Prozesse Brutale Schläge nach der Disco
Ein 20-jähriger Regensburger geht für Pöbeleien seines Bruders in den Knast. Er hatte auf einen Bewusstlosen eingetreten.

Regensburg.Stretch-Limousine, Strip-Club, Disco. Das Junggesellenleben sollte mit einem Knaller ausklingen. Beinahe hätte es für den Bräutigam mit dem Tod geendet.
Komplexe Mittelgesichtsfraktur, mehrere Brüche des linken Jochbeins, der linken Augenhöhlenwand, der linken Kieferhöhle, Bewegungseinschränkungen am linken Auge, Taubheitsgefühl der linken Gesichtshälfte, Doppel-Bilder, Schürfwunden und Schmerzen – jede Menge Schmerzen. Die ärztliche Diagnose, die die Anklageschrift aufführte, sprach Bände.
Dabei wollte Eugen S. (25) aus Neustadt/Donau am 8. Juli vergangenen Jahres in der Regensburger Discothek Mylo zusammen mit Freunden eigentlich nur seine bevorstehende Hochzeit feiern. Vier Tage lang wurde er intensiv im Uniklinikum Regensburg behandelt. Gestern standen seine Peiniger, die beiden Brüder Liam A. (20) und Elias A. (17) aus Regensburg, vor Gericht.
T-Shirt hatte die falsche Farbe
Von ihren Verteidigern, den Regensburger Rechtsanwälten Michael Haizmann und Johannes Büttner, gut beraten, machten sie reinen Tisch, redeten sie nicht lange um den heißen Brei herum, gestanden sie umfassend. Zu klar war aber auch die Sachlage, zu eindeutig die Zeugenaussagen schon im Vorfeld des Prozesses. Dennoch sah das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Regensburg unter Vorsitz von Richterin Cornelia Braun die Rollen der jungen Angeklagten differenziert. Während es Elias A. freisprach, schickte es seinen älteren Bruder Liam A. wegen gefährlicher Körperverletzung für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis – obwohl eigentlich der 17-Jährige die Auseinandersetzung mit Eugen S. angezettelt hatte.
Die beiden Brüder hatten an jenem Sonntag gegen 5.30 Uhr morgens gerade die Diskothek Mylo im Stadtosten verlassen, als sie nach ein paar Metern auf den Hochzeiter stießen, der mit seinen Freunden auf dem Boden saß und auf ein Taxi wartete. Der Anführer der Junggesellenrunde gefiel Elias A. gar nicht, dessen lilafarbenes T-Shirt noch weniger. Er pöbelte, er provozierte, begab sich verbal auf allerniedrigstes Niveau – ohne Erfolg. Eugen S. blieb stoisch ruhig, wie mehrere Zeugen übereinstimmend aussagten. Erst als der 17-Jährige dessen Kopf packte und gegen seine Lenden drückte, war es mit seiner Gelassenheit vorbei. Eugen S. riss den Provokateur zu Boden, stürzte sich auf ihn, Fäuste flogen.

Das weckte den Beschützerinstinkt des älteren Bruders, der sich in einiger Entfernung befand. Liam A. eilte zu den Streithähnen, knöpfte sich Eugen S. vor, knockte ihn mit einem einzigen Faustschlag aus – und trat ihm, der bereits bewusstlos zusammengesunken war, auch noch mit voller Wucht ins Gesicht. Zeugen sprachen davon, dass es gewesen sei, als habe Liam A. mit dem Kopf des Neustädters Fußball spielen wollen. Eugen S. kam mit dem Rettungsdienst umgehend ins Uniklinikum, wurde mehrfach operiert und sieht noch heute sogenannte Doppel-Bilder, wenn er nach links schaut. Am 14. Juli, nur sechs Tage nach der Prügelei, heiratete Eugen S. trotzdem seine Alina (23) und erinnerte sich im Zeugenstand an die lustigen bunten Bilder von der Hochzeit, zu denen auch sein von Blutergüssen übersätes Gesicht beigetragen hatte.
Vor Gericht gaben die Brüder gestern – wohl auch bedingt durch den Eindruck der Untersuchungshaft – ein gänzlich anderes Bild ab. In Anwesenheit ihrer Mutter und ihrer Großmutter im Zuhörerraum erhoben sie sich von der Anklagebank, als Eugen S. seine Aussage beendet hatte und entschuldigten sich bei ihm – zunächst verbal und dann auch per Handschlag. Schon im Vorfeld hatte Liam A. seinem Opfer aus dem Gefängnis heraus ein fünfstelliges Schmerzensgeld als Wiedergutmachung zukommen lassen und es in einem Brief um Verzeihung gebeten.
Besonders schwere Schuld
Das trug unter anderem dazu bei, dass das Urteil des Schöffengerichts gegen Liam A. mit zweieinhalb Jahren Jugendstrafe vergleichsweise milde ausfiel, wie Richterin Braun in ihrer Urteilsbegründung hervorhob. Dennoch habe das Gericht die Schwere der Schuld nicht verkannt. Es sei reiner Zufall, dass die Schlägerei keine tödlichen Folgen gehabt habe, sagte sie. Elias A. sei nach den Worten Brauns hingegen freizusprechen gewesen, da seine Rolle nicht mit hinreichender Sicherheit habe geklärt werden können.
Staatsanwältin Andrea Costa hatte vorher auf drei Jahre Jugendstrafe für Liam A. und zwei Jahre mit Bewährung für Elias A. plädiert. Rechtsanwalt Michael Haizmann hatte für Liam A. indes „maximal zwei Jahre mit Bewährung“ als angemessen angesehen und Johannes Büttner für Elias A. Freispruch gefordert.
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