Razzia
Großer Schlag gegen die Pädophilen-Szene

Immer öfter wird Kinderpornografie offen getauscht – auch in der Region. Ermittler und Politik sehen großen Handlungsbedarf.

26.01.2022 | Stand 15.09.2023, 21:29 Uhr
Nicht nur im Darknet, sondern in frei zugänglichen Plattformen blüht der Tausch von Kinderpornografie. Nun schlugen Ermittler in ganz Bayern zu. −Foto: Lisa Forster/picture alliance/dpa

Bei einer Kinderporno-Razzia hat die Polizei am Dienstag in ganz Bayern 50 Wohnungen und Häuser durchsucht – auch in Regensburg, im Raum Neumarkt und Tirschenreuth. Im Fokus von „Operation Weckruf“ standen 55 Beschuldigte, bei denen 928 Datenträger und Geräte beschlagnahmt wurden. Es geht um kinderpornografisches Material, das „jede Vorstellungskraft sprengt“, wie Oberstaatsanwalt Thomas Goger sagte.

23 der 55 Verdächtigen zwischen 18 bis 73 Jahren waren laut dem Leiter des erst im Herbst 2020 neu geschaffene Zentrums zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet (ZKI) „noch an Ort und Stelle“ geständig. Ein Augenmerk der Razzia lag demnach auf dem Austausch von „härtestem kinderpornografischen Material“ über Downloadportale oder Filesharing-Dienste im frei zugänglichen Internet. In 30 aktuellen Verfahren waren das so.

Auch Spezialkräfte im Einsatz

Ein Drittel der Tatverdächtigen ist jünger als 30. Sechs Beschuldigte gab es in Niederbayern sowie drei in der Oberpfalz. Aus sechs Oberfranken stammten ebenfalls sechs, elf aus Mittel und sechs aus Unterfranken, sowie sechs aus Schwaben und zwölf aus Oberbayern. Bei einem Einsatz warf ein Beschuldigter laut Kriminaloberrat Dieter Hausberger vom LKA seinen Computer aus dem Badfenster. Im Raum Nürnberg rückte sogar ein Spezialeinsatzkommando (SEK) an – der Beschuldigte besaß legal Waffen, es gab aber keinerlei Probleme.

Was die Ermittler im Kampf gegen Kinderpornografie sehen müssten, wird immer brutaler. Das wurde bei einer Pressekonferenz zu „Operation Weckruf“ im Münchner Justizpalast deutlich. Die Schmerzgrenze der Täter sinke immer weiter – nicht zuletzt aufgrund der Masse und Verfügbarkeit solcher Dateien. „Das Maß an Grausamkeit, an Gewalttätigkeit können selbst langjährige Ermittler nicht ohne weiteres wegstecken“, sagte Goger. 15 der 55 Fälle zeigten schwersten und extrem gewalttätigen Missbrauch an Kleinkindern und sogar Säuglingen.

„Wer dieses Material zu Gesicht bekommen musste, bekommt es nie mehr aus dem Kopf.“Oberstaatsanwalt Thomas Goger, Leiter des ZKI

Oftmals endeten Kinderporno-Verfahren aber, bevor sie richtig beginnen: Laut Goger ist es „leider Alltag“, dass IP-Adressen keinem Täter zugeordnet werden können. Mangels Verkehrsdatenspeicherung entscheide mehr oder weniger der Zufall, ob es überhaupt Ermittlungen gebe. Wenn mit viel Mühe aus Spuren im Darknet eine Klar-IP ermittelt werden konnte, sei diese nicht mehr zuordenbar.

Nicht nur für den erfahrenen Oberstaatsanwalt ist das eine Lücke, die geschlossen werden müsse. „Das Verhältnis von Datenschutz und Kinderschutz ist etwas außer Balance.“ Auch Bayerns Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann (beide CUS) sehen bei der seit 2017 ausgesetzten Verkehrsdatenspeicherung dringenden Handlungsbedarf. „Wer solche Straftaten begeht, kann sich in Bayern niemals sicher fühlen“, betonte Eisenreich am Mittwoch.

Speicherung für „einige Monate“?

Die Speicherung solle „zeitlich und auf schwere Verbrechen beschränkt“ ermöglicht werden. Vorstellbar seien „einige Monate“. Und: „Wer das politisch nicht möchte, der verhindert Strafverfolgung“, so Eisenreich, „der verhindert in einzelnen Fällen, dass laufender Missbrauch beendet wird.“

Das massenhafte Speichern von Kommunikationsdaten ist umstritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte der allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt. Bayern Justizminister betonte, der EuGH habe bei schweren Verbrechen aber Spielräume eröffnet.

Das „Quick Freeze“-Verfahren, das Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ins Spiel brachte, sei bei Kinderpornografie „nicht einmal ein Placebo“, sagte Goger. Ermittlungen seien nur mit konkreten Daten zu Anschlussinhabern möglich, die aber oft bereits gelöscht wären. Auch bei „Operation Weckruf 2022“ hatten die Ermittler in 14 Fällen anfangs nur IP-Adressen, die aber noch zugeordnet werden konnten.