Umwelt
Fischotter frisst den Oberpfälzer Teichwirten die Karpfen weg

28.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:19 Uhr
Ein beträchtlicher Teil der deutschen Karpfenproduktion kommt aus der Oberpfalz und Franken. Doch der Fischotter frisst Teichwirten Gewinne weg. Viele denken nach Verbandsangaben ans Aufhören. −Foto: dpa

Wenn in den Fischweihern im Sommer keine Ente schnattert und keine Kröte quakt, weiß Johann Schießl, was die Stunde geschlagen hat: „Dann ist der Otter vor Ort“, sagt er.



Der Marder wildert dann mit großem Appetit auch in den Karpfenbeständen des Familienbetriebs im Landkreis Schwandorf. Die Stille am Wasser ist also Alarmsignal. Bayernweit sind die Schäden immens. Da der Fischotter EU-weit geschützt ist und grundsätzlich nicht gejagt werden darf, hat er freie Bahn. Er frisst Ware weg, die sonst bundesweit gut verkauft werden könnte. Die Nachfrage wäre groß. Der Schaden allein für den Fischerhof Schießl? Der 75 Jahre alte Seniorchef schätzt ihn allein für 2022 auf zwischen 20.000 und 25.000 Euro.

Kein Datum für VGH-Urteil

An die 650 der kleinen Fresser dürften sich nach Expertenschätzungen derzeit in Ostbayern tummeln. Echte Hilfe für die Teichwirte ist nicht in Sicht. Beste Lösung wäre aus Sicht der Betroffenen ein deutliches Eindämmen der Fischotter-Population durch „Entnahme“. Das Wort ummäntelt, dass es ums Töten geht. Denn in welche anderen Teiche sollte man das Problem verlagern? Doch bisher gibt es nicht einmal grünes Licht für ein Oberpfälzer Pilotprojekt zur Entnahme von insgesamt maximal sechs Tieren aus ausgesuchten Zonen in den Landkreisen Cham, Schwandorf und Tirschenreuth. Der Bund Naturschutz hat eine Genehmigung der Bezirksregierung per Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg gestoppt. Nun ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Zug. Aus der dortigen Pressestelle heißt es: „Ein konkreter Entscheidungszeitpunkt ist derzeit nicht absehbar.“

Rund 3500 Teichwirte im Voll- oder Nebenerwerb gibt es in der Oberpfalz. Noch, sagt Hans Holler, Präsident des Oberpfälzer Fischereiverbandes. Viele denken nach seinen Worten darüber nach, die Teiche zuzuschütten und aufzugeben. Auch Anglervereine treibe der Fischotter in Existenznot. „Wenn es keine Fische mehr im Wasser gibt, dann gibt es auch nichts zum Angeln“, sagt Holler. Der Fischotter gefährde auch andere vom Aussterben bedrohte Fischarten in den Flüssen und Bächen.

In der Oberpfalz findet der Marder jedenfalls mit rund 14.000 Teichen und rund 10.000 Hektar Wasserfläche nahezu paradiesische Bedingungen. Der Freistaat zahlt für den Bau von Schutzzäunen maximal 50 Prozent dazu. „Aber man sieht allein am Umfang der Wasserflächen, dass eine Einzäunung schwierig ist“, sagt Holler. Es sei auch gar nicht überall möglich, einen Zaun zu bauen. „Im Grunde wäre es nur ein Verlagern des Problems: Der eine kann sich schützen, der andere nicht.“ Ähnlich skeptisch betrachtet Holler die maximal 50-Prozent-Ausgleichszahlungen, mit denen Teichwirte in Bayern für den Otterfraß entschädigt werden. Das packe das Problem nicht an der Wurzel.

Kapitulieren die Teichwirte sieht Holler ein Kulturgut bedroht – und nebenbei auch den Karpfennachschub in deutschen Küchen. „Aus Franken und der Oberpfalz kommt rund die Hälfte der Speisekarpfen-Produktion in Deutschland.“

Rückhalt gibt es aus der Politik – parteiübergreifend kann man sich als schnelle Lösung mit einer „Entnahme“ der Otter anfreunden. „Der Fischotter ruiniert in bedrohlichster Weise die Teichwirtschaft“, sagt der CSU-Europaabgeordnete Christian Doleschal. Der Otterschutz ist in der FFH-Richtlinie der EU festgeschrieben und im Bundesnaturschutzgesetz konkretisiert. In Gegenden, wo das Tier nicht vom Aussterben bedroht ist, hält Doleschal Lockerungen für richtig und will sich auf EU-Ebene dafür einsetzen. „Aber es sind dicke Bretter, die da gebohrt werden müssen.“ CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer, der kürzlich mit einer Delegation den Fischerhof Schießl im Landkreis Schwandorf besuchte, sieht ebenfalls Gefahr im Verzug. Jeder Otter vertilge im Schnitt ein Kilo Fisch pro Tag. „Wenn statt 6000 nur mehr 1000 Karpfen im Teich sind, ist es nicht mehr wirtschaftlich.“ Es könne kein Dauerzustand sein, dass Teichwirte mit Entschädigungszahlungen eben mal knapp über die Runden kommen.

Naturschützer bleiben hart

„Die Teichwirtschaft gehört zu Bayern“, bekräftigt der Regensburger Grünen-Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol. Sie habe auch große Bedeutung für Wasserrückhalt und Artenvielfalt. Mistol hofft, dass das Otter-Pilotprojekt nach dem VGH-Urteil doch an den Start gehen kann und entscheidende Erkenntnisse bringt. Der FDP-Landtagsabgeordnete Christoph Skutella drängt ebenfalls auf die Pilotprojekte. „Wie die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, bieten sowohl Vergrämungsmaßnahmen als auch die Einzäunung der Teiche keinen ausreichenden Schutz vor dem Fischotter.“

Der Bund Naturschutz hält am Otterschutz fest: Ein Pilotprojekt würde nur sehr kurzfristig Wirkung zeigen, „weil Fischotter Revier-Tiere sind und nach der Entnahme eines Männchens an einer Stelle recht schnell ein revierloses Tier in diese Lücke hineingeht“, sagt Christine Margraf. Sie fürchtet den Wiedereinstieg in einen Abschuss der Tiere, der schon einmal zu einer Beinahe-Ausrottung geführt habe. Margraf verweist auf noch immer viele Gebiete in Deutschland ohne Otterpopulation. „Wenn in der Oberpfalz zu viele Fischotter geschossen werden wird auch keiner mehr dorthin abwandern.“

Für Holler ist das kein Argument. „Bis deutschlandweit überall Otter sind, gibt es bei uns keine Fische mehr.“

Fischerei

Oberpfalz:Im Regierungsbezirk gibt es nach Angaben des Fischereiverbands rund 3500 Teichwirte, die ihren Job im Haupt- oder Nebenerwerb betreiben. Hinzu kommen noch rund 40.000 Angler – rund 19.000 davon sind in Vereinen organisiert.

Karpfenland:Die Oberpfalz und Franken liefern nach Angaben von Fischereipräsident Holler rund die Hälfte der deutschen Speisekarpfen-Produktion.