Tourismus Kluge Unterhaltung für Regensburgs Gäste
Hunderttausende Touristen kommen jährlich zu Besuch. Die Stadtführer sind ihre Lehrmeister mit vielen Talenten.

Regensburg.Sie tragen Hüte, die mit einer Schnur zusätzlich am Kinn fixiert sind, beige Westen und beige Shorts. Die meisten von ihnen setzen auf festes Schuhwerk. Um den Hals hängen die Fotokameras. Sie folgen einer bestimmten Spur, einem Schild, das in die Höhe gehalten wird. Sie sind perfekt gekleidet für ihre Expedition. Diese führt nicht durch dicht bewachsene Urwälder, sondern durch enge Gassen. Sie sind Kreuzfahrer von der Donau auf einer Erforschungsreise durch Regensburg.
Ab spätestens Juni wird es traditionell voll in der Domstadt. Die Kreuzfahrer sind nur ein kleiner Teil der Besucher, die täglich in der historischen Altstadt unterwegs sind. Die Schiffsgäste bleiben meistens nur ein paar Stunden in Regensburg, andere machen hier länger Urlaub. Im letzten Jahr zählte die stadteigene Tourismus GmbH exakt 1 064 094 Übernachtungen – neuer Rekord.
Sie heißen Anna, Christina oder Uli. Sie kommen aus Deutschland, den Niederlanden oder auch den USA. Sie sind Touristen, die alles über die Domstadt wissen, aber dabei wenig Zeit verlieren wollen. Zu den beliebtesten Zielen der Touristen gehören die historische Altstadt und das Schloss St. Emmeram.
Im Shop beginnt die Tour
Besucher und Fans der Thurn- und Taxis-Familie können im schlosseigenen Souvenirshop einkaufen. Fürstin Gloria ist hier das Gesicht für viele Produkte – vom Honig bis zum Radiergummi ist hier alles von Adel. Und auch eine „Champagnerdusche“ wird angeboten. Laut Anleitung kann hier eine Gießkannen-Porzellan-Brause auf eine Champagnerflasche gesteckt werden, um stilsicher die Blumen vor dem Verwelken zu retten. Die fürstliche Variante der Bierdusche.

Plötzlich hallt eine Stimme durch den Shop. Ein junger Mann steht in der Mitte des Souvenirshops: Elegante Schuhe, weinrote Jeans, blaues Poloshirt, Brille, kurze blonde Haare, Dauergrinsen. Er ist Mitte zwanzig. Lucas Ostendorf stellt sich vor. Er ist hauptberuflich Student der Geschichte, nebenberuflich führt er Besuchergruppen durch das Schloss St. Emmeram. „Auf geht’s“, sagt er in bayerischer Manier, aber im norddeutschen Akzent. Seine Stimme hat die Lautstärke eines Marktschreiers, ist aber angenehm. Ostendorf weiß mit Worten umzugehen und Betonungen zu setzen. Manchmal hört er sich an wie ein Nachrichtensprecher, der vom Prompter abliest.
Die Gruppe folgt ihm. Die Führung beginnt in einem Treppenhaus. Selbst das ist beeindruckend. Überall blitzt den Gästen Marmor entgegen. Zwei Meter hohe Portraits zeigen Mitglieder der Fürstenfamilie. Sie säumen die Wege durch das Schloss. Auch in Richtung des Speisesaals. „Dieser Kronleuchter ist so schwer wie ein Kleinwagen“, sagt Ostendorf und zeigt auf das Glasungetüm über dem Esstisch.
„Dieser Kronleuchter ist so schwer wie ein Kleinwagen.“
Bei seinen Erzählungen stampft er immer wieder auf den Boden. Er sagt nicht nur, dass die Männer im schlosseigenen Wintergarten, die ein oder andere Zigarre geraucht hätten sondern tut so als würde er tatsächlich Rauchkringel blasen. „Auf geht’s“, ruft Ostendorf. Er führt die Gruppe in den Ballsaal. Fakten, witzige Anekdoten und Erklärungen – die Besucher erfahren eine Menge aus der Vergangenheit des ehemaligen Klosters St. Emmeram, das von der Familie Thurn und Taxis erst zu einem Schloss ausgebaut wurde.
Die letzte Station des Rundgangs ist der noch erhaltene Teil des ehemaligen Klosters. Einen Raum dahinter wartet schon wieder der Souvenirshop mit der Champagnerdusche. Ostendorf verabschiedet jeden Gast einzeln. In der historischen Altstadt geht es jetzt für die Touristen weiter. Es warten viele Infos, die wenig Zeit kosten sollen.
„Naaanceeey, there are hats“, nuschelt ein Mann aufgeregt mit texanischem Akzent. Er gehört zu den Kreuzfahrern und steht mitten auf dem Domplatz. Er hat seine Freunde mit den beigen Westen und Hosen für kurze Zeit verlassen. Er deutet auf einen Hutmacherladen. Doch Nancy schüttelt den Kopf und zeigt auf ein Schild, das ein paar Meter weiter in die Höhe gestreckt wird. Die beiden folgen ihm und lassen den Laden links liegen.
Regensburg ist besonders auch bei Amerikanern ein beliebtes Ziel. 20 333 Landsleute vom texanischen Hutliebhaber und seiner Nancy waren im letzten Jahr in der Domstadt über Nacht zu Gast. 835 719 Besucher kamen aus Deutschland in die Regierungshauptstadt der Oberpfalz. Die meisten ausländischen Übernachtungsgäste im Jahr 2016 stammten aus Österreich. 28 752 machten in Regensburg Urlaub.
835 719 Besucher kamen aus Deutschland in die Regierungshauptstadt der Oberpfalz. Die meisten ausländischen Übernachtungsgäste im Jahr 2016 stammten aus Österreich. 28 752 machten in Regensburg Urlaub.
Auf dem Domplatz wimmelt es von Touristengruppen. Eine Gruppe aus elf Leuten steht mittendrin – darunter Besucher aus Duisburg und Darmstadt. Sie haben sich einer historischen Stadtführung angeschlossen und lauschen den Geschichten von Rita Graf-Dallmeier. „Regensburg ist eine lebendige, aber entschleunigte Stadt“, sagt sie. Eine Aussage, die auch auf sie selbst zu trifft. Graf-Dallmeier ist inzwischen in einem Alter, in dem man sich nicht mehr aus der Ruhe bringen lässt. Sie trägt eine edle schwarz-weiße Bluse mit einer passenden schwarzen Seidenhose, gegen die heute starke Sonne schützt sie sich mit einer eckigen Sonnenbrille.
Wenn sie von der Historie Regensburgs erzählt, strahlt sie. Die Gruppe steht in dem Innenhof einer Kaufmannsburg. Einem Innenhof, wie man ihn aus Italien kennt: bewachsene Mauern, gepflasteter Boden, Schatten. „Hier könnte man doch ohne Probleme Romeo & Julia aufführen“, sagt Graf-Dallmeier.
Zwischen Gässchen und Burgen
Sie führt die Besucher durch die kleinen engen Gässchen, zeigt, wo die Römer damals gelebt haben und erklärt, warum Kaufmannsleute überhaupt eigene Burgen gebraucht hätten. 60 von diesen Burgen sind noch erhalten und gehören fest zum Stadtbild. „Regensburg war Bayerns erste Hauptstadt. Da war München noch eine Wiese“, sagt sie stolz, als die Gruppe vor dem Alten Rathaus steht. Die Domstadt hätte eine beachtliche und wichtige Rolle in der Vergangenheit gespielt. Hier seien die Mächtigen ein- und ausgegangen, sagt sie und zeigt auf das Gebäude hinter sich. „Aber dann kam ein kleiner Franzose. Das war das Ende“, flüstert sie und macht dabei einen Schmollmund. Es wirkt, als wäre sie Napoleon heute immer noch beleidigt.
Nach dem Sieg der französischen Truppen sei Regensburg nur noch ein Provinznest gewesen. „Damals als Jugendliche wollte ich hier nur noch weg“, verrät sie. Aber in den letzten Jahrzehnten sei viel passiert.
Im letzten Jahr zählte die stadteigene Tourismus GmbH exakt 1 064 094 Übernachtungen – neuer Rekord.
Heute scheint es so, als wäre sie hier glücklich. Und froh, dass sie Besuchern ihre schöne Heimat präsentieren kann. Regensburg hat sich zu einem Touristenmagneten entwickelt.
Einem Magneten, der die Gruppen in den Stadtkern und auch vor das Alte Rathaus lockt. Graf-Dallmeier hat sie schon längst gesehen. Drei Expeditionsgruppen haben sich ihren Weg von der Donau zum Rathaus gebahnt. „Schnell, schnell“, ruft Graf-Dallmeier und lotst ihre Besucher zu einem der Schattenplätze in der Nähe. „Wir sind hier die Platzhirsche.“
Die Kreuzfahrer stehen mit ihren Hüten in der Sonne.
Weitere Nachrichten aus Regensburg.
Tourist oder Einheimischer? Zeigen Sie Ihr Wissen in unserem Quiz:
Weitere Artikel aus diesem Ressort finden Sie unter Stadt Regensburg.