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„Ein Kirchenraum, der junge Menschen anspricht“

03.08.2022 | Stand 15.09.2023, 4:10 Uhr
Künstler Tom Kristen stand den Grundschülern der Regensburger Domspatzen Rede und Antwort. −Foto: Fotos: Stadtherr

Tom Kristen hat die Hauskapelle der Domspatzen entworfen. Im Interview erklärt der Künstler den Schülern seine Arbeit.

Zu welchem Anlass haben Sie die Hauskapelle entworfen?

Tom Kristen:Im Zuge der Generalsanierung des Schulzentrums der Regensburger Domspatzen wurde im Rahmen der architektonischen Gesamtgestaltung auch eine neue Hauskapelle geplant und realisiert.

Die sogenannte Raumschale der Hauskapelle wurde vom Architekturbüro Peithner aus Regensburg geplant. Ich durfte mich um die Liturgische Ausstattung und in Zusammenarbeit mit dem Architekten auch um die Materialoberflächen von Boden, Wänden und Türen kümmern. Auch die Kirchenbänke haben wir gemeinsam entworfen und mit den Domspatzen entschieden.

Gab es eine Ausschreibung zur Gestaltung der Hauskapelle und was war die Grundidee Ihres Kunstwerks?

Kristen:Die Bischöfliche Kommission für kirchliche Kunst entscheidet über Um- und Neugestaltungen von Kirchen und anderen Sakralräumen und hat für die Wolfgangskapelle entschieden, dass ein Liturgisches Auswahlverfahren mit sechs eingeladenen Künstlern stattfand. Nachdem die Künstler die Aufgabenstellung erhalten haben, konnten bei einem sogenannten „Kolloquium“ noch Fragen gestellt werden und danach hatten die Teilnehmer drei Monate Zeit, ihre Ideen zur Kapelle zu entwickeln. Die Grundidee war von Anfang an in der Aufgabenstellung begründet. Die Wolfgangskapelle ist eine ganz besondere Kirche, da sie für junge Menschen geplant wurde und daher auch anders gedacht werden musste.

Wann und wie wurde die Kapelle eingeweiht?

Kristen:Die Kapelle wurde vor zwei Jahren von unserem Bischof Rudolf geweiht. Eine Kirchenweihe ist ja leider mittlerweile ein eher seltenes Ereignis geworden und wer von euch jemals die Gelegenheit hat, einer Altarweihe oder gar einer Kirchenweihe beizuwohnen, sollte sich das Ereignis nicht entgehen lassen. Die Weiheliturgie ist ein Ritus, der alle Sinne anspricht. Der Altar wird in der katholischen Liturgie nicht als einfacher Gegenstand betrachtet, sondern der Altar versinnbildlicht Christus als lebendigen Grund- und Eckstein der Kirche. Der Altar – auch als „Tisch des Herrn“ bezeichnet – ist das Herzstück einer Kirche.

Nach dem Einsetzen der Reliquien im Altar wird er vom Bischof zuerst mit Weihwasser ,getauft‘, dann mit Chrisam gesalbt und über den fünf Weihekreuzen im Altar wird Weihrauch entzündet. Nach dem Weihegebet wird der Altar gereinigt und erstmalig mit einem Altartuch und Kerzen geschmückt. Ich glaube, die katholische Kirche hat keine festlichere Liturgie im Programm als diese.

Haben Sie zuerst einen Entwurf für die Hauskapelle gemacht?

Kristen:Die Annäherung an eine Lösung solcher Aufgaben ist wahrlich komplex und gar nicht so einfach zu beschreiben. Zuerst profitiert man natürlich von den eigenen Erfahrungen und dann ist es wichtig, sich viele Beispiele anzusehen. Irgendwann kann man die ersten Ideen unter einem thematischen Begriff ordnen. Dies ist natürlich immer mit vielen Skizzen und kleinen Modellen zu überprüfen. Seit einigen Jahren hilft hier auch ein Computer, um zu einer Lösung zu kommen. Wie in einem Computerspiel baue ich mir die Räume nach, um mich mit einem Avatar darin aufhalten zu können und dort sogar frei herumzuspazieren.

Wie lange haben Sie insgesamt an dem Entwurf und an der Hauskapelle selbst gearbeitet?

Kristen:Wie schon vorher beantwortet, wird ein fertiges Entwurfskonzept mit einem Modell nach etwa drei Monaten der Auswahljury vorgelegt, die dann entscheidet, welche Arbeit zur weiteren Bearbeitung ausgewählt wird. Nachdem darüber dann auch die Kunstkommission entschieden hat, wird der Künstler beauftragt, seine Idee genauer zu planen und dann ein lebensgroßes Modell zu erstellen. Passt auch diese, kann mit der Ausführung begonnen werden. Insgesamt kann so die Arbeit an einer Ausstattung ein ganzes Jahr benötigen.

Haben Sie die Hauskapelle ganz alleine gemacht oder hat ihnen jemand dabei geholfen?

Kristen:So eine umfangreiche Aufgabe schafft man natürlich nicht alleine. Gott sei Dank teilt meine Frau Ursula die künstlerische Leidenschaft für liturgische Projekte und hilft mir immer sehr, die oft spontanen Ideen zu festigen und noch wichtiger: Sie hilft mir, indem sie mir die oft unmöglichen Einfälle mit einer Engelsgeduld wieder ausredet. Schon für die Idee ist es notwendig sich immer wieder auszutauschen und die Gestaltung innerhalb von vielen Gesprächen zu prüfen und zu verfeinern. Eigene handwerkliche Umsetzungen sind eher selten, da ich Zuhause gar nicht den großen Platz für Maschinen und Material habe. In der Werkstatt entstehen eher Modelle (auch in Originalgröße) und Vorarbeiten mit dem 3D-Drucker. Bei der Umsetzung arbeiten wir mit befreundeten Handwerksbetrieben zusammen, die auf Ihrem Gebiet absolute Meister ihres Fachs sind.

Welcher Teil der Hauskapelle gefällt Ihnen persönlich am besten?

Kristen:Ich persönlich empfinde den Marienort mit seiner gotischen Madonnenfigur als besonders gelungen, da hier ein spannender Zweiklang zwischen Alt und Neu entstanden ist. Zugleich strahlt die gebaute Nische eine Geborgenheit aus, die für eine Marienandacht notwendig ist.

Welche Materialien haben Sie verwendet?

Kristen:Wichtig war für uns, für die Domspatzen einen Kirchenraum zu gestalten, der besonders für junge Menschen ansprechend ist. Daher entstand die Idee möglichst natürliche Materialien und Oberflächen zu verwenden: Unbehandeltes Eichenholz, gegossene und polierte Metalloberflächen und oxidierte Eisenflächen, die auch mit Wachs und Öl behandelt wurden.

Wo wurden die Materialien angefertigt?

Kristen:Für Altar, Ambo und Tabernakel hatten wir die Idee, eine lebendige Metalloberfläche zu verwenden in der man sich spiegeln kann. Die Aufgabe bestand nun darin, die Gegenstände nicht zu schwer werden zu lassen, da die Kapelle im 1. Stock des Hauses untergebracht ist und ein zusätzliches Fundament daher nicht möglich war. Wir mussten daher auf Aluminiumbleche zurückgreifen, die aber andererseits keine schöne Oberfläche boten. Da war guter Rat teuer. Die rettende Lösung hatte dann der Metallbauer: Wir haben die Bleche in der notwendigen Dicke einfach in einer Metallgießerei anfertigen lassen, indem wir flüssiges Aluminium in eine flache Wanne gossen.

Was soll die Hauskapelle beim Besucher bewirken?

Kristen:Vom heiligen Pfarrer von Ars wird erzählt, dass er beim täglichen Gang durch seine Kirche immer wieder einen Bauern antraf, der stundenlang in einer Bank saß und still zum Tabernakel schaute. Eines Tages sprach er ihn an: „Was tust du hier die ganze Zeit?“ Der Bauer antwortete: „Ich schaue Ihn an, und Er schaut mich an. Das genügt.“ Sei einfach Du, sei bei dir, dann ist auch Gott nicht weit von dir.

Verraten Sie uns auch ein bisschen über sich? Seit wann sind Sie Künstler und wollten Sie schon immer Künstler werden?

Kristen:Im Alter von 16 Jahren ereilte mich auf einem Bergurlaub eine schwere Durchfallerkrankung. Etwas ausgelaugt und zu schwach für vorgesehene Bergtouren, war ich mit einem 50 Meter Aktionsradius an die Berghütte gefesselt. Mir war also sterbenslangweilig und so ließ ich mir – dieser plötzliche Wunsch ist mir heute noch nicht erklärbar – vom Tal Papier und Bleistift mitbringen und ich begann von einem Tag auf den anderen, ohne irgendeine Vorbildung zu zeichnen.

Nach vier Tagen „Abzeichnen“ von Balkonbrüstungen, Geranientöpfen, Weidezäunen und Wegmarterln wie in einem Rausch war mit 50 Blättern mein Entschluss gefasst, dass ich Künstler werde. Wie die Musik – das war damals eine ungeheure Erkenntnis für mich – ist das Zeichnen eine universell eigene Sprache. Diese Erkenntnis fasziniert mich bis heute.

Wie viele und welche Kunstwerke haben Sie in Ihrem Leben bereits gestaltet?

Kristen:Im Lauf der Jahre kommt da natürlich schon „a bisserl“ was zusammen. Mit der Arbeit an dieser Kapelle ist auch die „Gedichtkrone“ im Zugangshof zum jüdischen Gemeindezentrum eine für mich sehr bedeutende Arbeit. Als Maler und Grafiker kann ich die bemalten Kartons und Leinwände gar nicht mehr zählen, es sind bestimmt Tausende.

Welches ist Ihre Lieblingstechnik und warum?

Kristen:Eigentlich war ich schon immer leidenschaftlicher Zeichner, der am liebsten einfachste Mittel wie Bleistifte oder Tuschpinsel benutzt. Solche Zeichnungen kann man hier in der Kapelle als Kreuzweg sehen. Mit diesen einfachen Werkzeugen ist man dem Ideengrund am nächsten und die Gedanken können unmittelbar vom Kopf durch die Hand auf das Papier fließen. Ich finde, diese Spontaneität ist spürbar und gibt dadurch der Zeichnung eine besondere Kraft.

Möchten Sie uns Kindern gerne ein für Sie wichtiges künstlerisches Motto / einen Spruch mit auf den Lebensweg geben?

Kristen:Man sollte im Leben immer versuchen, die Träume zu leben, für die man brennt. Dann wird sich mit Gottvertrauen immer ein gangbarer Weg in die Zukunft zeigen.