Menschen
Dieser Mann hat 60 000 Bücher im Kreuz

Arnulf Meifert baut in der ehemaligen Hohengebrachinger Sommerfrische der Benediktinermönche eine gewaltige Bibliothek auf.

26.06.2018 | Stand 16.09.2023, 6:03 Uhr

Arnulf Meifert am roten Gartentor: Der Universalgelehrte lebt seit 1987 in Hohengebraching. Foto: Wanner

Arnulf Meifert lebt eine Krypto-Existenz. „Mich gibt’s nicht“, sagt er. „In Pentling, wo ich wohne, schon gar nicht.“ In New York, Istanbul, Prag, Paris, Wien, Rom, London und Amsterdam kennt man Meifert wohl – als Schauspieler, Verleger, Essayist, Autor, Musiker und wissenschaftlichen Bibliothekar.

Ab und zu fallen die Sterne dieser Metropolen bei ihm wieder in den Garten. Nach Tagen in seinem „Trivialeum“, seiner Welt-Bibliothek, schreiben sie Briefe der Bewunderung. Diesen hob er sich auf. Der Frankfurter Soziologe und Pädagoge Hans-Jürgen Döpp schreibt: „Herr Meifert, Sie sind ein bibliomaner Enzyklopädist, ein Sammler in dritter Potenz, ein Bewahrer des Weltwissens, der sich dem drohenden Untergang der Kultur entgegenstemmt. Herkulisch!“ Damit ist über Arnulf Meifert schon alles gesagt.

„Dem Freund der Elfen“

Meifert sieht sich als weltlicher Nachfahr des Cölestin Steiglehner, der nächstes Jahr seinen 200. Todestag feiert. Zum Geburtstag schenkt ihm seine Frau eine Cölestin-Gedenkmedaille. Der Emmeramer Mönch war ein Sammler und Forscher wie er. Meifert arbeitete nie zielgerichtet an einer Karriere, er arbeitet an seinem inneren Menschen. Er fährt kein Auto, aber er jagt die Bücher. Über 60 000 Bände hat er gesammelt – von Kindesbeinen an. Darunter ein von Sophie, Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach persönlich gebundenes und gewidmetes Buch. „Dem Freund der Elfen“, schrieb sie aufs Vorsatzblatt. „Sie hat mich in der Bibliothek des Altonaer Museums symbolisch zum Herzog geschlagen“.

Eine Bibliothek ist ein Gebäude, im Internet findest du nur Zement, Nägel, Bausteine und Balken wirr durcheinander.“Arnulf Meifert

Vom Denken kann in Zeiten des Internets keiner mehr reich werden. Meifert verabscheut das Weltweite Netz. „Eine Bibliothek ist ein Gebäude, im Internet findest du nur Zement, Nägel, Bausteine und Balken wirr durcheinander.“

Er liest, bis ihm die Augen zufallen

Um die Mutter nicht alleine zu lassen im letzten Lebensabschnitt, zog Arnulf Meifert im Herbst 1987 nach Hohengebraching. In Hamburg hatte er sich unter gehörig plattdeutschem Angebot die ideale Bayerin herausgefischt, Franziska – ein Münchner Kindl mit Tiroler Wurzeln, sechsfache Urenkelin des Wiguläus von Kreittmayr, Staatskanzler und Gestalter des Bayerischen Rechts im 18. Jahrhundert. Die studierte Pädagogin und Soziologin zog mit. Sie ist seine Lektorin und Korrektorin, hat 1000 Seiten Aufsätze und Bücherrezensionen verfasst und kann auch backen: Käsekuchen mit Aprikose steht bereit.

Der versüßt den Gang durchs Trivialeum. „Das kommt nicht von trivial, sondern von drei Wegen. Die Welt ist bekanntlich nicht schwarz und weiß. Es gibt Zwischentöne.“ Die Welt, wie sie in Wahrheit ist, will Arnulf Meifert in seiner Bibliothek abbilden. Die Bücher stapeln sich am Rand der Eichentreppen bis in den zweiten Stock, stehen in Sechserreihen in den deckenhohen Regalen und müssen trotzdem auf den Schiffsplanken Inseln bilden. Bücher strömen nach Hohengebraching. Arnulf Meifert schläft mit ihnen – in einer Nische seines Trivialeums steht ein Doppelbett. Die linke Hälfte des Bettes ist gemacht. Auf der rechten Seite türmen sich die Bücher in mehreren Stapeln. Er liest, bis ihm die Augen zufallen.

Kreuz und quer verlaufende Lebenslinien

Meifert ging nicht auf ausgetretenen Pfaden ins Leben. Seine Lebenslinien verliefen kreuz und quer. „Wessen man bedarf, entfaltet sich von selbst“: Er studierte Literaturwissenschaft, Volkskunde und Theaterwissenschaft an der LMU München. Ab 1967 nahm er Schauspielunterricht bei Hanna Burgwitz. 11 Jahre lang war er in allen Jazzstilen unterwegs, ebenso mit Pop und Soul. In den späten 50er Jahren hatte er sich selbst das Schlagzeugspielen beigebracht. Am Residenztheater München begleitete er mehrfach die Bühnenhandlung, u. a. bei „Die Wände“ von Jean Genet.

Seitenkapelle in der Kathedrale des Geistes

Arnulf Meifert hatte versucht, die Kultur in Hohengebraching zu etablieren. Jetzt hat er seine Aktivitäten wieder mehr nach außerhalb verlagert, nach Regensburg und in die neuen Bundesländer. Etwa nach Leipzig zu den Symposien über Robert Kraft. Über den Schriftsteller hat Meifert gerade ein Buch herausgebracht: „Robert Kraft – Avanturier und Selbstsucher. Eine Annäherung.“ Der Vertreter des Kolportageromans war ein Mann nach dem Herzen Meiferts. „Mit 10 Jahren Suizidversuch, mit 13 schiffbrüchig. Vom Schreiben und von der Recherche her besser als Karl May, aber vergessen. Ein Phantast am Fließband.“ Diesem literarischen Straßenköter Robert Kraft wollte der Mann aus der Emmeramer Sommerfrische in der Kathedrale des Geistes eine Seitenkapelle errichtet. „Aus einem tiefen Gerechtigkeitsempfinden heraus. Am 5. Juli, 20 Uhr, liest Arnulf Meifert im Literatur-Café, Spiegelgasse 8, aus den Werken Krafts. Titel: „Die Augen der Sphinx.“

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