Café
Gebäck mit Patent vom „Orlando di Lasso“

Das Kaffeehaus war das erste Altstadtlokal in Regensburg mit Freisitz. Seit 100 Jahren hält es eine besondere Kultur hoch.

14.11.2017 | Stand 16.09.2023, 6:23 Uhr

Ein historisches Foto von 1909 zeigt die Anfänge des Orlando als Weinlokal Foto: Fuchs

Als Religionslehrer Josef Braun vom Pindl-Gymnasium vor 15 Jahren mit seiner Klasse auf der Suche nach einem besonderen Gebäck für Pfingsten war, überzeugte ihn Michael Fuchs mit seiner Idee. Unter den eingereichten Vorschlägen der Regensburger Zuckerbäcker erhielten seine Pfingstzungen aus rot glasiertem Brandteig mit Vanillecremefüllung den Zuschlag. Sie sind mittlerweile überregional bekannt und patentiert.

Das „Orlando“ selbst ist heute zu einer der wenigen Oase geworden für alle, die der alten Kaffeehauskultur nachtrauern. Denn der allgemeine Trend ist unübersehbar: In Regensburg wie auch anderswo werden die inhabergeführten Traditionsgeschäfte immer mehr von überregionalen Ketten verdrängt. Dies gilt auch für die Kaffeehäuser, von denen die wenigsten noch eine eigene Konditorei betreiben. Erst vor knapp einem Jahr schloss das einst für seine klassischen Torten bekannte Café Prock am Kohlenmarkt und wurde durch die Filiale einer Food-Kette ersetzt.

Die Hälfte sind Stammgäste

Im „Orlando“ trifft man Vertreter aus allen Bevölkerungsschichten. Etwa die Hälfte der Besucher sind Stammgäste, der Rest Touristen aus aller Welt. Viele schätzen das Café und die große, vorgelagerte Sonnenterrasse wegen der Aussicht auf die beeindruckende Platzarchitektur des Alten Kornmarkts. Gegenüber liegt der imposante, langgestreckte Bau der Alten Kapelle, hinter dessen Mauern sich die Pracht süddeutschen Rokokos verbirgt, links ragt die italienisch-hochbarocke Karmelitenkirche und rechts der mittelalterliche Herzogshof empor. Der Sitzbereich im Erdgeschoss des Cafés wurde 2014 erneuert, doch die Ladentheke – ein Original aus dem Jahr 1963 – blieb erhalten.

Den Wochenmarkt im Blick

Im ersten Stock ist die Einrichtung der Räume vom Stil der 1980er-Jahre geprägt. Durch die großflächige Verglasung der Südseite hat man das Straßengeschehen und den Wochenmarkt im Blick. Nicht nur die Senioren, sondern auch die Studenten und Frauenrunden, die man hier antrifft, wählen oft statt Cappuccino oder Latte Macchiato wieder Filterkaffee, die klassische Begleitung zu Kirschkuchen oder Schokoladentorte, die hier auch ins Retro-Ambiente passt.

Die Anfänge des „Orlando“ reichen bis in die Frühzeit des Deutschen Kaiserreiches zurück. Das Café ist Nachfolger des ersten italienischen Lokals, das es in der Domstadt nachweislich gab. Ab 1876 betrieb der Weinhändler Francesco Piazzi in diesem Anwesen eine Taverne. Laut einer Annonce im Regensburger Adressbuch aus dem Jahr 1881 führte er „die feinsten Vesuv-Weine, Lacrima Christi, Capri, Salerno, etc., sowie Marsala, vorzüglichen Magenwein“ und besaß daneben noch eine weitere Gastronomie in München.

Vor der Eröffnung hatte er das Gebäude in Regensburg modernisieren und aufstocken lassen. Als er sich nach zehn Jahren aus dem Geschäft zurückzog, übernahm ein einheimischer Wirt die „Wein- und Bierstube Orlando di Lasso“. Sie trägt den Namen des berühmten Komponisten. Den Platz hat man 1883 nach dem siegreichen preußischen Generalfeldmarschall Graf von Moltke benannt. Erst 1930 wurde dann die Bezeichnung Alter Kornmarkt gebräuchlich.

Die Schänke konnte schon in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg mit einer Besonderheit aufwarten. Nach Plänen des Regensburger Architekten Albert Reiß wurde das Haus nämlich 1909 an der Südseite zum Platz hin durch eine zweistöckige Laube erweitert, die– von Wein umrankt – lauschige Sitzplätze bot. Abgesehen von der Wurstkuchl an der Donau war es das erste Lokal mit Freisitz im Zentrum der Stadt. Es gehört damit zweifellos zu den Pionieren, die den Ruf Regensburgs als „nördlichste Stadt Italiens“ begründeten. 1917 erwarb der Urgroßvater des heutigen Besitzers das Anwesen. In den ersten Jahrzehnten betrieben Maria und Gustl Fuchs das Haus weiter als Wein- und Bierstube.

1952 richteten sie im 1. Stock erstmals ein „Terrassencafé“ ein. Ihr Sohn August verschrieb sich dann ganz dem süßen Handwerk und wurde Konditormeister. Er und seine Frau Monika bauten das Café 1963 zum heutigen Erscheinungsbild um. Sohn Michael trat in die Fußstapfen des Vaters, legte 1991 in Heidelberg als Bester seines Lehrgangs die Meisterprüfung ab und führt zusammen mit Ehefrau Petra nun seit zwanzig Jahren das „Orlando“. Auf die Frage, was ihn dabei antreibt, meint er nur: „Wir wollen ehrliche Qualität liefern ohne viel Drumherum, einfach bloß guat“. Mit diesem Vorsatz wird er sich hoffentlich noch länger gegen den Mainstream behaupten können.

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