Prozessbeginn in München
Rahmen von Rubens-Gemälde beschädigt: Regensburger Klimakleber vor Gericht

04.05.2023 | Stand 27.09.2023, 9:52 Uhr

Ein Junge läuft durch die Ausstellung in der Alten Pinakothek. Dort hatten sich im August Klimaaktivisten mit den Händen beziehungsweise Fingerspitzen am Rahmen eines Gemäldes festgeklebt. −Foto: dpa

Mit Sekundenkleber haben sich Aktivisten im August am Rahmen eines wertvollen Rubens-Gemäldes festgeklebt. Mit ihrem spektakulären Vorhaben wollten sie auf das Fortschreiten des Klimawandels aufmerksam machen. Ist ihre Tat am Ende selbst eine Kunstaktion?

 



Die Darstellung von Babys, die aus den Armen ihrer Mütter geraubt und ermordet werden, stehe für den Zukunftsraub der Jugend, die Politik fahre alles gegen die Wand, sagte ein 60-Jähriger, der sich wegen der Aktion im August mit zwei anderen Männern seit Donnerstag vor dem Amtsgericht München verantworten muss. Dabei geht es um den Vorwurf der gemeinschädlichen Sachbeschädigung.

Der 60-Jährige hatte sich der Anklage zufolge gemeinsam mit dem bekannten Regensburger Klimaaktivisten Simon Lachner (25) mit den Händen beziehungsweise Fingerspitzen am Rahmen des Gemäldes festgeklebt. Das etwa zwei Mal drei Meter große Werk entstand um das Jahr 1638 und gilt als spätes Meisterwerk des flämischen Malers (1577-1640). Ein 24-Jähriger filmte die Aktion seiner Mitstreiter der Bewegung Letzte Generation, ihm wird deshalb Beihilfe vorgeworfen. Das Video veröffentlichte die Gruppe auf Twitter:

 



Kann eine Klebeaktion von Klimaaktivisten an einem Barockgemälde den Wert des Kunstwerks steigern - als historisches Zeugnis für eine Zeit des Umbruchs angesichts des Klimawandels? Es sei vorstellbar, dass der trotz Restaurierung mit Klebstoffresten beschmutzte Rahmen von künftigen Generationen als Marker eines Wendepunktes in der gesellschaftlichen Debatte zum Klimawandel gesehen werden könne, sagte einer der Verteidiger. Das könne seinen Wert erweitern. Eine Ansicht, die der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz, nicht teilt. Das sei nur ein anekdotischer Wert, der nicht dadurch steige, indem man die Klebeflecken vermarkte.

 

Schaden an Rahmen und Wand



Nach Angaben von Maaz sind die Spuren an dem rund 200 Jahre alten vergoldeten Rahmen inzwischen allenfalls für ein geschultes Auge sichtbar. Nach dem Ablösen der Hände habe man rasch mit der Restaurierung begonnen. Das gilt seinen Angaben zufolge auch für die gewebte Wandbespannung des Raumes, in dem das etwa drei mal zwei Meter große Gemälde hängt. Den Schaden bezifferte der Kunsthistoriker mit rund 38.000 Euro am Rahmen und etwa 5500 Euro an der Wandbespannung durch Spuren des Klebers. In der Anklage ist von 50,000 Euro die Rede, bei der Wandbespannung von 5000 Euro.

Die 60, 25 und 24 Jahre alten Angeklagten bedauerten, dass sie so viel Arbeit verursacht hätten. „Wir wollen keine Kunst zerstören, wir wollen keine Terroristen sein“, sagte Simon Lachner der sich mit der Hand festgeklebt hatte. 

 

Generaldirektor: „Der falsche Weg für ein richtiges Ziel“



Als Motivation nannten sie die Untätigkeit der Politik. Der Klimawandel sei bisher nicht ernst genommen worden. Das sei eine Gefahr für Frieden und Stabilität, aber auch die Kunstschätze. Auf ihren Vorschlag, die Anklage fallen zu lassen und gemeinsam die Geschehnisse in etwas Positives zu verwandeln, ließen sich weder Maaz noch die Staatsanwaltschaft ein. „Ich würde mich bereit erklären, mich auch regelmäßig immer wieder an den Rahmen zu kleben, wenn es nötig wäre“, versprach einer der Angeklagten. „Wählen Sie andere Mittel“, riet Maaz dagegen. Das Museum könne nicht der Austragungsort dafür sein. „Es ist einfach schade, dass wir jetzt hier sitzen, weil es der falsche Weg ist für ein richtiges Ziel.“

Klimaaktivisten machen mit Klebeaktionen oder Attacken auf Kunstwerke immer wieder Schlagzeilen. Der Prozess soll am 22. Mai fortgesetzt werden. Daneben drohen den Angeklagten auch Schadenersatzforderungen.

− dpa