Menschen
Im Teeladen hat er sein Glück gemischt

Rick Prokein wollte Sänger und Schauspieler werden. Doch erst als sich der Regensburger umorientierte, wurde der Traum wahr.

10.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:02 Uhr
Seit 2011 ist Rick Prokein Teil der Synthie-Popband „!Distain“, die im Moment mit der Single „Gunfire“ Kurs auf die Top Ten der Alternative Charts nimmt. Im kommenden Jahr geht es auf Südamerika-Tour. −Foto: Michael Gamon/Sparklingphotos.de

Bei Rick Prokein schmeckt Glück nach Apfel und Birne. In seinem kleinen Laden „Teelust“, der vor gut einem Jahr an die Steinerne Brücke in Regensburg umgesiedelt ist, verkauft er selbst komponierte Teemischungen, die bei Liebeskummer oder Stress helfen, die aufputschen oder beruhigen und einfach nur Körper und Seele guttun – so wie der „Glücksbringer“. Auch ihm selbst hat der kleine Laden gut getan. Denn zwischen Teeblättern, getrockneten Früchten und Gewürzen hat der 42-Jährige gefunden, was er über viele Jahre hinweg rastlos gesucht hat: Erfolg in der Musikbranche.

„Das kann ich auch mit 70 machen“

„Mischen Sie denn alles noch selbst?“, fragt die Touristin mit holländischem Akzent und bestellt sich einen kühlen Eistee. Rick Prokein nickt, fragt dann, welchen Geschmack sie wünscht und reicht ihr zur Tüte noch einen Strohhalm. Dann schließt er den Laden für eine kurze Mittagspause ab. „Das kann ich auch noch machen, wenn ich 70 und tattrig bin“, sagt er über seine wenige Quadratmeter große Existenz. Vor zehn Jahren hat er nach kurzer Bedenkzeit die Chance ergriffen, den Laden, der seit 1954 in Familienbetrieb ist, von seiner Tante zu übernehmen. Es war eine Zeit, in der der Regensburger vieles in seinem Leben in Frage stellte. Vor allem die Ziele, für die er so hart kämpfte, und die doch nie in Erfüllung gingen.

Groß, athletische Figur und ein makelloses Gesicht, so wurde Rick Prokein Mitte der 1990er Jahre entdeckt. Mit Mitte 20 übernahm er eine kleine Rolle in der ARD-Soap „Marienhof“. Danach tingelte er von Casting zu Casting, mit einem von seiner Agentur „frisierten Lebenslauf“, was er aber nur engen Freunden verriet. Das Alter, das Aussehen auf Pressebildern, ja sogar Charaktereigenschaften und Vorlieben wurden dem damals in der Branche unerfahrenen Regensburger vorgegeben. Er musste sich andauernd verstellen, ein Mensch sein, der er eigentlich nicht war, sagt Rick Prokein heute. Trotzdem machte er weiter. Weil er so sehr hoffte, dass sich irgendwann sein großer Traum erfüllen würde.

Doch die Schauspielangebote blieben aus, weshalb sich Rick nun auf die Musik konzentrierte. Doch auch hier musste er ständige Höhen und Tiefen überstehen. Auf Hoffnung folgte Ernüchterung. Ein echter Charterfolg blieb aus. Rick zog nach Berlin und fing an, als Manager bei der Plattenfirma „Chrom“ zu arbeiten. Dort lernte er 2003 die Band „!Distain“ aus Augsburg kennen, die sich in der Synthie-Pop-Szene bereits einen Namen gemacht hatte. Rick Prokein, der sich selbst als großer Verehrer der britischen Musikproduzenten Stock-Aitken-Waterman bezeichnet, die in den 1980er Jahren große Hits mit Künstlern wie Rick Astley oder Samantha Fox feierten, managte die Gruppe und unterstützte sie bei Live-Auftritten an Keyboard und Percussion. Nach einem deftigen Krach, bei dem ein Musiker die Band verließ, machte sich Rick mit einem lockeren Spruch schließlich selbst zu einem Teil des Projektes. „Das bisschen Keyboard spielen und Singen kann ich auch“, sagte er zu Alexander Braun und Manfred Thomaser. Es war November 2011, als Rick seine musikalische Heimat gefunden hat. Gerade ist das neue Album „Rainbow Skies at Night“ erschienen.

In der „Mokka-Bar“ an der Brückstraße nippt Rick Prokein an seiner Cranberry-Schorle und zieht dann sein Smartphone aus der Hosentasche, um zu zeigen, was ihn schon den ganzen Vormittag bis über beide Ohren grinsen lässt. „!Distain“ wird im kommenden Frühjahr auf eine Tour durch Chile und Peru gehen. Südamerika ist neben Russland und Spanien der wichtigste Musikmarkt für die Band aus Bayern.

Mit der aktuellen Singleauskopplung „Gunfire“, in der Rick die Lead-Vocals singt, scheint „!Distain“ aber auch den deutschen Musikgeschmack voll zu treffen. Unmittelbar nach der Veröffentlichung ist die Nummer bereits auf Platz 20 der Alternative Charts eingestiegen. Und klettert derzeit weiter in Richtung Top Ten. Beim Amphi Festival in Köln spielte die Band Mitte Juli vor ausverkauftem Haus. Die Kommentare auf Facebook und Youtube klingen so, als müsste sich Rick bald weitere Verstärkung für seinen Teeladen organisieren.

Eigene Show bei „Flash Radio“

Denn da ist ja auch noch das Radio-Projekt, zu dem er vor einiger Zeit ebenfalls über einen Zufall gestoßen ist. Immer dienstags von 20 bis 22 Uhr moderiert er beim Internetkanal „Flash Radio“ die Sendung „Rick’s Radio Show“. Auch die Technik fährt er alleine. „Bei der Radioshow bin ich viel aufgeregter, dass alles klappt, als wenn ich vor tausend Leuten auf der Bühne stehe“, erzählt er.

Alles, was sich Rick Prokein immer gewünscht hatte, kam jetzt, als er nicht mehr verbissen dafür kämpfte, von ganz alleine. Manchmal muss ein Mensch erst sich selbst finden, um von anderen gefunden zu werden. Davon ist Rick Prokein inzwischen überzeugt. Dann öffnet er wieder die Tür zu seinem Teeladen. Dort, wo das Glück gemischt wird – mit Äpfeln und Birnen.