Interview
Preisspirale, Fachkräftenot: Diese Sorgen drücken Bezirkstagspräsident Löffler

18.01.2023 | Stand 15.09.2023, 2:01 Uhr
Franz Löffler ist seit 2008 Bezirkstagspräsident. Eine so ungewisses Jahr wie heuer hat er noch nicht erlebt. −Foto: Tino Lex

Was sich der Bezirk Oberpfalz für 2023 vorgenommen hat, ist wuchtig: Allein bei den medizinischen Einrichtungen (Medbo) werden 51 Millionen Euro in Bau, Digitalisierung, Medizintechnik und Klimaschutz investiert − trotz wirtschaftlich ungewisser Zeiten mit stark steigenden Energiepreisen und hoher Inflation.

Mangels präziser Eckdaten sei die Verabschiedung des 830-Millionen-Gesamthaushalts dieses Mal besonders herausfordernd gewesen, sagt Bezirkstagspräsident Franz Löffler. Die Teuerungsraten etwa bei Strom, Gas und Wärme seien schwer kalkulierbar. „Sollen wir jetzt mit dem Vierfachen rechnen, dem Achtfachen oder besser mit dem Zehnfachen?“, laute die Grundsatzfrage. Die Preisspirale drehe sich auch in Alten- und Pflegeheimen, wo der Bezirk bei Bewohnern mit Sozialhilfe einspringt, wenn die eigenen Mittel nicht ausreichen. Gleiches gelte bei den Hilfen für behinderte Menschen. Bund und Freistaat hätten zwar Unterstützungspakete in Aussicht gestellt. Doch wie viele der Mehrkosten damit abgefedert werden, bleibt vorerst unklar, sagt der CSU-Politiker.

Geld für Jugendpsychiatrie

Löffler ist seit 2008 Oberpfälzer Bezirkstagspräsident. 2018 war der Chamer Landrat auch an die Spitze des Bayerischen Bezirketages aufgerückt. Ein Jahr mit so vielen Unwägbarkeiten habe er bisher noch nicht erlebt. „In der Gesellschaft die soziale Balance zu erhalten, zählt zu den größten Herausforderungen“, sagt er. Ungewissheit führt in der Oberpfalz allerdings nicht zum Stillstand. Das ist schon an der Zahl der Bauprojekte abzulesen. Nur wenige Maßnahmen, wie etwa das geplante Großgerätedepot für das Freilandmuseum Neusath-Perschen mit geschätzten Kosten von 4,6 Millionen Euro werden aufgeschoben. Dort sollen etwa historische Traktoren sicher verwahrt werden können. „Das werden wir nicht heuer, sondern erst nächstes Jahr beginnen können.“

Im Bereich der Medbo geht es dagegen nach Löfflers Angaben auf vielen Baustellen voran: Sechs Millionen Euro stellt der Bezirk heuer für die Erweiterung der Jugendpsychiatrie in Weiden bereit. Es geht um 32 neue Betten sowie sechs neue Plätze in der Tagesklinik. Das Projekt mit einem Gesamtvolumen von 30 Millionen Euro soll voraussichtlich Ende 2025 bezugsfertig sein. Das verbessere die wohnortnahe Versorgung in der Nordoberpfalz deutlich, sagt der Bezirkstagspräsident. „Wir wollen die Medizin zu den Menschen bringen, gerade in der Psychiatrie.“ Denn wenn die nächste Klinik mehr als 30 Kilometer entfernt liege, sinke die Chance, dass Angebote auch wahrgenommen werden, um 50 Prozent.

Im Bezirksklinikum Wöllershof (Landkreis Neustadt/Waldnaab) werden bereits ab kommenden Oktober in einem Ersatzneubau unter anderem 41 Betten samt physikalischen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen. Gesamtinvestition: 20 Millionen Euro. Weiteres wichtiges Puzzlestück ist Parsberg (Landkreis Neumarkt), wo im Herbst 2025 ein Neubau für Psychosomatik eröffnet werden soll – mit 25 stationären Plätzen und weiteren zehn in der Tagesklinik. Burnout und andere psychische Beeinträchtigungen könnten dort behandelt werden, sagt Löffler. Der Bedarf in diesem Bereich wachse stetig. Insgesamt 20 Millionen Euro nimmt der Bezirk dafür in die Hand, davon sechs Millionen noch in 2023.

Die Forensik – also der Maßregelvollzug für psychisch kranke Strafttäter – wird in der Oberpfalz ebenfalls deutlich vergrößert. In Parsberg wird neu gebaut, die Plätze dabei um 18 auf 84 Betten aufgestockt. Der erste Bauabschnitt soll voraussichtlich in diesem Oktober vollendet sein, der zweite dann Anfang 2026. Gesamtvolumen 51 Millionen Euro, davon 8,5 in diesem Jahr. Die Forensik am Bezirksklinikum Regensburg wird ebenso um 16 Betten erweitert. Baubeginn ist im Sommer, heuer sind dafür die ersten sechs Millionen Euro im Haushalt eingestellt. Bis zum angepeilten Fertigstellungstermin im Frühjahr 2026 wird die Maßnahme insgesamt 14 Millionen Euro kosten.

Löffler legt Wert darauf, dass die Erfolge des Bezirks ein Gemeinschaftswerk sind. Im Bezirkstag werde parteiübergreifend konstruktiv zusammengearbeitet. Das lässt sich wohl auch daran ablesen, dass Löffler 2018 zum damals dritten Mal in Folge von allen Bezirksräten als Präsident wiedergewählt worden war.

Im Bayernvergleich könne sich die Oberpfalz sehr gut behaupten, obwohl man eher zu den kleineren Bezirken zähle, sagt Löffler. Beim Ausmaß des Angebots der medizinischen Betriebe belege man trotzdem einen Platz im Mittelfeld. Im Kulturbereich steche man unter anderem bei grenzüberschreitenden Projekten heraus. Überdurchschnittlich schneide die Oberpfalz auch bei der finanziellen Förderung von Denkmalprojekten ab. „Pro Kopf gerechnet ist es mit der höchste Betrag im Freistaat.“ Löffler legt zudem Wert darauf, dass der Bezirk keine Schulden hat – auch wenn die Rücklagen mit diesem Jahr auf zwölf Millionen Euro geschrumpft sind. „Wir zahlen null Euro an Kreditzinsen.“

Am 8. Oktober werden die Karten neu gemischt. Zeitgleich mit dem Landtag wird an diesem Tag auch ein neuer Bezirkstag gewählt. Löffler ist von der CSU bereits als Chamer Direktkandidat nominiert. Es ist zu erwarten, dass er von seiner Partei zudem auf der Oberpfalz-Liste auf Platz 1 gesetzt wird. „Wenn es die Delegierten wollen. Da will ich nichts vorwegnehmen“, sagt der 61-Jährige. „Ich gehe das Ganze mit Demut an.“ Er streitet aber nicht ab, dass ihm eine Fortsetzung seiner Arbeit gut gefallen würde. „Es wäre meine vierte Amtszeit als Präsident.“

Gesperrte Betten in Pflege

Aufgaben gäbe es genug. Löffler nennt nur den Fachkräftemangel, der den Bezirk wie viele andere Institutionen und Unternehmen schwer drückt. Insbesondere in der Pflege gebe es kaum ein Heim, das derzeit wegen fehlender Mitarbeiter nicht Betten leer lassen müsse. Die Lücke werde sich auch wegen der alternden Gesellschaft weiter vergrößern, prognostiziert er.

Bayern plane, an 20 Standorten sogenannte Springer-Pools einzurichten, um auf kurzfristige Personalausfälle reagieren zu können. Damit soll künftig möglichst verhindert werden, dass Pflegekräfte an ihren freien Tagen an den Arbeitsplatz zurückgerufen werden. In der Oberpfalz seien zwei Springer-Stationen geplant, sagt Löffler. „Wo ist noch nicht fix.“ Um Engpässe grundlegend zu beseitigen, brauche es aber möglichst zügig sehr viel mehr: Ausländische Berufsabschlüsse müssten rascher anerkannt, Visa aus Drittstaaten rascher bearbeitet werden. „Wir sind auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen.“

Darum kümmert sich der Oberpfälzer Bezirkstag

Bei den Bezirken sind wichtige überörtliche Aufgaben in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung und Kultur verankert. Das reicht in der Oberpfalz vom Betrieb eigener Bezirkskliniken bis zu Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen oder finanzieller Unterstützung für Alten- und Pflegeheimbewohner. Auf dem Sektor Kultur umfasst es unter anderem Volksmusik- und Trachtenpflege, Popmusikberatung oder auch den Betrieb des bezirkseigenen Oberpfälzer Freilandmuseums.

Entscheidungen trifft der Bezirkstag, an dessen Spitze der Bezirkstagspräsident steht. Dem Gremium gehören in der Oberpfalz inklusive Überhangmandaten aktuell 18 Bezirksräte an. Auf die CSU entfallen dabei 8 Sitze, auf die Freien Wähler 3, auf Grüne, SPD und AfD je 2 Sitze, auf die FDP einer. Neuwahlen stehen am 8. Oktober gemeinsam mit den Landtagswahlen an.

Bayern umfasst insgesamt sieben Bezirke. Sie bilden – neben Gemeinden und Städten sowie Landkreisen – die dritte kommunale Ebene.