, Birkenpech und Birkenrinden werden die legendären, starken Bogen und Pfeile der Reitervölker in kleinen Werkstätten per Handarbeit mit primitivsten Mitteln gebaut. In Uwes ledernen Köchern stecken Pfeile aus Sitka Fichte, aus den Wäldern Alaskas, mit Vorschäften aus Zwetschgen-, Nussbaum- oder Padoukholz. Schwäne, Truthähne und Graugänse haben Federn gelassen, die nun auf den Pfeilen durch die Lüfte weiter fliegen.

Man sieht auch als Laie die hohe Wertigkeit der Handarbeit, die Liebe und Leidenschaft, die Uwe in seine Bögen fließen lässt. Seine Bogenbaukurse sind gut besucht, immer mehr Männer entdecken beim Anlegen des Bogens die kontemplative Ruhe und den besonderen Moment, der absoluten Konzentration, als Ausgleich zum hektischen Alltag. „Nichts klärt einen unruhigen Geist wie das Schießen eines Pfeils“, heißt es unter den Bogenschützen nicht von ungefähr.

Kirgistan und die Mongolei ist etwas für echte Männer und starke Frauen. In dieser unendlichen Weite lebt fast die Hälfte der Bevölkerung noch immer als Nomaden. Die „Menschen auf der Wanderung“, von der Sommer- zur Winterweide, führen ein karges Leben ohne den Komfort des 21. Jahrhunderts. Durch trockene Wüsten und steile Gebirge zieht sich der Lebensraum der Nomaden. Seit 400 Jahren haben sie eine undankbare stumme Rolle gespielt. Unterdrückt von den großen Nachbarn China und Russland. Einst beherrschte diese „goldene Horde“ aber die Hälfte der damals bekannten Welt.

Durch ihr Zuhause peitschte immer schon der Wind, ihre einzige Grenze war der Himmel. Heute ist das Volk der Mongolen eine folkloristische Minderheit, die teils gezwungen wurde, sesshaft zu werden. Dennoch beeindruckt dieser hartgesottene Volksstamm durch seine Lebensweise und Geschichte. Die Faszination des Abenteuers liegt über diesem Bild, auch wenn der Alltag weit weniger romantisch sein dürfte, weit ab von fließendem Wasser und Elektrizität.

Geschützt nur von Filz und Planen

Ein hartes Leben, eins mit ihren Tieren und der Natur, trotzen sie noch heute den bitterkalten Hochgebirgswintern, geschützt nur von Filz und Planen in ihren Jurten. Von den alten Bräuchen, dem Wissen der Vorfahren, ist nicht viel übrig geblieben in den Mühlen der sowjetischen Diktatur.

In seinem Garten, im beschaulichen Pielenhofen, steht Uwe, nicht nur vom Namen, sondern auch von Beruf Zimmermann, in vollem mongolischem Krieger-Ornat. Die Rüstungen aus Leder, wie sie schon die Krieger des gefürchteten Dschingis Khan getragen haben – er wäre sicher stolz gewesen, auf diesen stattlichen Recken. Knapp zwei Meter misst der leidenschaftliche Kanu- und Bogenbauer, da waren wohl ein paar Sonderschichten im kalten mongolischen Winter nötig, ehe sein Freund Saruul die Lederrüstung fertigstellen konnte. Handgefertigt bis zur kleinsten Messingschnalle, jedes Lederpat einzeln ausgestanzt und mit Hunderten zu einem undurchdringlichem Panzer verwoben, gleich einem Schuppentier. So schützte diese Montur einst vor den gefürchteten Pfeilen der berittenen Truppen, in den Zeiten der Khans.

Über ein Jahr lang gewartet

Stolz präsentiert nun der Bayer seine Maßanfertigung. Sie hat ihn drei wertvolle Reiterbögen und viel Geduld gekostet. Über ein Jahr musste Zimmermann auf das Prachtstück warten. „Jetzt ist sie endlich da! Nur die Mongolen Reiterstiefel fehlen noch, Saruul, der Kunsthandwerker hat sich den Arm gebrochen und ich werde wohl wieder etwas Geduld brauchen. Eile ist etwas, das die Mongolen nicht kennen!“, lacht der bärtige Mann.

Wie sollten sie auch, wird ihnen doch das Leben nicht von einer digitalen Anzeige der Sekunden diktiert, sondern vom Sonnenauf- und Sonnenuntergang, vom Lauf der Jahreszeiten.