Durchfahrtssperre
„Konnten uns nicht einigen“: Koalition ringt weiter um Verkehrslösung am Bahnhof

06.03.2023 | Stand 15.09.2023, 1:18 Uhr
Die Brücke-Fraktion hat im Stadtrat beantragt, dass die Durchfahrtssperre vorm Hauptbahnhof wieder aufgehoben wird. −Foto: Lex

Für die Regensburger Regierungskoalition ist die Verkehrsdurchfahrt am Hauptbahnhof weiter eine Zerreißprobe. Am Donnerstag wird im Stadtrat darüber abgestimmt. Im Koalitionsausschuss am Montag wurde jedoch abermals kein endgültiger gemeinsamer Kurs gefunden.

Wie stehen die Regensburger zur Verkehrsberuhigung vorm Hauptbahnhof? Wir haben uns umgehört:



„Wir konnten uns da nicht einigen“, sagte Jürgen Eberwein, Sprecher der CSU-Fraktion, nach der Sitzung der Koalition. Das Bündnis besteht neben der CSU noch aus der SPD mit Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, den Freien Wählern, der FDP und Christian Janele (CSB).Vor zwei Wochen hatte ein Antrag der Brücke-Fraktion im Stadtrat eine Kontroverse zwischen den beiden größten Gruppen der Koalition, der CSU und der SPD, ausgelöst.Die Brücke hatte gefordert, dass das Obermünsterviertel vom Durchgangsverkehr befreit wird. Auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs sollte dieser dagegen wieder erlaubt werden.

SPD für Durchfahrtssperre

Die CSU teilte dazu mit, dass die Obermünsterstraße ihrer Meinung nach offen bleiben sollte. Beim Bahnhof unterstütze sie dagegen die Brücke. Die Position der SPD ist dagegen im Kern genau andersrum. Vor allem beim Hauptbahnhof beharrt sie darauf, dass die vom Stadtrat beschlossene und vor gut einem Jahr eingeführte Regelung keinesfalls wieder rückgängig gemacht wird.



Am Donnerstag wird der Antrag im Stadtrat behandelt. Für die Koalition war es nun also – falls sie denn wie üblich gemeinsam auftreten will – höchste Eisenbahn, ihre interne Debatte abzuschließen. Dies schaffte sie am Montag wieder nicht – zumindest für den Hauptbahnhof. „Wir werden jetzt in der Fraktion beraten, wie wir damit umgehen“, sagt Eberwein. Es gehe auch um die Frage, „ob wir als Teil der Koalition wirklich für einen Antrag aus der Opposition stimmen wollen oder nicht“.

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Horst Meierhofer von der FDP setzt nach eigener Aussage nach wie vor darauf, dass das Bündnis im Stadtrat gemeinsam stimmen wird. Seine eigene Meinung zu den beiden Verkehrsthemen will er aber „vor der Abstimmung öffentlich nicht mehr ausbreiten“.



Offensiver ist Günther Riepl von den Freien Wählern. Er erwartet nach eigener Aussage ebenfalls, dass es eine gemeinsame Haltung geben wird – und für ihn selbst gebe es da eigentlich nur eine Option. Die Sperre vorm Bahnhof wieder zu öffnen, wäre „ein verkehrstechnischer Schmarrn“, sagt er, „und das müsste auch jeder so sehen“. Falls die CSU wirklich dagegen stimmen sollte, empfiehlt er dem Koalitionspartner „sich doch die Beschlüsse anzuschauen, die die CSU einst selbst mitgetragen hat“.

Beim Obermünsterviertel soll es mehreren Mitgliedern der Koalition zufolge derweil nun auch ganz offiziell eine gemeinsame Haltung geben. Riepl sagt, dass die Koalition hier in der Sache auf die Brücke zugehen will, diese sich aber noch etwas gedulden müsse.

Verwaltung stellt Pläne vor

In der zweiten Planungsausschusssitzung des Monats werde die Verwaltung ihre Pläne für die Umgestaltung des Viertels vorstellen. Mit dieser würden sich gewisse Probleme mit dem Verkehr von selbst erledigen, glaubt Riepl: „Und dem müssen wir jetzt nicht wegen drei Wochen vorgreifen.“

Auf den Koalitionsvertrag verweist SPD-Fraktionssprecher Thomas Burger. Wenn sich das Bündnis bei einem gültigen Beschluss wie der Verkehrsregelung am Bahnhof neu positionieren wolle, brauche es eine einstimmige Entscheidung. Diese gebe es hier nicht: „Deswegen gehe ich davon aus, dass alle Mitglieder der Koalition gegen den Antrag stimmen werden.“

Die Brücke hat die beiden Verkehrsthemen in ihrem Antrag verknüpft. Es ist allerdings durchaus zu erwarten, dass über Obermünsterviertel und Hauptbahnhof letztlich getrennt abgestimmt wird. Brücke-Fraktionssprecher Joachim Wolbergs signalisiert auf jeden Fall schon die Bereitschaft dazu: „Das wäre für uns überhaupt kein Problem.“

Lesen Sie hier ein Pro&Contra zum Thema unserer beiden Redakteure Rainer Wendl und Christian Eckl:

Rainer Wendl:„Das Internet vergisst nichts, auch keine Beschlussvorlagen des Regensburger Stadtrats. Da gibt es eine aus dem Juli 2015 (!), in der steht: ,Eine Durchfahrt des Bahnhofsvorplatzes für Pkw ist ausgeschlossen.‘

Diese grundsätzliche Überlegung wurde weder von der Politik noch bei der anschließenden Bürgerbeteiligung jemals in Frage gestellt. Sie war anerkannter Bestandteil aller Planungen des künftigen Verkehrs rund um den Hauptbahnhof.

Andersrum formuliert: Diese Durchfahrt war längst vom Tisch. Weil sie ja keiner unbedingt braucht, denn der Bahnhof ist auch ohne sie bestens erschlossen. Eine attraktive, für Fußgänger und Radfahrer angenehme Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes hingegen war dringend notwendig. Dass sie mittlerweile in Angriff genommen wurde (im Gegensatz zu den meisten anderen Punkten der Planung), ist ein Segen.

Wer die Bahnhofsstraße jetzt dennoch wieder durchgängig für Autos öffnen will, beweist nur eines: Dass er in Sachen Verkehr partout nicht zum Umdenken und Umgewöhnen bereit ist – und dabei mühsam erarbeitete Planungsziele einfach ignoriert. Das ist in jeder Hinsicht rückwärtsgewandt.“

Christian Eckl:„Mir kommt die Verkehrspolitik der Stadt vor wie diese kleinen Kinder, die sich verstecken, indem sie sich die Hand vors Auge halten. Kinder glauben, dass sie dann niemand mehr sieht. Die Stadt glaubt, dass der Verkehr verschwindet, wenn man Straßen sperrt. So ein Unsinn!

Wer die Verkehrswende will, der muss alternative Angebote schaffen. Etwa die Straßen mit Leihautos wie den Earl fluten, den ich gerne nutze, der aber oft vergriffen ist.

Wer vor den Hauptbahnhof Barrikaden errichtet, hat nicht verstanden, wie vernetzt Verkehr funktioniert. Der hat auch kein Mitleid mit Senioren, für die ein paar Meter mehr zu den Taxen und den Bussen ein Problem darstellen. In Berlin hat man das rot-grüne Experiment abgestraft, das Straßen sperrte und die Menschen aufs Rad nötigen wollte. Doch im Regensburger Wolkenkuckucksheim schielt man auf eine urbane Elite. 2018 waren in Regensburg noch 79 E-Fahrzeuge zugelassen, 2022 waren es 2412. Doch auch die Zahl aller Autos stieg von 94.784 auf 97.590. Wer Straßen sperrt, obwohl immer mehr Autos unterwegs sind, ist schuld an Stau und Chaos. Ironie der Geschichte: Die Barrikaden gelten auch für E-Autos!“