Forschung Ein Denkmal ist nicht immer alt
Wer in Ostbayern unterwegs ist, stößt auf Installationen und Steinkreuze. Ein Arbeitskreis hat deren Historie entschlüsselt.
Regensburg.Eine Mischung aus Skisprungchance und Baumhaus könnte es sein. Vielleicht ist es auch einfach ein abstraktes Schiff. Wenn sich Bernhard Frahsek dem rund vier Meter hohen Kunstwerk nähert, knirscht der Boden unter seinen Füßen. Es hört sich fast genauso an, wie damals, als Frahsek noch ein Kind war. Weit mehr als ein halbes Jahrhundert ist das inzwischen her. Heute geht Frahsek mit Sandalen über die spitzen Kieselsteine, damals lief er barfuß über kleine Muschelschalen, die von der Donau mit jeder Welle ans Ufer gespült wurden. Wie am Meer war das früher, sagt Frahsek. Heute ist er 71, aber wenn er hier vor dem Kunstwerk aus Holz und Metall steht, dann kommen dem pensionierten Hauptschullehrer die Erinnerungen an seine Kindheit zurück.
Den Begriff des Denkmals kann man verschiedenartig definieren. Es soll die Allgemeinheit erinnern oder zumindest für einen Gedanken stehen. Die Schillerwiese war damals der Treffpunkt für die jungen Regensburger. Ein Freibad brauchte es nicht, die Donau war ja vor der Türe. Wenn Frahsek seine Hausaufgaben erledigt hatte, stürzte er sich im Sommer fast täglich in die Fluten der Donau. Manchmal bauten die Jugendlichen auch kleine Baumhäuser, die aus den Donau-Auen hervorlugten. Ab und an legten Fischer am Donauufer an und schenkten auch den Kindern etwas von ihrem Fang. Wenn Frahsek davon erzählt, ist er kaum zu bremsen. Genau dieses Lebensgefühl spiegle die heutige Installation an der Schillerwiese wider, sagt er. Sie stehe für die Schiffe in der Donau, für die kleinen Baumhäuser und für die Donau selbst.
Eine Hommage an die Donau
Der Kallmünzer Künstler Ludwig Bäuml bezeichnet sein Kunstwerk als eine „Hommage an den Fluss, an das Leben am Fluss und an die Schifffahrt“. Die wuchtige Installation erinnert daran, welchen Stellenwert die Donau für die Regensburger hatte und noch immer hat. Dieses von Frahsek angepriesene Lebensgefühl wäre eine Zeit lang allerdings fast in Vergessenheit geraten: Weil die Wasserqualität der Donau jahrelang rapide sank, war an Baden nicht mehr zu denken.
„Gewissermaßen setzt sich durch das Kunstwerk die Jugend fort.“
Heute ist das anders. Die Schillerwiese kehrt Stück für Stück ins Gedächtnis der Regensburger zurück. Hier, am nördlichsten Punkt der Donau, an dem der Fluss im Sonnenlicht wie ein Meer aus Diamanten glitzert, tummeln sich wieder viele Familien und Gäste, die baden oder sich sonnen.
Die alten Regensburger kennen die Schillerwiese noch: Das war der Badestrand an der Donau. Nun steht dort eine Installation. Bernhard Frahsek vom Arbeitskreis für Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz erklärt sie:
Bernhard Frahsek umklammert mit einer Hand die Säule der Installation, fast so, als wolle er dieses Lebensgefühl festhalten. Die Stadt und der Künstler hätten alles richtig gemacht, sagt er. Damit ein Denkmal zur Geltung komme, brauche es mehrere Faktoren: Einen Ort, der den Betrachter berührt und ein Werk, das zu den Menschen passt und sich harmonisch in die Landschaft einfügt. Ein Flurdenkmal müsse nicht unbedingt alt sein, sagt Frahsek. Er muss es wissen.
Hier finden Sie die Schillerwiese und die Installation in Regensburg:

Lesen Sie mehr: Mit einem zweiteiligen Kunstwerk verleiht Wigg Bäuml dem nördlichsten Punkt der Donau in Regensburg besondere Aufmerksamkeit.
Seit fast vier Jahrzehnten erforscht der Lappersdorfer Ortsheimatpfleger ehrenamtlich Bauwerke und ist Mitglied im Arbeitskreis für Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz (AFO). Sein Hobby vergleicht Frahsek mit der Arbeit eines Detektivs: Möglichst viel herausfinden. Bis zu drei Jahre kann die Recherche über ein Denkmal dauern, sagt Frahsek. Er befragt die Menschen vor Ort, sucht nach alten Dokumenten, kämpft sich in Bibliotheken durch hunderte Seiten.
Die mysteriöse Lilie im Forst
Manchmal stößt Frahsek erst Jahre später auf den entscheidenden Hinweis. So wie im Schwaighauser Forst in Lappersdorf. Hier fand Frahsek Grenzsteine, auf denen eine Lilie eingemeißelt war. Erst Jahre später stellte er fest, dass es sich bei der Abbildung um eine Klapper handelte, mit denen Leprosen vor sich warnten. „Solche Funde machen Lust auf mehr“, sagt Frahsek. Er ist nicht der einzige, der sich der Flur- und Denkmalforschung verschrieben hat. Knapp 600 Ehrenamtliche helfen dem siebenköpfigen Arbeitskreis und recherchieren die geschichtlichen Hintergründe von Kapellen, Marterln oder Gedenksteinen. Die Ergebnisse veröffentlichen die Forscher seit 40 Jahren in einem Buch.
„Auch heute sollen Zeichen gesetzt und Denkmäler aufgestellt werden.“
Doch Frahsek und seine Mitstreiter dokumentieren nicht nur. Sie beraten auch, bevor ein neues Denkmal aufgestellt wird. Meist werden sie von Vereinen eingeladen, die mit einem Gedenkstein oder Kreuz an ihr Jubiläum erinnern möchten. Vor Ort begutachtet der Arbeitskreis dann die Entwürfe und den für das Denkmal geplanten Ort. Ludwig Zehetner, Mitglied im Arbeitskreis und Honorarprofessor für bairische Dialektologie, sind diese Termine besonders wichtig: „Auch heute sollen Zeichen gesetzt und Denkmäler aufgestellt werden“, sagt er.
Auf der Regenbrücke in Reinhausen findet sich eine Statue des Heiligen Nepomuk:
Frahsek glaubt, dass sich die Kommunen in Ostbayern mit dem Bau neuer Denkmälern aus Angst zurückhalten: „Sie wollen nicht verspottet werden.“ Doch derzeit schlage der Trend um. Das sei wichtig, sagt Frahsek. Er würde sich noch mehr Denkmäler wünschen. So wie hier in Regensburg an der Schillerwiese. „Es braucht ein Umdenken“, sagt Frahsek.
Seit hunderten Jahren überliefern Eisen, Stahl und Stein den Zeitgeist. Noch heute sind sie Zeugen. Lüften Sie hier die Geheimnisse einiger Denkmäler:
Das Buch „Beiträge zur Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz 2017“ ist im Bodner-Verlag erschienen. Es kostet 12 Euro und kann mit der ISBN-Nummer 3939247960 bestellt werden.
Lesen Sie mehr: Alte Flurdenkmäler erzählen Geschichten. Ob Sühne- und Flurkreuz, Marterl oder Mordstein – in Nittendorf gibt es mehr als 100 Objekte.
Weitere Nachrichten aus Bayern lesen Sie hier.
Weitere Artikel aus diesem Ressort finden Sie unter Stadt Regensburg.