Gastronomie
Freisitze: Ein Runder Tisch und eine OB ohne Reue

08.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:30 Uhr
Die Freisitze vor dem früheren Tabak Götz, dem heutigen Coffee Fellows, waren bisher nicht dort. Ob sie bleiben dürfen, ist ungewiss. −Foto: Eckl

Die Freisitz-Debatte in Regensburg geht in die entscheidende Runde. Kurz vor Anhörung der betroffenen Wirte, der Wirtschaft und der Anwohner-Vertreter äußert sich das Stadtoberhaupt erstmals. Auch eine Drohung an die CSU steht im Raum.

Der Ärger war riesig in der Rathaus-Koalition. Ein durchgestochener Entwurf zur neuenFreisitz-Satzung in der Nach-Pandemie-Äraerhitzte die Gemüter. Stinkig waren beispielsweise Bürgermeister Ludwig Artinger (Freie Wähler), aber auch FDP-Fraktionschef Horst Meierhofer auf die CSU: „Da wird jetzt so getan, als wäre man der Retter der Freisitze“, schimpfte Meierhofer gegenüber der MZ.



Artinger sah das ähnlich: „Die Rathaus-Koalition hat es doch überhaupt erst möglich gemacht, dass es jetzt bunt ist auf den Freiflächen.“ Die Einfarbigkeit sei doch unter der letzten CSU-Regierung eingeführt worden. In der Tat sprach man in der Gastronomie damals vom Stuhlmodell Regensburg, da sich einige Hersteller auf die vom damaligen Oberbürgermeister Hans Schaidinger gewünschten Modelle spezialisierten.

Bewegung in der Debatte

Fest steht: Es ist Bewegung in der Debatte. Diesen Freitag trifft sich der Runde Tisch am Abend, um über die neuen Regelungen zu sprechen. Dabei dürften einige Punkte debattiert werden, die im bislang vorliegenden Referentenentwurf aus derFeder von Finanzreferent Georg Barfußbekannt geworden sind: Beispielsweise das Verbot von Freisitzen in Grünanlagen der Stadt. Betroffen wäre davon derzeit allein der Biergarten Unter den Linden im Stadtpark. Dort hat die Stadt aufgrund der Pandemie die Freisitz-Flächen verdoppelt, von ehemals 180 auf 360 Sitze derzeit.

Auch die Gestaltung wird heiß debattiert. Denn der bislang vorliegende Entwurf sieht derzeit lediglich zwei unterschiedliche erlaubte Stuhl- und Schirmmodelle vor. Allerdings beinhaltet die Satzung auch eine Ausnahme-Regelung, andersfarbige Möbel müssten aber genehmigt werden.

Freisitze auf Plätzen werden zudem wieder eingeschränkt, die Vorlage listet etwa den Kohlenmarkt, den Neupfarrplatz und den Haidplatz auf. Nicht erwähnt wird der Kornmarkt, wohl auch deshalb, weil die erweiterten Freisitze dort auf früheren Parkplätzen stehen und derzeit mit der Sanierung des Römerturms beispielsweise das La Chapelle ohnehin unter Baustellenlärm leidet.

Die Parkplatzflächen, die weggefallen sind, sollen nämlich Freisitze bleiben. Dort, wo sie auf der Straße stehen, soll die Umzäunung aber auf 80 Zentimeter beschränkt werden, zumindest stand das im Referentenentwurf. Das würde beispielsweise die Obermünsterstraße betreffen, wo sich die Schnellimbisse mit zumeist selbst gebauten Palllettenlösungen ein bisschen Berliner Flair in die Straße holten.

Bislang nicht geäußert zu der Debatte hatte sich, trotz Anfrage der MZ, Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Das hat sich jetzt geändert. Im Vorgriff auf den Runden Tisch am Freitagabend äußert sich die SPD-Politikerin jetzt erstmals über die Regelungen, die kommendes Jahr greifen sollen.

„Dass das Thema Freisitze viele Menschen bewegt und ganz unterschiedlich diskutiert wird, ist mir bewusst. Gerade aus diesem Grund habe ich die Verwaltung beauftragt, einen Entwurf für neue Regelungen zu erarbeiten, damit wir eine Arbeitsgrundlage für weitere Abstimmungen haben“, sagte die SPD-Politikerin auf Anfrage der MZ. „Ziel war und ist es, dass wir nicht auf den Status zurückgehen wollen, der vor der Pandemie galt. Dafür war das positive Echo in der Öffentlichkeit viel zu groß – und auch ich persönlich halte es für absolut sinnvoll, so viele Freisitze wie möglich zu erhalten.“

Doch gleichzeitig machte Maltz-Schwarzfischer klar, dass es sich bei den gelockerten Regeln bei den Freisitzen um eine Ausnahme handelte – und die Vorteile für die Gastronomie nach ihrem Willen nicht vollständig erhalten bleiben sollen. „Zu Beginn der Pandemie war es uns wichtig, die durch Corona und Lockdown schwer gebeutelte Gastronomie unbürokratisch zu unterstützen“, sagte die SPD-Politikerin. „Doch wir haben auch deutlich gesagt, dass diese Zugeständnisse nicht alle so bleiben können.“ Die Stadt brauche ihrer Ansicht nach „ebenfalls Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang, ein Angebot an Parkplätzen und freie Flächen für Veranstaltungen und Feste“.

Denkmalschutz überwiegt

Auch übergeordneten Aspekten wie etwa dem Denkmalschutz sowie dem Regensburger Welterbe sei gebührend Rechnung zu tragen, „auch im Hinblick auf die Freisitzgestaltung und das Freisitz-Mobiliar“, erläuterte die Oberbürgermeisterin ihre Sicht.

Damit machte Maltz-Schwarzfischer noch vor dem Treffendes Runden Tisches klar, was sie auch in den Verhandlungen innerhalb der Koalition bereits betont hatte. Teilnehmern zufolge bezog sich das Stadtoberhaupt auf das Welterbe Regensburg als „Steinerne Stadt“. Zudem argumentierte sie, wenn sich die Koalition nicht einigen werde, dann würde die derzeit geltende Satzung mit den größtmöglichen Freiheiten für die Gastronomen nämlich auslaufen. Damit würde aber einfach die alte Satzung aus der Vor-Corona-Zeit wieder gelten.

Das würde bedeuten, dass auch die hinzugekommenen Freisitze wie etwa in der Wahlenstraße oder entlang der Gesandtenstraße, aber auch auf dem Kornmarkt wegfallen würden. Die CSU, die sich vorwiegend gegen den derzeit vorliegenden Referentenentwurf wendet, sollte mit diesem Argument offensichtlich in Zaum gehalten werden. Ohne Einigung wäre es nämlich unwahrscheinlich, dass die geänderte Satzung überhaupt zur Abstimmung gebracht würde.

Ob sie dabei beim Runden Tisch auf Gegenliebe der Gastronomen stößt, ist offen. Für den Hotel- und Gaststättenverband ist der neue Sprecher Anton Sperger, Wirt im Spitalgarten, mit dabei. Auch die Industrie- und Handelskammer hat einen Sitz.

Die Beschlussvorlage mit geänderter Satzung, die dann ab der Saison 2023 gelten soll, wird nach Angaben der Stadt nach der Sommerpause dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden. In der Koalition herrscht, siehe oben, allerdings noch viel Diskussionsbedarf.