Geschichte
Der Hüter seltener Schätze

Stadtarchivar Lorenz Baibl arbeitet in seinem Traumjob: Er ist verantwortlich für das Gedächtnis der Stadt Regensburg.

17.02.2019 | Stand 16.09.2023, 5:44 Uhr
Angelika Lukesch

Lorenz Baibl ist der Bewahrer von Geschichte: In jeder Schachtel sind Menschenschicksale verborgen. Foto: Lukesch

Jeden Tag, wenn Lorenz Baibl (37) auf dem Weg zu seiner Arbeit das Runtingerhaus betritt, die Stufen hinaufsteigt und in seinem Amtszimmer Platz nimmt, ist er glücklich. Als Leiter des Amtes für Archiv- und Denkmalpflege und Abteilungsleiter des Stadtarchivs arbeitet er seit gut zwei Jahren inmitten dessen, was ihn schon sein Leben lang interessiert, inmitten von altehrwürdiger Historie.

„Von Kindesbeinen an hat mich Geschichte fasziniert und bei meiner Arbeit habe ich jetzt mit Geschichte hautnah zu tun“, sagt Baibl. Durch seine Hände gleiten uralte Dokumente, die vom Leben in den vergangenen Jahrhunderten in Regensburg zeugen, menschliche Schicksale erzählen und aus der Ferne den Tumult von vor langer Zeit ausgefochtenen Schlachten wieder hörbar werden lassen.

Uralte Urkunden werden bewahrt

Im Regensburger Stadtarchiv ruhen 9500 laufende Meter Archivgut (Regensburg ist das viertgrößte Kommunalarchiv in Bayern) darunter Urkunden, Amtsbücher, Protokolle, Chroniken, Verwaltungsakten, Karten, Pläne, Plakate, Fotos, Postkarten, Briefe und vieles mehr. Doch nicht allein die Menge an Archivalien macht den Wert des Regensburger Stadtarchivs aus, sondern der Zeitraum, bis zu dem die ältesten Dokumente hineinreichen.

Die älteste Urkunde ist 720 Jahre alt und schon aufgrund des hohen Alters ein wahrhaftiger Schatz. Kein Wunder, dass sich Lorenz Baibl im Stadtarchiv vorkommt, als befände er sich in einer „Schatzkammer“ mit wertvollen Kostbarkeiten,wie der mehrbändigen Dimpfel-Chronik,die aus dem Alltag Regensburgs im 18. Jahrhundert berichtet, den Wappen- und Portraitbüchern der Regensburger Ratsherren aus der Frühen Neuzeit, dem Runtinger-Buch aus dem 14. Jahrhundert, Lutherbriefen, der Theatersammlung Blank (19./20. Jahrhundert), einem Brief Napoleons an Karl Theodor von Dalberg (1809) sowie der ältesten Urkunde aus dem Jahr 1299, in der Bischof Konrad (V.) von Regensburg der Kapelle von St. Lazarus, einer Stiftung des Regensburger Bürgers Konrad Zant, am 24. Februar 1299 das Pfarrrecht bestätigt.

Archivare sind Wissensmanager

„Die Geschichte dieser historisch so bedeutenden Stadt spiegelt sich auch in deren schriftlicher Überlieferung wider. Wir verfügen über einmalige Dokumente zur Stadtgeschichte, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt“, stellt Baibl fest. Das Stadtarchiv sei das Gedächtnis von Regensburg.

„Ich kann Geschichte hautnah erleben!“Lorenz Baibl, Stadtarchivar

Die Vorstellungen, die viele Menschen über den Beruf eines Archivars immer noch hegen, nämlich dass er fernab von der Realität in staubigen Akten stöbert und kaum Tageslicht sieht , sind völlig falsch.

Lorenz Baibls Arbeit ist vielfältig und hat auch viel mit Menschen zu tun. „Die Vorurteile über verstaubte Archive und verschrobene Archivare halten sich immer noch hartnäckig in der Öffentlichkeit, aber werden der realen Welt nicht (mehr) gerecht: Heutzutage muss ein Archivar ein Informations- oder Wissensmanager sein, der sich mit Digitalisierung und elektronischer Langzeitarchivierung, das heißt dem Erhalt digital entstandener Unterlagen auskennt“, sagt Baibl und fügt augenzwinkernd an: „Außerdem wollen wir schon aus Gründen der Bestandserhaltung möglichst wenig Staub in unseren Magazinen!“

Es ist die gesetzliche Pflichtaufgabe einer Kommune, ein eigenes Archiv zu unterhalten. Das bedeutet, dass das Regensburger Stadtarchiv das nicht mehr benötigte und für „archivwürdig“ erachtete Schriftgut der Stadtverwaltung übernehmen, erfassen, auf Dauer („auf Dauer“ bedeutet dabei theoretisch „bis in alle Ewigkeit“) verwahren und erhalten sowie erschließen und nutzbar machen muss. Auch „Neuzugänge“ aus privater Hand, beispielsweise Nachlässe oder Vereinsarchive –– werden bewertet und ins Stadtarchiv übernommen. Baibl befasst sich zudem mit historischer Bildungsarbeit und Archivpädagogik und kümmert sich darum, das Archivgut im Lesesaal oder im Internet zugänglich zu machen.

Was aber macht ein Stadtarchivar den ganzen Tag? „Einen normalen oder typischen Arbeitstag gibt es bei mir eigentlich gar nicht. Es gibt zwar in jeder Woche fixe Termine, wie der Jour fixe mit dem Kulturreferenten oder die Dienstbesprechungen in den beiden Abteilungen Stadtarchiv und Denkmalpflege. Ansonsten bestimmen aktuelle Themen oder laufenden Projekte meinen Terminkalender, je nachdem, was gerade so anfällt. Derzeit ist natürlich der Bau des neuen Archivs und Depots in Burgweinting ein wiederkehrendes und zeitintensives Thema.… Mein Arbeitstag ist also recht vielfältig und das macht für mich auch den Reiz des Ganzen aus“, erklärt Baibl.

Zeit, im Stadtarchiv zu stöbern und neue Schätze zu entdecken, hat der Stadtarchivar nur sehr wenig. Das eigene Forschen, sagt er, sei „zum Freizeitvergnügen“ geworden, da es im Berufsalltag dafür keine Zeit gebe. Natürlich müsse er sich manchmal für Ausstellungen oder Publikationen im Archiv informieren. „Falls ich durch Zufall im Magazin auf interessante Archivalien stoße, trage ich mir diese in eine Liste ein. Man weiß ja nie: vielleicht komme ich in einigen Jahren dazu, das eine oder andere Thema intensiver zu bearbeiten.“

Lorenz Baibl findet es schön, dass im Stadtarchiv die historischen Dokumente in seiner unmittelbaren Nähe sind: „Man sitzt im wahrsten Sinne des Wortes an der Quelle und kann Geschichte hautnah erleben, wenn man zum Beispiel eine mittelalterliche Urkunde in die Hand nimmt.

Schön ist die Arbeit andererseits auch durch die vielfältigen Themen und Aufgaben, die mich im Alltag begleiten. Langweilig wird es mir nie. Ich habe einen echten Traumjob.“

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