Aktion 13 248 Kreidemännchen setzen ein Signal
Mit einem 22 Kilometer langen Kunstwerk in der Regensburger Altstadt erinnert Sea-Eye an die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer.

Regensburg.In der ganzen Regensburger Altstadt treffen Passanten seit Samstagmittag auf weiße Kreidemännchen, die auf die Straßen gemalt sind. Alle sehen fast exakt gleich aus. Hintergrund ist eine Aktion der Rettungsorganisation Sea-Eye, die auf dem Mittelmeer Flüchtlinge vor dem Ertrinken rettet und sich darum kümmert, dass die Menschen nach Europa kommen.
Viele Fußgänger bleiben neugierig stehen, als sie auf die weißen Figuren stoßen, die dicht an dicht auf die Erde gezeichnet sind. Michael Buschheuer, Regensburger und Gründer von Sea-Eye, erklärt die Aktion: 13 248 lebensgroße Kreide-Silhouetten auf den Straßen der Altstadt sollen am Ende eine 22 Kilometer lange „Menschenkette“ bilden. Sie symbolisiert die Zahl der Menschen, die in den vergangenen zwei Jahren von Sea-Eye vor dem Ertrinken gerettet wurden.
Gleichzeitig erinnern rund 8000 rote Markierungen, die ebenfalls auf die Straßen gezeichnet werden, an die Menschen, die im gleichen Zeitraum im Mittelmeer ertrunken sind, weil für sie jede Hilfe zu spät gekommen ist. „Wir wollen damit wachrütteln und zeigen, dass das Sterben im Mittelmeer real ist. Es findet hier und heute statt, auch wenn wir es nicht sehen“, sagt Buschheuer. Zugleich zeige die Zahl von 13 248 geretteten Flüchtlingen, wie viel eine NGO mit zwar unprofessionellen, dafür aber sehr engagierten Helfern leisten könne.
Hier finden Sie die Strecke der „Menschenkette“:
Einer dieser Helfer ist Julian Bayer. Der 27-jährige Regensburger ist ab 8. März mit dem zweiten Schiff von Sea-Eye, der Seewolf, auf Rettungsmission auf dem Mittelmeer. „Ich will einfach Menschen helfen, die in Not sind und damit Nächstenliebe zeigen“, sagt er im Gespräch mit unserem Medienhaus. „Die Flüchtlinge auf den Booten sind Menschen in einer Notsituation, für die sie nichts können.“ Aus Bayers Sicht sollte es da normal sein, zu helfen. „In der politischen Debatte geht das aber leider zu oft unter.“

Der Maschinenbaustudent wird zum ersten Mal bei einer der Rettungsmissionen von Sea-Eye dabei sein. Seit einem Jahr habe er sich schon überlegt, mitzuhelfen. „Jetzt war ich schon fünf Wochen auf der Winterwerft in Malta und habe da die Elektrotechnik geleitet“, erzählt er. Sein Fachwissen aus dem Studium könne er in diesem Bereich gut einbringen.
Während der Mission wird er daher auch als zweiter Maschinist an Bord Verantwortung übernehmen. „Ich weiß durch die Arbeit auf der Werft genau, wo welche Sicherung sitzt und kann eingreifen, falls was ausfällt.“ Seine Crewkollegen konnte er am Samstag bei einer Schulung von Sea-Eye im Kolpinghaus in Regensburg kennenlernen. „Da konnten wir uns gegenseitig schon ein bisschen beschnuppern und absprechen, wer welche Aufgaben übernimmt: Wer ist Kapitän, wer Maschinist und wer Sanitäter?“, erklärt Bayer.
Helfen aus Nächstenliebe

Zunächst wird der 27-Jährige, der in Weiden aufgewachsen ist, auf eine Mission mitfahren, die 14 Tage dauert. „Danach muss ich auf jeden Fall kurz nach Hause fliegen, um ein paar wichtige Dinge zu erledigen.“ Bayer will sein Studium in München beenden und muss sich dort an der Hochschule einschreiben. Danach könnte es aber sein, dass er die Semesterferien nutzt, um bei einer zweiten Mission vor die libysche Küste mitzufahren und Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten.

Dass Kritiker auch ihm vorwerfen könnten, mit seiner Hilfe Schleusern in die Hände zu spielen, kann Bayer „zwar irgendwo schon verstehen“. Aber: „Man muss den Fakt sehen, dass diese Menschen vielleicht schon jahrelang auf der Flucht sind. Das sind Menschen, die haben gar keine andere Möglichkeit, als diesen Schritt zu gehen und sich auf eine waghalsige Bootsfahrt einzulassen.“ Die Flüchtlinge würden sich auf die NGOs verlassen, glaubt Bayer: „Wer würde sie denn sonst rausziehen?“
Sobald es an Bord geht, ist dem Studenten gute Stimmung in der Crew ein Anliegen. „Auch wenn es mal nicht so läuft. Denn wenn wir auf ein Boot mit Flüchtlingen stoßen, brauchen wir einen guten Draht zu den Leuten, um die Situation zu beruhigen.“ Man müsse dann klarmachen: „Wir sind eure Freunde, wir bringen euch auf sicheren europäischen Boden.“

Seine innere Motivation, aus Nächstenliebe zu helfen, merkt man Bayer im Gespräch an. Auf See will er dafür auch an seine persönliche Belastungsgrenze gehen – und glaubt, das auch zu müssen: „Ein anderes Crewmitglied hat erzählt, dass es einmal drei Tage am Stück ohne Schlaf durchgearbeitet hat.“ Um Leben zu retten, will auch Bayer so hart arbeiten.
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