Familienstreit eskalierte
Blutfehde: Mordanklage nach Verhaftung in Regensburg

28.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:13 Uhr
Nach seiner Verhaftung nahe dem Regensburger Hauptbahnhof wurde der mutmaßliche Mörder am 19. Oktober dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Nun muss er sich mit seinem Vater und einem Bruder in Berlin vor Gericht verantworten. −Foto: Baumgarten

Im Oktober haben Zielfahnder in Regensburg einen mutmaßlichen Mörder gefasst. Jetzt wird er angeklagt – gemeinsam mit seinem Vater und einem jüngeren Bruder. Die Bluttat spielte vor einer Shisha-Bar in der Hauptstadt.



Berliner Medien nannten es ein kaltblütiges Tötungsdelikt auf offener Straße. Dabei starb am 2. Oktober im Stadtteil Wedding ein 42-Jähriger. Die Tat soll von Überwachungskamera gefilmt worden sein. Auf den Videos ist laut Medienberichten zu sehen, wie ein Mann vor einer Shisha-Bar von hinten an sein Opfer herantritt und ihm eiskalt in den Kopf schießt. Als der Mann zu Boden geht, drückt der Täter ein weiteres Mal ab und flüchtet danach.

Fehde soll sich 2004 an einen Sitzplatz im Kino entzündet haben

Der Schütze von diesen Filmaufnahmen soll der 34-Jährige gewesen sein, der zwei Wochen später in Regensburg verhaftet wurde. Zielfahnder hatten ihn vor neun Monaten in der Domstadt ausfindig gemacht – Spezialkräfte griffen am 18. Oktober nahe des Hauptbahnhofs zu; darunter auch Beamte aus Berlin.Wie sich im Zuge weiterer Recherchen unserer Zeitung herausstellte, hatte die Bluttat eine Vorgeschichte: Das Opfer und der mutmaßliche Täter kannten sich.

Der Streit zwischen den beiden Berliner Familien, denen sie angehörten, schwelte wohl seit Jahren und endete Anfang Oktober bereits zum zweiten Mal tödlich. Rund 17 Jahre lagen die Familien offenbar im Clinch – die blutige Fehde soll sich nämlich 2004 an einen Sitzplatz im Kino entzündet haben. Danach seien die Fronten verhärtet gewesen, heißt es. Eskaliert sein soll alles dann im Oktober 2018 bei einer Hochzeitsfeier.

Offenbar seelenruhig vor Shisha-Bar erschossen

Der 34-Jährige und fünf Familienmitglieder sollen damals mit Hammer und Beil auf einen 39-Jährigen (den Mann, der später erschossen wurde) losgegangen sein und ihn schwer verletzt haben. Bei dem Angriff fiel wohl ein Schuss – die Kugel aus der Waffe vom Bruder des 34-Jährigen traf jedoch eine eigene Verwandte. Die Schwester der beiden starb. Doch die Schuld gaben die Angreifer offenbar dem 39-Jährigen. Ein Stammesgericht entschied deshalb, er müsse Berlin verlassen.

Doch 2021 kehrte der nun 42-Jährige dann wohl zurück und traf am 2. Oktober vor einer Shisha-Bar in der Schulstraße auf den 34-Jährigen. Was die Überwachungskameras laut Medienberichten auch zeigen: Der Schütze ging offenbar seelenruhig zu seinem Auto, holte daraus die Waffe, kam von hinten auf sein Opfer zu und schoss zweimal. Die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft in Berlin offenbart nun aber auch einen ganz neuen Aspekt.

Drei Männer angeklagt

Die Ankläger gehen nämlich von gemeinschaftlichem Mord aus: Neben dem 34-Jährigen ist sein fünf Jahre jüngerer Bruder und ihr Vater (52) angeklagt. Sie sollen das Opfer am 2. Oktober heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet haben. Das teilte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Laut Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner sei nicht nur 29-jährige Bruder, sondern auch sein Vater zur Tatzeit im offenen Vollzuggewesen. Sie kehrten im Anschluss in die JVA zurück. Der 34-Jährige wurde später in Regensburg verhaftet.

Das Landgericht Berlin hatte auch den 52-Jährigen und den jüngeren Sohn wegen des Angriffs von 2018 für schuldig befunden. Alle drei wurden zu drei Jahren bzw. drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Während des Freigangs bzw. eines Hafturlaubs sollen sie ihr drei Jahre zuvor schwer verletzten Opfer nun gemeinschaftlich ermordet haben. Davon sind die Ermittler überzeugt. Sollten die Richter dem folgen, droht allen drei Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe.

− ba/dpa