Unglaublich
Entlaufene Katze nach fünf Jahren zurück

Die Regensburgerin Romy Brandl kümmerte sich um einen vermeintlichen Streuner. Dann machte sie die Besitzerin ausfindig.

13.10.2018 | Stand 16.09.2023, 6:00 Uhr
Heinz Klein

Molly alias Woodstock, der fünf Jahre vermisste Überlebenskünstler mit Stil und Charme Foto: Romy Brandl

Die zwei mussten sich wohl einfach finden: Romy Brandl, eine Tierfreundin durch und durch, die am Sallerner Berg auf einem Parkbankerl saß und Molly, eine wildfremde Katze, die eigentlich ein Kater ist und Woodstock heißt, wie wir noch erfahren werden.

Romy Brandl saß mit ihrem Enkel auf der Bank und genoss den grandiosen Blick über Regensburg, als besagte Katze zielstrebig auf die zwei zukam, schnurrend um deren Beine scharwenzelte und so tat, als kenne man sich schon lange.

Die Tierfreundin war entzückt und der kleine Enkel auch. Der musste nun bei der Katze die Stellung halten, während die Oma schnell nach Hause lief und Katzenfutter holte. Die Katze nahm die Futtergaben gerne an, bedankte sich artig mit Schnurren und verschwand irgendwann wieder zwischen den Büschen.

Natürlich war Romy Brandl am nächsten Tag gleich nach dem Frühstück wieder an dem Bankerl, natürlich mit einem Schälchen Katzenfutter im Korb. Und natürlich kam auch die Katze wieder. Die zwei taten, als hätten sie sich insgeheim verabredet, was wahrscheinlich auch so war.

Eine Katze mit Stil und Anstand

Das war Mitte Juli und der Beginn einer Liaison, die über drei Monate währte und erst vor kurzem endete. Romy Brandl kam jeden Tag pünktlich um 9.30, 12 und 19 Uhr und stets war auch die Katze da. Ein wenig spielen und viel futtern stand dann auf dem Programm, anschließend ein bisserl schmusen. Die Tierfreundin nannte die Katze Molly, ließ selbst Einladungen zum Abendessen sausen, um pünktlich um 19 Uhr am Parkbankerl zu sein und machte sich in einer wilden Regen- und Gewitternacht solche Sorgen, dass sie um Mitternacht mit einem großen Handtuch zur Parkbank lief, um Molly trockenzurubbeln. Da war Molly allerdings nicht da, sie hatte von diesem Ausnahmetermin einfach nichts gewusst. Es sollte in den drei Monaten aber das einzige Mal sein, dass die Katze ihr Rendezvous nicht einhielt.

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Die vielen Gassigeher am Sallerner Berg kannten bald die Fütterungstermine, nahmen Rücksicht und schlugen mit ihren Hunden dann andere Wege ein, um nicht zu stören. Romy Brandl bedankt sich ausdrücklich für so viel Verständnis. Nur eine Hundebesitzerin tat das nicht. Sie forderte Romy Brandl vielmehr auf, das Füttern zu beenden, das sei nämlich nicht zulässig, sonst werde sie die Polizei rufen. „Ich habe die Frau gefragt, ob sie ein Handy hat. Dann soll sie nämlich gleich die Polizei rufen“, erzählt Romy Brandl und wies die Frau darauf hin, dass sie ihren Hund nicht angeleint habe und die Hinterlassenschaft ihres Vierbeiners nicht entsorgt habe, was ihr dann wahrscheinlich gleich eine Anzeige der Polizei einbringen werde. „Die Frau kam nicht wieder“, freute sich Romy Brandl.

„Bitte lassen Sie Ihre Katze oder Ihren Hund chippen oder tätowieren und melden Sie sich an.“Romy Brandl, Tierfreundin

Obwohl Molly offenbar ein herrenloser Streuner war, wirkte sie nicht ungepflegt, nur ein bisserl mager. Und sie hatte Stil und Anstand, fraß Futter ungern vom Boden, lieber in einem Schälchen, wobei sie Porzellan Plastik vorzog. Und sie bedankte sich mit Schnurren und Spielen. Dabei entdeckte Romy Brandl etwas Farbiges im Katzenohr. Eine Tätowierung? Sollte Molly doch jemandem gehören? Da reifte bei der Tierfreundin der Plan, die Katze zu fangen. Über die Private Katzenhilfe und deren unermüdliche Chefin Sylvia Van der Zwan bekam Romy Brandl Unterstützung und eine richtige Katzenfalle. Sie legte Mollys Lieblingsleckerlis hinein, deponierte das Gerät in Büschen nahe dem Bankerl und fing viele Schnecken darin, aber nicht Molly.

Also brachte die Tierschützerin ihren Katzenkorb mit, in dem Hauskater Peterle bisweilen zu Auswärtsterminen befördert wird. Am dritten Tag stieg Molly hinein und Romy Brandl machte schnell das Türchen zu. „Da war dann aber der Teufel los“, erzählt sie. Molly hakelte wütend durch die Ritzen und zerkratzte Romy Brandl, die mit dem Korb an sich gedrückt nach Hause eilte, den Bauch. Als sie zuhause das Türchen öffnete, war alles wieder gut. Molly benahm sich gesittet, begutachtete Hauskater Peterl und ging ihm aus dem Weg.

Von Molly zu Woodstock

Eine Tierärztin kam zum Hausbesuch, um Molly zu entwurmen. Gemeinsam enträtselte man die Tätowierung. Beim deutschen Tierregister Tasso gab sich ein Mitarbeiter viel Mühe, den Halter von Molly zu finden. Erst als man eine schlecht lesbare „3“ in ein „B“ umdeutete, gelang das. Und nun konnte Romy Brandl bei einer Regensburgerin anrufen und ihr sagen, dass ihre vermisste Katze gefunden worden sei. Die fiel aus allen Wolken. „Wie lange ist Ihre Katze denn schon vermisst?“, fragte Romy Brandl und als sie die Antwort hörte, war auch sie platt: „Fünf Jahre!“

Als die Besitzerin am Dienstag kam, erfuhr Romy Brandl, dass ihre Ziehkatze Molly in Wahrheit ein siebeneinhalbjähriger Kater namens Woodstock ist. Woodstock schnaubte zweimal, erkannte seine Besitzerin sofort, legte sich auf den Rücken und ließ sich den Bauch streicheln. Dann marschierte er zur Heimfahrt brav ins Körbchen.

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Beim Abschied von Molly alias Woodstock war Romy Brandl schon schwer ums Herz. „Ich war halt nur der Dosenöffner, das Adoptivfressfrauchen“, sagt sie ein wenig traurig. Wenn sich kein Besitzer gefunden hätte, hätte sie „Molly“ gerne behalten.

„Ich war halt nur der Dosenöffner, das Adoptivfressfrauchen.“Romy Brandl

Nun sitzt die Tierfreundin allein auf dem Bankerl mit dem herrlichen Blick über die Stadt. Ein Dankeschön möchte sie neben Sylvia Van der Zwan auch der Sozialen Futterstelle sagen und allen Tierbesitzern Folgendes: „Bitte, bitte, lassen Sie Ihre Katze oder Ihren Hund chippen oder tätowieren und melden Sie sich dann beim Tierregister Tasso an!“ Und allen anderen Menschen möchte sie ans Herz legen: „Bitte gehen Sie nicht achtlos an einem Tier vorbei, das vielleicht Ihre Hilfe braucht.“

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