Regensburg
Kein Verständnis für sexistische Anmache

Frauen fühlten sich von Arbeitern belästigt und lösten eine breite Debatte aus. Die Reaktionen auf den Fall sind deutlich.

31.03.2021 | Stand 16.09.2023, 3:44 Uhr

Blick in die Bachgasse: Mit sexistischer Anmache an der Baustelle ist inzwischen Schluss, sagt Claus Fischer von „Haarkult“.

Für Frauen wurde der Gang durch die Obere Bachgasse zuletzt zum „Spießrutenlauf“: Passantinnen schilderten derbe Anmache von Bauarbeitern. Inzwischen ist mit den „ekligen Sprüchen“ Schluss – aber der Fall schlägt Wellen.

„Haste mal den Arsch gesehen?“ oder „Hey, hey sexy lady“: Kundinnen und Mitarbeiterinnen des Salons „Haarkult“ schilderten solche und ähnliche Belästigungen in der Bachgasse, wo eine Baufirma im Auftrag von Tiefbauamt und der Rewag Leitungen erneuert und Kanäle saniert. „Ganz klar eine Grenzüberschreitung“, wertet Andrea Erl vom Verein Frauennotruf die Sprüche.

Frauen gekränkt und verunsichert

Die Sozialpädagogin und Familientherapeutin berät Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Szenen, wie die Passantinnen sie schilderten, könnten Frauen mit Gewalterfahrung extrem triggern, kränken und verunsichern. Verbaler Sexismus komme überall vor, unabhängig von Berufsgruppen: auf der Straße, im Büro, im Privaten. „Viele Frauen machen das aber mit sich aus.“ Im Grunde gehe es um Respekt: „Es gibt offenbar immer noch Männer, die denken, sie könnten sich so was herausnehmen.“

Claus Fischer und seine Frau, die den Salon „Haarkult“ betreiben, hattendie Sache öffentlich gemacht.Die Mittelbayerische berichtete, die Baufirma entschuldigte sich in aller Form und mit den Sprüchen sei jetzt Schluss, betont Claus Fischer am Montag auf Nachfrage. Die hohe Zahl von Reaktionen hätte ihn überrascht: „Der Großteil der Kundschaft meinte: Endlich spricht das jemand an. Zwei Pfarrer, die bei uns Kunden sind, schrieben uns das sogar extra.“ Einige Männer hätten negativ reagiert und gefragt: „Wo ist denn da das Problem?“

„Die Mitarbeiterinnen haben alles richtig gemacht, die Mittelbayerische hat alles richtig gemacht“, sagt Andrea Erl vom Frauennotruf. Denn Sexismus nicht hinzunehmen, sei für die Frauen heilsam, und sexistische Vorfälle zu thematisieren, baue gesellschaftlichen Druck auf. „Nur so lässt sich etwas verändern.“

„Solchen Fällenmuss man nachgehen“, sagt auch Regina Hellwig-Schmid, Städte-Koordinatorin von „Terre des femmes – Menschenrechte für die Frau“. „Sonst bleiben Frauen beschämt und verletzt zurück und geben sich womöglich selbst die Schuld.“ Sexistische Ausfälle seien überaus verbreitet, in Regensburg nicht anders als in Frankfurt oder München. Nur wenn auch scheinbar geringfügige Übergriffe öffentlich würden, werde der Gesellschaft bewusst, was Frauen einstecken müssen. „Ansonsten wird Sexismus weiter kleingeredet, nach dem Motto: Hab′ dich nicht so.“

„Als Handwerkskammerpräsident distanziere ich mich entschieden von jeder Form von sexistischen Äußerungen und Übergriffigkeiten.“Dr. Georg Haber

Der Fall löste eine breite Debatte aus, mit Hunderten Kommentaren auf Facebook und zahlreichen Leserbriefen. Die Reaktionen sind kontrovers. Ein Leser schrieb: „Es ist deprimierend, wie man über solche tüchtigen Männer so herabwürdigend berichten kann“, eine Leserin meinte dagegen: „Ich würde mir wünschen, dass es künftig mehr solcher kritischen Beiträge geben wird, damit man sich als Frau verstanden und unterstützt fühlt.“

Dr. Georg Haber, Präsident der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz, kennt die Baufirma, die in der Bachgasse arbeitet, als „absolut vorbildliches Unternehmen mit tollen Mitarbeitern, die das Miteinander groß schreibt“. Er sasgt aber auch: „Als Handwerkskammerpräsident distanziere ich mich entschieden von jeder Form von sexistischen Äußerungen und Übergriffigkeiten. Einzelfälle kann man nie ausschließen. Falls so etwas vorkommt, muss der Chef reagieren, ganz klar“, und das sei in diesem Fall wohl ja auch so passiert.

Geschäftsfrauen wie Ulrike Koller vom Modehaus „Bella Donna“ oder Sabine Leistner, Leiterin des Weltladens „una terra“, reagierten am Montagbeim Gang durch die Bachgassedifferenziert. In einem Punkt waren sich alle einig: Für Sprüche wie geschildert haben sie keinerlei Verständnis.

Christine Kindermann von „schau hi“, dem Laden für schönes Papier, lobt die Mitarbeiter von Amt und Baufirma als ausgesprochen kooperativ und hilfsbereit, sagt aber auch: „Unschöne Worte möchte ich nicht, egal ob gegen Frau, Mann oder Kind.“ Als Frau stehe sie für Frauen ein, Diffamierungen lehne sie ab. „Wenn es Belästigungen gab, muss man das thematisieren, auch deshalb,weil es die Baustellenoch mehr als ein Jahr geben wird und es nicht sein darf, dass Frauen hier ein ungutes Gefühl haben.“ Frauen müssten lernen, sexistischen Ausfällen die Stirn zu bieten und Stärke zu zeigen. „Und man darf die Debatte nicht nach dem Schwarz-Weiß-Schema führen.“