Interview
Kurze Wege bei der Behandlung

Medbo eröffnete Medizinische Versorgungszentren in Regensburg und Cham. Leiter Stefan Wagner erklärt das Konzept.

12.01.2022 | Stand 15.09.2023, 21:51 Uhr
Stefan Wagner ist der Leiter der medbo MVZ. −Foto: Renate Neuhierl

Im Regensburger Donaueinkaufszentrum und in der Chamer Schulstraße betreibt die Medbo Oberpfalz zwei Medizinische Versorgungszentren. Was Patienten hier finden, erläutert Leiter Stefan Wagner.

Das neue Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) bietet neurologische und psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung an. Was ist das Verbindende zwischen diesen beiden Disziplinen?

Stefan Wagner: Ursprünglich gab es nur den medizinischen Fachbereich Nervenheilkunde. Wie der Name schon sagt, wird hier das Nervensystem als Ganzes betrachtet. Dazu gehören neben Gehirn und zentralem Nervensystem auch die peripheren Nerven. In der Psychiatrie spielt das Gehirn die alleinige Hauptrolle.

… und dann?

Die Frage, was eine Nervenkrankheit ist, hängt von vielen gesellschaftlichen Einflüssen ab. Ein Beispiel: Epilepsie-Patienten wurden vor ein paar Hundert Jahren durchaus als Heilige verehrt, die „Gesichter“ hatten – eigentlich Symptome im Zuge der Krampfanfälle. Sie sehen: Der Übergang zwischen Neurologie und Psychiatrie war und ist an vielen Stellen fließend. Und der Zeitgeist spielt auch eine Rolle bei Wahnvorstellungen, auch hier gibt es durchaus historische Trends. Als ich in den 1970er Jahren als Zivildienstleistender zum ersten Mal mit Patienten der Psychiatrie in München-Haar in Kontakt kam, gab es noch sehr viele religiöse Wahnbilder: Viele dachten, sie wären Heilige, der Papst oder Engel.

Die beiden Disziplinen sind also – zumindest in Deutschland – Geschwister …

In gewisser Hinsicht schon. Die Neurologie ist dabei eine somatische Disziplin, die sich das Gehirn als Hardware im menschlichen Organismus anschaut. Die Psychiatrie kümmert sich um die Software, könnte man sagen. Aber beide Fachbereiche haben auch enge Berührungspunkte zu anderen medizinischen Themen: Die Neurologie hat ebenso viel zum Beispiel mit der Immunologie zu tun, wo es um entzündliche Prozesse geht. Beide interessieren sich neuerdings auch für den Darm – das „Bauch-Gehirn“. Und psychische Prozesse spielen grundsätzlich in allen medizinischen Fachbereichen eine große Rolle.

Warum dann ein MVZ mit psychiatrischen-neurologischer Achse?

Aus meiner Praxistätigkeit als Neurologe in Cham kannte ich Dr. Matthias Dobmeier, der dort eine psychiatrisch-psychotherapeutische Praxis führte. Ich fühle mich grundsätzlich der medizinischen Versorgung in ländlichen Gebieten sehr verpflichtet. Als ich dann eine Praxis in Regensburg übernahm, kam uns beiden die Idee, eine überregionale Kooperation zwischen der Metropole Regensburg und der ländlichen Ost-Oberpfalz aufzubauen. Letztendlich passte diese Linie in die Strategie der medbo, die unsere überregionale Gemeinschaftspraxis Ende 2020 als MVZ übernommen hat.

Stichwort „fließende Grenze“ zwischen Neurologie und Psychiatrie …

Wir sehen hier im MVZ oft Patienten, die Symptome aufweisen, die sowohl neurologischen als auch psychiatrischen Ursprungs sein können. Zum Beispiel haben wir oft Migränepatienten. Bei manchen kommt heraus, dass sie unter gedrückter Stimmung und Schlafproblemen leiden, was die Kopfschmerzen verstärken kann. Dann ist der nächste Schritt der kurze Dienstweg rüber ins Sprechzimmer der psychiatrischen Kollegen. Oder: Die psychiatrischen Kollegen haben einen Patienten, der ein Bein nachzieht. Dann holt mich der Kollege dazu. Es kommt nicht selten vor, dass wir gleich zu zweit mit Patienten sprechen.

Ist diese Nähe der Organisationsform MVZ geschuldet?

Man kann ein MVZ auf verschiedene Arten und Weisen spielen. Ein medizinisches Versorgungszentrum ist erst einmal ein Ort, wo sich Fachärzte eine gemeinsame Infrastruktur teilen. Die räumliche Nähe macht Interaktion einfach. Wir hier im medbo MVZ nutzen unsere Interdisziplinarität konstruktiv und arbeiten Hand in Hand. Und wir haben auch eine Leitidee: Der chronische Patient wird immer vom selben Arzt, derselben Ärztin behandelt. Das schafft Bindung und Bindung schafft Vertrauen. Wir wenden sozusagen den „Hausarztmodus“ an.

Und wie steht es mit der neuen Nähe zur medbo?

Beide Seiten profitieren von der neuen Konstellation, denke ich. Kurze Wege etwa: Wir kommen schnell an stationäre Betten, wenn nötig, und können uns unkompliziert mit den Kollegen in den Kliniken austauschen.