Justiz
Ein Gericht, in dem das Leben spielt

Der neue Direktor am Amtsgericht kehrt heim nach Regensburg. Er bekommt Unterstützung durch seine Stellvertreterin.

30.11.2019 | Stand 16.09.2023, 5:08 Uhr

Dr. Harald Müller ist der neue Direktor des Amtsgerichts, Birgit Eisvogel seine Stellvertreterin.

Für ihn ist es eine Rückkehr in die Heimat. Dr. Harald Müller ist seit kurzem neuer Direktor am Amtsgericht Regensburg. „Ich bin gebürtiger Regensburger“, sagt der Spitzen-Jurist. Doch sein Berufsweg in der Justiz hatte ihn bislang durch ganz Bayern geführt, bevor er in seine geliebte Heimatstadt zurückgekehrt ist. Zusammen mit Birgit Eisvogel, die ihn vertritt, führt Müller nun eine wichtige Behörde. Wer allerdings denkt, dass man lieber nichts mit den Amtsrichtern zu tun haben möchte, weil man dort nur Strafen ausspricht, der verkennt die vielen Aufgaben eines Amtsgerichts.

Müllers Weg in der Justiz führte ihn vom Landgericht Nürnberg-Fürth 1991 auf eine kurze Station in die Staatsanwaltschaft Regensburg, wo er zwischen 1992 und 1994 arbeitete. In diese Zeit fiel auch eine Tat, die Müller noch heute nicht vergessen hat: Der Mord von Unterwendling. Eine Mutter hatte den Mord an ihren kleinen Kindern beauftragt.

Vom Amtsgericht Kelheim kehrte Müller 2001 nach Regensburg zurück, ab 2009 war er Richter am Oberlandesgericht Nürnberg. Seit 2012 bis zu seiner Berufung nach Regensburg leitete Müller das Amtsgericht in Neumarkt in der Oberpfalz. Räumlich hat sich Müller nicht verbessert. „Dort war mein Dienstzimmer im Schloss des Pfalzgrafen“, sagt Müller. Das historische Gebäude ist ein Kleinod, während das Amtsgericht Regensburg, eingeklemmt zwischen dem mächtigen Justizpalast aus der Jahrhundertwende und der Augustenschule, den Charme eines 80er-Jahre-Zweckbaus ausstrahlt.

Haftstrafen zu zu vier Jahren

Regensburg ist Haftgericht. Drei Schöffengerichte gibt es, die Strafen von bis zu vier Jahre Haft aussprechen dürfen. In Neumarkt, sagt Müller, „habe ich schon gesagt, da war die Welt noch in Ordnung. Ich hatte Nürnberg als Vergleich“, so der neue Direktor.

Die Aufgaben der Richter sind deutlich vielfältiger als nur zu strafen. Seine Stellvertreterin Birgit Eisvogel beschriebt das so: „Hier spielt sich das ganze Leben ab, von der Wiege bis zur Bahre.“ Eisvogel ist Betreuungsrichterin, Müller war das die letzten sechs Jahre in Neumarkt. Betreuungsgerichte müssen schwierigste Entscheidungen treffen, und zwar zum Wohl des Betroffenen. Beispielsweise dann, wenn ein Mensch über sein Dasein nicht mehr selbst rational entscheiden kann. Oder auch, wenn ein Mensch im Alter dement wird, sich und andere verletzten könnte.

Eingriff in die Grundrechte

Wenn Ärzte entscheiden, dass eine Fixierung nötig ist, dann ist das sein intensiver Einschnitt in ein Grundrecht. Ein Richter muss das absegnen. Hier ist die Aufgabe des Amtsgerichts, eben jenseits des Strafgesetzbuches dort einzugreifen, wo Menschen Hilfe benötigen, wehrlos sind und den Staat brauchen. Ein weiterer wichtiger Bereich des Amtsgerichts, der ebenfalls jenseits der öffentlichen Aufmerksamkeit spielt: Das Amts- als Familiengericht. „Kein Richter macht es sich leicht, wenn er Kinder aus Familien nehmen muss“, sagt Richterin Eisvogel. „Aber wenn Kinder Gewalt erfahren oder sexuellen Missbrauch, dann müssen Richter handeln.“ Niemand mache sich eine solche Entscheidung leicht, beteuert Eisvogel. „Aber man muss es entscheiden.“

Es gibt Dienste, die Richter an Abenden und Wochenenden leisten müssen. An den Wochenenden steht von 6 bis 21 Uhr ein Richter zur Verfügung, beispielsweise auch, wenn es darum geht, dass Ärzte eine Fixierung angeordnet haben. Das Bundesverfassungsgericht hat dafür sehr hohe Hürden gesetzt. „Am Freitagmorgen bekommt man den Bereitschaftsdienst-Koffer mit dem Handy in die Hand, am Freitag darauf gibt er ihn wieder ab“, schildert Müller das Prozedere. Die Abendschichten erfolgen zusätzlich zu den normalen Sitzungsdiensten.

Dennoch, sagt die stellvertretende Direktorin Eisvogel, ist die Justiz nach wie vor sehr attraktiv. „Jeder, der neue Herausforderungen sucht, findet diese auch in einem Amtsgericht.“ Beide Neuen haben ein gemeinsames Ziel: „Für mich stehen die Menschen am Amtsgericht im Mittelpunkt, sie sind mir wichtig“, sagt Müller.

Zuständigkeit: Größe:
Die 73 Amtsgerichte in Deutschland sind neben den Landgerichten die Eingansinstanz der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit. Diese umfasst sowohl die Zivil- als auch die Strafsachen. Letztere sind bekannter, da die Medien immer wieder über Strafgerichts-Urteile berichten. Doch das Amtsgericht ist auch für Familien und Unterbrindungssachen zuständig, die nichtöffentlich verhandelt werden.38 Richter gibt es am Amtsgericht Regensburg derzeit. Amtsrichter können Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren aussprechen, das ist auch das Strafmaß, das noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Doch auch das Amtsgericht kann härter bestrafen: Dann treten sie als Schöffengerichte zusammen, die bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe aussprechen können.

Dazu gehöre auch, die Belastungssituation der Mitarbeiter im Auge zu behalten. Das zweite Thema für Müller als neuem Direktor am Amtsgericht ist die Digitalisierung. „Gerade bei komplexeren Verfahren stellt uns das vor Herausforderungen, wenn wir in den kommenden Jahren die Papierakte aufgeben wollen“, so der neue Direktor.

Birgit Eisvogel sieht ihre Aufgabe vor allem darin, „die entsprechende Fürsorge wahrzunehmen, gerade als Abteilungsleiterin für das Betreuungsrecht“. Das Netzwerk zu Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen seien für sie entscheidend, „damit die Wege und Abläufe funktionieren“. Das Amtsgericht spiegelt eben das ganze Leben.

Weitere Nachrichten aus Regensburg lesen Sie hier.