Handwerk
Ein Kümmel-Brötchen macht Karriere

Seit Bäckermeister Erwin Weber übernahm, ist das Schwarzer Kipferl nicht nur in Regensburg in aller Munde.

14.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr
Helmut Wanner

Heuernte im Vorderen Bayerischen Wald: Erwin Weber hat diese Zeit noch erlebt. Der Sohn eines Rechenmachers stammt aus Roßbach. Mit Energie hat er das Schwarzer Kipferl zu Weltruhm geführt. Fotos: Wanner

Den Namen hat es von Johann Schwarzer. Aber erst durch Erwin Weber wurde es zu dem, was es heute ist: Das Schwarzer Kipferl, jene solitäre Teigskulptur, wie sie im Buch steht. Zum Beispiel im großen Handbuch bayerischer Spezialitäten, Culinaria Bavarica. Man weiß jetzt in der ganzen Welt: Das gewürzte Kümmel-Brötchen aus Roggen- und Weizenmehl wird traditionell zu Weißwurst oder Knacker und vor allem oft zu Bratwurst mit Sauerkraut gegessen.

Erwin Weber sorgte dafür, dass das Schwarzer Kipferl knackfrisch in jedem Regensburger Wirtshaus im Brotkorb lag. „In jedem“, betont er. Heute liegt es nur noch in den besten. Im 82. Lebensjahr lässt er auch einmal die Zahl raus. „50 000 Kipferl. An Weihnachten. An einem Tag.“

Zehn bis 15 Leute hatte er in der Backstube angestellt. Er hat die Bilder vor Augen. „Die Leute sind angestanden bis hinaus auf die Bachgasse. Wir haben sie nicht hergebracht. Keine Familie wollte am Heiligen Abend ohne Schwarzer Kipferl sein.“

Wunder der Mundpropaganda

„Keine Familie wollte am Heiligen Abend ohne Schwarzer Kipferl sein.“Erwin Weber

Kipferl isst er jeden Tag. Seine Erika stellt sie ihm auf den Tisch. Seit 27 Jahren sind die beiden zusammen. „Es war das erste Lehrmadl, das ich 1970 eingestellt habe“, sagt Weber mit schimmrigen Glanz in den Augen. Damals, als er die Bäckerei übernommen hat, war Erika seine erste eigene Personalentscheidung. Erika und Erwin. Sie sind verwitwet, haben zehn Enkelkinder. Dass sie im Alter zusammen gefunden haben, ist einfach süß. Weber spielt ihr auf seinem neuen Akkordeon vor, eine Piatanesi mit Perlmutt-Knöpfen. Bei schönem Wetter radelt er täglich mit seiner Erika zum Berghammer nach Oberndorf. „Das sind genau 30 Kilometer.“ Pächter Hubert Fromm wollte seinerzeit im Kneitinger Mutterhaus das Brotkörbl am Tisch einführen. Er scheiterte am Widerstand der Bedienungen.

Handgeformte Einzelstücke

Das Kipferlgeschäft ist lang nicht mehr überhitzt. „Seit 1986 läuft es ruhiger“, meint Erwin Weber. 1992 übergab er an seinen Sohn Rudolf, bald wird sein Enkel Michael übernehmen. Das Schwarzer Kipferl ist aber immer auch noch ein Stück vom Senior. Keine Fabrikware aus dem Backshop, sondern ein Einzelstück von Meisterhand. Jeden Sonntagmorgen steht Erwin Weber dafür persönlich in der Backstube, und formt in der Oberen Bachgasse/Ecke Augustinergasse die Kipferl, die die Wurstkuchl braucht.

Für 55 Kipferl rechnet er 1800 Gramm Mehl. In Zahlen muss ein Bäcker gut sein. Und Erwin Weber ist gut. Sie sind sein Hobby. Er verblüfft seine Kartler-Freunde mit Fragen wie dieser: „Wie lange müssten wir schafkopfen, bis dasselbe Blatt wieder herauskommt? 14 Jahre!“

Am Sonntag entlastet er mit seinem Backstuben-Einsatz den Sohn. Aber eigentlich tut er sich den Gefallen. Morgens um halb 3 Uhr, wenn die Nachtschwärmer die Clubs wechseln, rollt er in die Stadt. „Damit das auch Hand und Fuß hat“, wie er sagt.

Der Sohn eines Gütlers (Kleinbauer) und Rechenmachers aus Roßbach hat als Bäckergehilfe in der Augustinergasse angefangen. „Vom Arbeitsamt her war es der erste Anlauf. Ich bin gleich da geblieben.“ Die Vier, die in der Backstube waren, haben sich auch die zwei Zimmer im dritten Stock des Altdorferhauses geteilt. „Essen gab’s unten. So war das damals.“ 1955.

Die Schwarzers waren kinderlos und damals auch schon ziemlich alt, als Erwin Weber im „ersten Wiener Backhaus“, wie es sich nannte, anfing. „Im Laden standen die zwei Schwestern vom Schwarzer, Astrid und Ida.“ Die Bäckerei lebte damals vom Ladengeschäft. „Da ist nix ausgeliefert worden.“ Damals hätten die Leute noch anders eingekauft. Die kamen täglich frisch und sind nicht weit gegangen. Heute fahren sie und in jedem Discounter ist auch ein Backshop. Erwin Weber: „Die Teiglinge sind teilweise vier bis sechs Wochen alt.“ Mit 14 Jahren hat er zu arbeiten begonnen, und tut es noch heute mit derselben inneren Einstellung wie damals. „Nur das Aufstehen am Samstag um 1 Uhr, das lernt man nie.“ Erwin Weber ragt mit seinem Arbeitsleben in eine andere Epoche hinein. Dass die Bauern das Heu mit den Rössern heimgebracht haben, wie man auf dem Gemälde in seinem Wohnzimmer sieht, hat Weber noch selbst erlebt. „Die Frauen haben teilweise auf dem Heuwagen entbunden. Unvorstellbar, wie hart früher am Land gearbeitet worden ist.“ Dagegen habe er es leicht gehabt. „I tät’s gleich wieder. Bäcker ist der schönste Beruf. Um 10 Uhr ist Feierabend..“ So konnte er jeden Dienstag um 14.30 Uhr mit seinen Bäckerspezln beim Krieger in Mariaort Schafkopf spielen. 60 Jahre kurz und scharf: Der Solo ein Zwickel.

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