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Der Kapitän ging in Wörth vor Anker

Halb Regensburg vermisst den Mann in der Uniform eines Corvetten-Kapitäns. Das Internet ließ ihn schon sterben, er aber lebt.

18.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:13 Uhr
Helmut Wanner

Ein lebendiges Denkmal: Der Kapitän im Donaueinkaufszentrum Foto: Entleutner

Das Internet hat „den Kapitän“ sterben lassen. Wieder einmal. Dieses Mal war es am Mittwoch um die 13. Stunde. Und das kam so: In der Facebook-Gruppe „Du bist ein echter Regensburger…“ hatte nur einer mal so die Frage gestellt, wo er denn bleibe, der Mann mit dem schönen, gütigen Lächeln unter der weißen Kapitänsmütze. Und schon wurden die ersten Nachrufe publiziert: „Jetzt sterben alle Unikate weg“ und „letzte Woche noch haben wir ein Gruppenbild mit ihm gemacht“.

Wo sie auch waren, im Bus, im Café oder in der Arbeit, drückten die Freunde des Kapitäns mit schnellen Daumen auf ihren mobilen Endgeräten ihr Bedauern aus und verkündeten, was von ihm bleiben werde: „Sein Lächeln“ und dieses gütige Gesicht: „tief in sich drinnen, die See und in seinen Augen das Kräuseln der Wellen“. Das zeigt, wie beliebt der Kapitän bei den Regensburgern ist, über den unser Medienhaus erstmals berichtet hatte.

„Rumsrüttelkoog an der Donau“

Die Überschrift „Rumsrüttelkoog liegt an der Donau“ stellte den Mann in Weiß vor zweieinhalb Jahren in die Nähe des „Käpt’n Blaubär“, der seinen Enkeln von seinen Abenteuern auf See vorflunkert. An seiner weißen Brust hing immer die die Kopie der Siegerkette, die er mit 18 Jahren nach seinem Finalkampf 1945 in Japan erhielt. Der Japaner hatte gegen ihn, den Rechtsausleger (170 cm, 95 Kilo) keine Chance gehabt.

Der Kapitän lebt. In echt. Er ist nur für das Publikum im DEZ und rund um den Neupfarrplatz gestorben, wo er seit ungefähr 15 Jahren im Sommer paradierte und sozusagen Hof hielt. Er fährt jetzt in voller weißer Uniform auf Schloss Wörth a. d. Donau zur See: Auf dem Berg unterzeichnete am 26. Juli 1806 Fürstbischof Karl Theodor von Dalberg, der letzte geistliche Reichsfürst, die Rheinbundakte. Heute haben hier Regensburger Originale ihr Lebensschiff vertäut. Der Gerichtssaal-Kiebitz Josef Sauerer, der das letzte Todesurteil am Landgericht Regensburg hat verkündigen hören, lebte dort und auch Rudi Göppl, der Tränen an fremden Gräbern von Mordopfern vergoss (die MZ berichtete).

„Tief in sich drinnen, die See und in seinen Augen das Kräuseln der Wellen“FB-Freundin Lisa Weichart

Wie von pro Seniore bestätigt wird, ist Ludwig Utz seit einigen Wochen im schönst gelegenen Altenheim des Landkreises Regensburg untergekommen. Dort hält der Charmeur die Pflegerinnen in Laune.

Ludwig Utz – unter diesem Namen ist der Kapitän bei Regensburgern bekannt, die in ihr Smartphone, falls sie eins haben, noch mit einem Daumen tippen. Die Tegernheimerin Helga Metz (79) kennt sein Alter und sein Geburtsdatum: „Um den 14. Juli 1927, weil er hat immer einen Tag vor oder nach meinem verstorbenen Mann Geburtstag gehabt.“ Die beiden kennen sich von Kindesbeinen an.

Auf dem Pferd durch die Stadt

Der Kapitän sei am Widfang aufgewachsen, seine Mutter sei Bedienung im „Schützenhof“ gewesen. Die Familie habe schon immer einen Hang zur Romantik gehabt. Helga Metz: „Seine Schwester ist nach dem Krieg auf dem Pferd durch die Goldene Bären Straße geritten.“ Das sei Stadtgespräch gewesen. Über die Nachkriegsjahre bis zum Fall der Mauer breitet die Geschichte den Mantel des Schweigens. Um 1993 war der Kapitänin einem riesigen weißen Wohnmobil unterwegs, das er im Stadtnorden parkte. Zusammen mit seiner Frau verkaufte er in Süddeutschland Polituren für Steine und Hölzer. Helga Metz hat noch drei Flascherln davon im Haus, ungeöffnet: „Elite, Eiche neu – das Spezialpflege und Auffrischungsmittel für helle und dunkle Eichenmöbel.“

Lesen Sie auch:Nach dem Tod des Regensburger Barfußläufers ist der Käpt’n, ein Mann in weißer Admiralsuniform, an seine Stelle getreten.

Denn eines Tages stand er bei ihnen mit diesem Geschenk im Garten. Der Kapitän war über die Hohe Linie zu seinem Freund aus der Kindheit gewandert. Willi Metz bot ihm einen Kaffee an. Er lehnte ab. Er trinke weder Alkohol, noch Kaffee und rauche nicht. Aber ein Glas Wasser nehme er gerne. „Ohne Alkohol, Kaffee und Zigaretten kann man 90 Jahre alt werden“, sagt Helga Metz.

Nach der Jahrtausend-Wende hat Ludwig Utz begonnen, sein eigenes Image aufzupolieren. Er zog sich eine Phantasieuniform an und paradierte damit langsam durch die Einkaufszentren und Fußgängerzonen der Stadt. Seine Story trug er in Hochdeutsch mit österreichischer Färbung vor: „Die Marine-Uniform trage ich seit meinem 14. Lebensjahr, als ich Schiffsjunge beim Bayerischen Lloyd war. Meine erste Fahrt war auf der Ruthof. Ich fuhr mit ihr die Donau rauf und runter. Dann bin ich aber bald zum Norddeutschen Lloyd gewechselt. Das war mein Glück. Denn die Ruthof ist in Ungarn versenkt worden. Einige Matrosen sind ertrunken.“ Der Käptn hat nun auch das Internet überlebt.

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