Klausur der Landtagsfraktion
FDP liefert „Regensburger Freiheitsthesen“ zur Trennung von Kirche und Staat

22.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:36 Uhr
Kämpfen für eine klare Trennung von Kirche und Staat: Matthias Fischbach, kirchenpolitischer Sprecher der FDP, und Fraktionschef und Landesparteichef Martin Hagen (von links). −Foto: Schröpf

Mit „Regensburger Freiheitsthesen“ will die FDP-Landtagsfraktion die Trennung von Kirche und Staat auf den Weg bringen. „Ein heißes Eisen“, sagte Fraktionschef und Landesparteichef Martin Hagen am Donnerstag zum Abschluss der Klausur in Regensburg.



„Die Zeit ist reif“, ergänzte der kirchenpolitische Sprecher Matthias Fischbach. Auf neun Feldern setzt man den Hebel an – vom Konkordat bis zum Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen – klammerte vorerst nur die Kirchensteuer aus. Auch an CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder gab es eine Botschaft. Der „Kreuzerlass“ soll weg, der das Anbringen des kirchlichen Symbols im Eingangsbereich von Behörden regelt. Als Gastreferent debattierte Dr. Wolfgang Rothe, katholischer Pfarrvikar aus München-Perlach, mit den Liberalen. Bei der Pressekonferenz am Mittag sprach er von einer „überwältigenden Mehrheit“ der Kirchenmitglieder, die auf Reformen drängten und bedauerte jüngste Widerstände der Bischöfe gegen den synodalen Weg. „Auch hier ist so ein Bollwerk des Widerstands“, sagte er auf den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer gemünzt.

Millionensummen in Bayern

Bisher gibt es via Staatskirchenvertrag starke auch finanzielle Verflechtungen zwischen Kirche und Staat. Das so genannte Konkordat gründet im Freistaat auf der Säkularisation des kirchlichen Besitzes Anfang des 19. Jahrhunderts und sollte die damaligen Verluste für die Kirche dauerhaft abgelten. Das wirkt bis heute nach: Rund 77 Millionen Euro zahle der Freistaat aktuell pro Jahr an die katholische Kirche, davon allein 46 Millionen Euro für die Besoldung von Seelsorgegeistlichen, sagte Fischbach. Bei der evangelischen Kirche summierten sich die Überweisungen auf insgesamt 26 Millionen Euro. Hinzu kämen allein in diesem Jahr staatliche Investitionen in Höhe von etwa 30 Millionen Euro in kirchliche Gebäude.

„Angesichts des Gesellschaftsanteils der Kirchenmitglieder von mittlerweile unter zwei Dritteln zeigt sich hier eine fehlende staatliche Neutralität“, heißt es im FDP-Positionspapier. Die Staatskirchenleistungen sollen geprüft und „baldmöglichst“ abgelöst werden. Die Fraktion setzt sich zudem dafür ein, dass statt dem konfessionell getrennten Religionsunterricht ein Dialogunterricht zu Religions- und Weltanschauungsfragen „in angemessen Umfang“ etabliert wird. Das bisherige Modell hat sich aus Sicht der FDP überholt, weil es immer mehr Schülerinnen und Schüler gebe, die keiner oder einer anderen Konfession angehörten. Optionen wollen die Liberalen im Dialog mit den Kirchen sowie bei einem breit angelegten Schulversuch ausloten.

Defizite bei Aufklärung

Im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen in der Kirche fordert die FDP ein schärferes Vorgehen der Staatsanwaltschaften. Fischbach bescheinigte einzelnen Strafverfolgungsbehörden in der Vergangenheit eine „erkennbare Zurückhaltung“. Für die Liberalen besteht kein Anlass zu einer Sonderbehandlung der Kirche, das Kirchenrecht stelle keine Alternative zu strafrechtlichen Sanktionen dar. Ergänzend soll eine unabhängige Anlaufstelle für Missbrauchsopfer eingerichtet werden, die auch über mögliche rechtliche Schritte und Schadenersatzansprüche berät.

Die „Regensburger Thesen“ erhalten zudem einen Passus zum Arbeitsrecht, mit dem die FDP die „Diskriminierung“ von über 200000 Laien beenden will, die bei den Kirchen in Bayern etwa in sozialen Einrichtungen beschäftigt sind. Für sie gilt das kirchliche Arbeitsrecht, das Sonderbestimmungen mit sich bringt. Es sei nicht hinzunehmen, dass Kirchen-Laien wegen ihrer sexuellen Orientierung oder einer erneuten Eheschließung ihren Job verlieren könnten, heißt es im Papier. Das ist auch dem Oberpfälzer Landtagsabgeordneten Christoph Skutella sehr wichtig. „Die Kirche kann sich aus unseren Gesetzen nicht herausnehmen, auch im Arbeitsrecht nicht.“ Die Regensburger Thesen betrachtet er insgesamt als wichtigen Hebel für nötige Veränderungen, „Nachdem sich die Kirche mit einer inneren Reform schwer tut, ist es gut, dass wir zumindest von unserer Seite klare Kante zur Trennung von Kirche und Staat zeigen.“

Fischbach sieht realistische Chancen, bestehende Vereinbarungen mit den Kirchen aufzuschnüren. Die Ampel-Regierung in Berlin habe sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass der Bund dafür die grundsätzlichen Voraussetzungen schafft, damit die Bundesländer im nächsten Schritt Neuregelungen anpacken. Er hoffe, dass die Koalition in ein bis zwei Jahren liefern werde und Bayern auf „Querschüsse“ verzichte. Die Trennung von Kirche und Staat ist Dauerthema der Liberalen. Fischbach hatte sich schon 2010 als Junger Liberaler bei einem Parteitag in Kulmbach vehement dafür eingesetzt.