Pandemie
Regensburger Domspatzen in Corona-Zeiten

Corona hat auch die Welt der Domspatzen vorübergehend verändert. Die Suche nach Nachwuchs ist eine große Herausforderung.

03.03.2021 | Stand 16.09.2023, 4:06 Uhr
Für die Online-Probe brauchen Chorleiter den entsprechenden technischen Aufbau. Große Chorwerke können auf diesen Weise aber nur bedingt einstudiert werden. −Foto: Weigl/Domspatzen

Corona hat auch die Regensburger Domspatzen gezwungen, in Chor, Schule und Internat neue Wege zu gehen. Lief es im März vergangenen Jahres noch etwas holprig, erhalten die Domspatzen jetzt, im zweiten Lockdown, von vielen Eltern großen Zuspruch: „Unser Sohn kann wirklich völlig selbständig und ohne unsere Hilfe arbeiten, was auch für uns eine unglaubliche Erleichterung darstellt“, sagt Ilka Meierhofer, Mutter eines Siebtklässlers.

„Unsere Jungs sitzen bereits um 8.00 Uhr jeden Morgen vorm Bildschirm und starten in den Online-Unterricht“, sagt Christine Heilmeier-Herz, Mutter von gleich zwei Domspatzen. Sie und ihr Mann arbeiten im Gesundheitswesen. Besonders für Eltern in systemrelevanten Berufen sei das eine große Unterstützung. „Wir können uns auf unseren Berufsalltag konzentrieren, weil wir wissen, dass unsere Jungs gefordert und sinnvoll beschäftigt sind“, ergänzt sie.

Fitness-Mitmachprogramm und Online-Teestunde

Am Nachmittag warten auf die Schüler regelmäßig Präfektinnen und Präfekten aus dem Internat mit ihren kreativen Online-Angeboten: vom Fitness-Mitmachprogramm über die Online-Teestunde bis hin zur individuellen Hausaufgabenbetreuung ist da alles dabei, was die Jungs benötigen. „Die Freizeitangebote des Internats halte ich nicht für selbstverständlich. Ich finde das eine großartige Team-Leistung“, lobt Christoph Zeis, Vater eines Internatsschülers der siebten Klasse. Musik in Form von Stimmbildung, Instrumentalunterricht und Chorprobe bleibt natürlich Schwerpunkt der Förderung am Nachmittag. Die Infrastruktur des Internats mit den bekannten Regeln und einer eingeübten Tagesstruktur macht vieles leichter in der Umsetzung.

„Wir haben hier alle schnell gelernt“, sagt Domkapellmeister Christian Heiß. Doch er sehnt sich, wie viele anderen auch, wieder nach Präsenzunterricht und gemeinsames Proben im Chorsaal. „Wir haben unser Hygienekonzept mit den vorgegebenen Abständen und die regelmäßigen Corona-Testungen ja bereits über Wochen erfolgreich praktiziert“, so Heiß. Ein Ausbruchsgeschehen des Corona-Virus konnte durch die regelmäßigen Gurgeltests in Zusammenarbeit mit der Kinderuniversitätsklinik St. Hedwig der Barmherzigen Brüder in Regensburg verhindert werden.

Es geht um die berufliche Existenz vieler Künstler

Nach den wertvollen Erfahrungen aus der Corona-Teststudie STACADO im vergangenen Jahr sind die Domspatzen nun weiterhin mit an Bord, wenn es um regelmäßige Pooltestungen an der Schule geht. Dies erhöhe die Sicherheit für unsere Schüler als auch für die Lehrkräfte und das gesamte Personal im Haus, so der Domkapellmeister. Sobald Präsenzunterricht wieder möglich ist, können alle Schüler und Mitarbeitenden zweimal wöchentlich bereits zuhause nach dem Aufstehen Gurgeln und die Probe dann in der Schule abgeben. Dort wird die Gurgelwasserprobe mit anderen Proben in einen „Pool“ zusammengeschüttet, der dann getestet wird. „Sollte sich darin Erbmaterial des Coronavirus befinden, können wir sofort reagieren und die Testlinge dieses Pools einzeln nachtesten lassen“, so Heiß.

Auf Dauer könne aber kein Chor nur mit Online-Proben seine Qualität halten, ist Heiß überzeugt. Für den Domkapellmeister ist freilich klar, dass die Gesundheit immer an erster Stelle stehen müsse. Er appelliert aber an die Politisch Verantwortlichen, die Kultur nicht zu lange unter den Tisch fallen zu lassen. Es gehe um die berufliche Existenz von vielen Künstlern und darum, die Kultur einer Gesellschaft nicht aufs Spiel zu setzen.

Im Chorbereich fehlen Nachwuchskräfte

Viele Kulturtreibende und Konzertveranstalter hätten sehr gute Hygienekonzepte ausgearbeitet, mindestens so gute wie im Profisport. „Für eine Gesellschaft oder Zivilisation, die sich kulturell nennt, halte ich Kunst und Kultur für sehr systemrelevant“, sagt Christian Heiß. Außerdem sei auch die heilsame Wirkung von Musik für Körper, Geist und Seele nie zu unterschätzen.

Christian Heiß weiß aus eigener Erfahrung und Expertise, wie wichtig es ist, mit Kindern und Jugendlichen frühzeitig zu singen. „Zuhause in den Familien wird immer seltener gesungen“, stellt er fest. Dieser Trend werde sich durch das Singverbot weiter verstärken. Wie im Spitzensport fehlten auch im Chorbereich die Nachwuchskräfte. Es müssten wohl ganze Sängergenerationen neu erschlossen werden. Das Werben um Nachwuchs werde durch die Corona-Beschränkungen für alle erschwert. Es fehlen die Auftritte in der Öffentlichkeit.

2021 kann ein „Wendejahr“ sein

Heiß setzt seine Hoffnung darauf, dass dieses Jahr ein „Wendejahr“ sein kann. Ihm ist auch klar, dass die herausfordernden Monate für ihn und seine beiden Chorleiter erst noch kommen. „Unseren Anspruch an Chorqualität werden wir nicht senken“, sagt er. In den kommenden Jahren haben die Regensburger Domspatzen einiges vor. Sie blicken jetzt bereits mit einem Auge ins Jahr 2025. Dann feiern die Domspatzen als einer der ältesten Knabenchöre weltweit ihr 1050. Jubiläum.

Momentan nutzen die Domspatzen ihre digitalen Kanäle so gut und kreativ es eben geht. Die Website wurde neu gebaut, die Social-Media-Kanäle werden regelmäßig bedient. „Spatzen-ZOOM“, so heißt die digitale Info-Veranstaltung, in der Chor, Gymnasium, Tagesbetreuung und Internat sich 45 Minten lang online präsentieren. Dort treffen Interessierte live und in Farbe direkt auf Domkapellmeister Christian Heiß, Schulleiterin Christine Lohse und Internatsdirektor Rainer Schinko.

„Ich glaube schon, dass wir in den vergangenen Monaten einen neuen Spirit entwickelt haben. An unserer Schule finden Jungs, die gerne singen, beste Voraussetzungen für ihre schulische und persönliche Entwicklung“, sagt Domkapellmeister Heiß aus voller Überzeugung. Er war selber von 1977 bis 1986 Domspatz und ist seit 2019 Domkapellmeister in Regensburg und damit Chef der Regensburger Domspatzen.