Vorwürfe
Massive Kritik an Spielmethode in Kitas

Das Sozialministerium warnt vor Original Play. Regensburger Anbieter streicht nach TV-Bericht Kurse für das Pädagogikkonzept.

28.10.2019 | Stand 16.09.2023, 5:15 Uhr

Das bayerische Sozialministerium rät dringend von der Spielmethode Original Play ab. Foto: Christian Charisius/dpa

Erwachsene liegen eng umschlungen mit Kindern auf Turnmatten. Die einen mögen solche Szenen an Judo erinnern. Andere sehen darin viel Potenzial für unangemessenen Körperkontakt. Bei der Spielmethode Original Play kommen sich Erwachsene und Kinder sehr nahe. Sie rollen sich auf Matten, liegen ineinander verdreht, nehmen sich in die Arme. Das Spiel soll laut des in mehreren Ländern tätigen Vereins an das frühkindliche Rangeln und den Spieltrieb freilebender Tiere erinnern und Beziehungen „zwischen Individuen und Gruppen“ verbessern. Die Auskunft des bayerischen Sozialministeriums zu der Spielmethode, die derzeit gewaltig für Furore sorgt, ist deutlich. „Das so genannte Original Play hat in Kindertageseinrichtungen nichts zu suchen, weil es der Grenzüberschreitung von Erwachsenen gegenüber Kindern/Schutzbefohlenen und dem Missbrauch Tür und Tor öffnet“, teilt ein Ministeriumssprecher mit. Außerdem sei dieses Vorgehen weder theoretisch noch empirisch fundiert und entbehre somit jedweder wissenschaftlichen Grundlage. Das Ministerium rät dringend von der Anwendung der Methode Original Play ab. Gegebenenfalls behalte man sich auch aufsichtsrechtliche Schritte vor. Der Anbieter von Original-Play-Kursen bei Cordat Herzensbildung in Regensburg ließ am Montag wissen, dass Veranstaltungen, die im November geplant waren, entfallen.

Türöffner für Übergriffe?

Hintergrund ist ein Fernsehbeitrag der ARD-Sendung Kontraste, der am Donnerstag ausgestrahlt wurde und in dem Eltern aus Hamburg und Berlin schildern, dass ihre Kinder im Zusammenhang mit Original Play in Kitas sexuelle Gewalt erlebt hätten. Neben Behördenvertretern kritisieren auch Therapeuten die Methode, die der US-Amerikaner Fred Donaldson in den vergangenen vier Jahrzehnten entwickelt hat und die Kindern eine Form des achtsamen Spielens näherbringen soll. Durch Original Play werde im schlimmsten Fall „pädokriminellen“ Männern und Frauen der Zugang zu Kitas ermöglicht, sagt hingegen der Kinderpsychiater Karl-Heinz Brisch.

Wie RBB und ORF berichteten, gab es nach Kursen in Hamburg und Berlin Anzeigen von Eltern. In beiden Städten haben die Staatsanwaltschaften ermittelt. Inzwischen wurden die Verfahren allerdings eingestellt.

Regensburger Anbieter bezieht Stellung

Steve Heitzer, der in Regensburg Vorträge und Workshops zu Original Play organisiert hat, distanziert sich von der Berichterstattung und wehrt sich in einer Stellungnahme gegen die Kritik an der Methode. Was Heitzers Angebote in Regensburg betrifft, verweist der Veranstalter Cordat Herzensbildung darauf, dass sie sich ausschließlich an Familien – also Eltern zusammen mit ihren Kindern – gerichtet hätten. In Kitas oder ähnlichen Einrichtungen hätten die Seminare nicht stattgefunden. Oberste Priorität habe immer das Wohl der Kinder und die Integrität des Kindes. Heitzer schreibt: „Ich sehe es als einen notwendigen Beitrag für alle, die mit Kindern leben oder professionell arbeiten, sich über Körperlichkeit Gedanken zu machen und ihre eigene Arbeit daraufhin zu beobachten.“ Dass es Stimmen gebe, „die Berührung generell verbieten wollen oder jede Berührung kriminalisieren wollen“, mache ihm große Sorgen. Die in dem Kontraste-Beitrag aufgegriffenen Vorwürfe bezeichnet er als Verdächtigungen und Verleumdungen.

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