Themenwoche
Das kommt auf Eltern und Grundschüler zu

Welche Herausforderungen warten in der Grundschule künftig auf Kinder und ihre Eltern? Wir haben sechs Experten gefragt.

20.02.2017 | Stand 20.02.2017, 5:34 Uhr

Eine Schülerin schreibt das ABC an eine Tafel. Wir haben Experten zu den künftigen Herausforderungen der Grundschule befragt. Foto: dpa

Das sagt die Konrektorin: Marion Häusler-Lindl

Die Grundschule hatte in jeder Generation mit den Herausforderungen der jeweiligen Zeit zu kämpfen. Doch bis heute besteht ihre Stärke darin, stets für grundlegende Bildung in einem kindgerechten Umfeld zu stehen und ihre Schüler mit fundamentalem Rüstzeug für weiterführende Schulen auszustatten. Viele Lebensbedingungen der Grundschüler haben sich in den letzten Jahren aber einschneidend verändert. Familiäre Umstände erfordern den Besuch der Ganztagsklasse oder -betreuung. Der Umgang mit den neuen Medien, der das Leben der Kinder täglich begleitet, muss sinnvoll erlernt werden. Das multikulturelle Miteinander im Klassenzimmer ist allgegenwärtig. Es erfordert ein hohes Maß an pädagogischer Kompetenz der Lehrkräfte und ein offenes aufeinander Zugehen der Schulfamilie untereinander. Dies sind nur wenige Herausforderungen, mit denen die Schüler, aber auch engagierten Lehrer zu kämpfen haben. Zu all dem kommt der gesellschaftliche Druck, dem sowohl Eltern als auch Kinder ausgesetzt sind, wenn es um die „richtige“ Schulwahl geht. Wie schwer diese Herausforderungen letztendlich sind, im respektvollen Miteinander von Schülern, Eltern und Lehrern wird auch unsere Generation diese Probleme meistern.

Das sagt der Schulamtsdirektor: Heribert Stautner

In keiner anderen Schulart trifft das Kind auf eine derart heterogene Bezugsgruppe wie in der Grundschule: Kinder jedes nur vorstellbaren Entwicklungs-, Interessens-, Begabungsniveaus, aus unterschiedlichen sozialen Schichten, mit unterschiedlichem sozio-kulturellen und sprachlichen Hintergrund treffen aufeinander. Sie müssen unter anderem lernen, soziale und personelle Kompetenzen zu bilden, eigene Bedürfnisse zurückzustellen, respektvoll miteinander umzugehen, gleichzeitig Leistungsmotivation und Lernfreude aufzubauen und mit Leistungsanforderungen umzugehen, sollen jedoch auch persönliche Grenzen erkennen und mögliche Entwicklungsfelder wahrnehmen.

Für die Eltern verändert der Schuleintritt den Familienalltag, fordert einen veränderten Tagesablauf mit festen Strukturen und regelmäßigen Pflichten sowie die Trennung von Bezugspersonen.

Wenn es gelingt, die Grundschule so zu gestalten, dass sich die Kinder wohl fühlen, vertrauensvolle Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschülern aufbauen, gesunde Lern- und Leistungseinstellungen erwerben, dann wird sie zu einem echten Lern-, Erfahrungs- und Lebensraum – dies ist die Herausforderung für Eltern, Kinder und Lehrkräfte.

Das sagen die Elternbeiratsvorsitzenden: Benjamin Lohse

Eine der großen Herausforderungen, die es meiner Meinung nach in Zukunft noch stärker zu meistern gilt, ist die Tatsache, dass immer mehr Kinder immer mehr Zeit in der Schule verbringen. Als ich noch zur Schule ging, war es klar, dass spätestens um 13 Uhr Unterrichtsende war. Dann ging es heim zu Mutter und nach den Hausaufgaben wurde gespielt. Heute arbeiten in vielen Familien beide Eltern. Entsprechend findet all das von mir geschilderte im Schulraum statt. Ich denke, dass sich diese Entwicklung künftig noch verstärken wird. Schule ist daher für immer mehr Kinder Lebensraum. Dem müssen sich die Schulen stellen und sich baulich und konzeptionell anpassen. An vielen Schulen geschieht dies bereits. Die Grundschule an der Bräugasse, die auch mein Sohn besucht, ist dafür ein gutes Beispiel. Es hat sich enorm viel getan in dem alten Schulhaus. Ich denke dabei an die gemütliche Mensa, an die Oase der Stille, die schöne Bücherei mit ihren einladenden Leseecken und die geräumigen Klassenzimmer, die es für die zwei Lehrer pro Ganztagsklasse erlauben, intensiv auf unterschiedliche Schüler einzugehen. Aber auch jenseits von Unterricht und Lernen muss die Schule mehr leisten. Sport, Theater und andere Freizeitangebote müssen sein.

Wie sich Schüler den Unterricht wünschen, erfahren Sie in unserer Bildergalerie:

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Das sagt der Psychologe: Dr. Hermann Scheuerer-Englisch

Kinder sollten die Schule als bewältigbar erleben. Daran müssen Eltern und Lehrkräfte gemeinsam mitarbeiten. Das bedeutet bei jedem Kind etwas anderes: Von intensiver Begleitung in einer Förderschule bis „locker durchkommen“ in der Grundschule ist alles denkbar. Wichtig bleibt, dass die Schule vom Kind nicht mit Angst besetzt ist. Ein genauer Blick darauf, wie das Kind die Schule erlebt, und was das Kind selbst leisten kann, ist wichtig, damit es nicht zu Überforderungen kommt. Da die Eltern die Sicherheitsbasis für das Kind sind, von der es aus die Schule zu meistern versucht, ist es wichtig, ruhig zu bleiben.

Eltern balancieren auf einem schmalen Grat: Was kann das Kind, was nicht. Was ist ihm zuzumuten? Klare Ansagen von Lehrkräften helfen den Elternhier. Kinder brauchen beispielsweise Strukturierung bei den Hausaufgaben, aber machen muss das Kind sie selbst.

Grundschulkinder sind noch sehr personenzentriert, d.h. eine wertschätzende und emotional unterstützende Beziehung der Lehrkräfte zu den Kindern ist sehr wichtig. Aber auch die Gelassenheit bei herausforderndem Verhalten. Dies im Schulalltag erfahrbar zu machen, ist eine Daueraufgabe und erfordert auch Selbstreflexion bei den Lehrkräften.

Bei einer Podiumsdiskussion am Dienstag kommen Experten zu Wort.Mehr dazu erfahren Sie hier.

Das sagt die Referendarin: Susanne Stöttner

Spricht man von Herausforderungen der Grundschule für zukünftige Schüler und Eltern, fällt der Blick zunächst auf den immer höher werdenden Leistungsdruck. Gerade in der vierten Klasse lässt sich der Druck des Übertritts sowohl für Schüler als auch Eltern kaum mehr vermeiden. Dieser Belastung standzuhalten, ist eine der großen Herausforderungen in der Grundschulzeit, welche auch durch gesellschaftliche Einflüsse mitgeprägt wird. Aber auch in niedrigeren Klassen herrscht eine Leistungskultur, der Schüler, Eltern und vor allem das familiäre Zusammenleben gewachsen sein müssen. Des Weiteren lässt sich unter dem Begriff „Heterogenität“ die wohl größte Herausforderung für Schüler und Eltern zusammenfassen. Meine Einsatzschule hat beispielsweise einen Migrationsanteil von 70 Prozent. Unschwer wird deutlich, dass die Verschiedenheit der Kinder in sprachlicher, kultureller und sozialer Hinsicht kaum zu übertreffen ist. Dies fordert jeden einzelnen Schüler im täglichen Schul- und Unterrichtsalltag heraus, aber auch die Eltern sind damit konfrontiert. Aber kann gerade diese Herausforderung nicht auch als Chance für interkulturelles Lernen – sowohl im Kindes- als auch Erwachsenalter – genutzt werden?

Das sagt die Wissenschaftlerin: Prof. Dr. Astrid Rank

Seit ihrer Gründung ist die Grundschule die grundlegende, gemeinsame und kindgemäße Schule. „Grundlegend“ heißt, dass die Schule den Grundstock der Bildung legt. Manches wird sicherlich gleich bleiben: Die Grundschule muss die Kulturtechniken vermitteln, die Schüler müssen grundlegende Kompetenzen aufbauen und Interessen entwickeln können. Hinzu kommen in verstärktem Maße die Anforderungen der Medienwelt. Es wird wohl auch diskutiert werden, ob wir die traditionellen Schulfächer nicht ergänzen sollten mit übergreifenden Bereichen, etwa der Bildung für nachhaltige Entwicklung. „Gemeinsam“ bedeutet für die Grundschule auch jetzt Vielfalt. In Zukunft werden noch mehr verschiedene Kinder zusammenkommen. Es werden Kinder aus anderen Kulturkreisen miteinander lernen sowie Kinder mit verschiedenen Förderschwerpunkten hinzukommen. Und es wird mehr zu jahrgangsgemischten Lerngruppen kommen. Im sozialen Bereich werden Aspekte der Demokratieerziehung und der Wertevermittlung eine große Rolle spielen. Kindgemäß“ ist die Grundschule schon immer. Ich hoffe, dass auch manches, was für Kinder belastend ist, etwa der starke Selektionsdruck im vierten Schuljahr, etwas leichter wird.“

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