Pfandleihe
Ringlein, Ringlein, du musst wandern

Seit mehr als 30 Jahren leitet Andrea Weigl die Pfandleihe Regensburg. In dieser Zeit hat sie viele nette Geschichten erlebt.

04.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:31 Uhr

Andrea Weigl von der Regensburger Pfandleihe Foto: Rexhepaj

Ringlein, Ringlein, du musst wandern / von der einen Hand zur andern“: Gerade heftet Andrea Weigl einen Ring mit einem rubinroten Stein auf ein kleines Kärtchen, schreibt mit einem roten Edding „89,–“ darauf und hängt das Ganze dann ins Schaufenster unten im Eingang des Hauses Rote-Hahnen-Gasse 5. Mit einem Schlüssel schließt sie den Schaukasten ab und geht die alte Treppe des denkmalgeschützten Wohn- und Geschäftshauses wieder hinauf in den ersten Stock. Mit einem Chip öffnet sie den Durchgang, durch den sie hinter den Verkaufstresen gelangt und von dort in ihr Büro. Vier Bildschirme an der Wand – von ihr und den Mitarbeitern der Pfandleihe „Pfändi TV“ genannt – zeigen, was die Kameras aufzeichnen: Sofort stehen zwei Frauen vor dem kleinen Schaukasten und gucken sich die neuen Schmuckstücke interessiert an. „Manchmal, besonders vor Weihnachten, bilden sich regelrecht Trauben vor den beiden Schaukästen“, sagt Andrea Weigl. Ausgesuchter Schmuck zu günstigen Preisen; viele Stücke gehen, kaum präsentiert, schon über den Tresen.

95 Prozent der Pfänder werden wieder abgeholt

Was viele nicht wissen: Bei den wenigsten der im Schnäppchenfenster ausgestellten Stücke handelt es sich um nicht abgeholte Pfänder, sondern um angekauften Schmuck, zumeist aus Privatbesitz. „95 Prozent der Pfänder werden wieder abgeholt“, sagt Andrea Weigl. „Die Menschen hängen an ihren Stücken.“ Warum sie sie dennoch ins Pfandhaus bringen, um sie als Sicherheit für einen Kleinkredit zu hinterlegen, dafür gibt es verschiedenste Gründe.

Vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Unternehmer

Georg Weigl, der mit seiner Ehefrau Andrea Inhaber der Regensburger Pfandleihe ist, zählt gleich eine ganze Reihe auf: Vom Arbeitnehmer, dessen Chef es mit der pünktlichen Lohnauszahlung nicht so ernst nimmt, über den Hartz-IV-Empfänger, dessen Kühlschrank am Monatsende leerbleibt, oder den Ehemann, der die Ausgaben für seine Spieltour nach Bad Kötzting vor der Frau verheimlichen will, bis hin zum mittelständischen Unternehmer, der für seinen Betrieb schnell mal 20000 Euro braucht und dafür seine Uhrensammlung hinterlegt.

Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Pfandkreditgewerbes e.V. (ZdP) wird diese Klientel, nämlich die Kleinunternehmer, die Freiberufler, das Handwerk und der Mittelstand, für die Pfandleihhäuser immer wichtiger: „Viele Unternehmer brauchen heute schnell und nur sehr kurzzeitig Geld. Die Kreditbearbeitungszeit bei den Banken ist in solchen Fällen oft viel zu lang. Beim Pfandkredit dagegen gilt seit vorchristlicher Zeit das Prinzip Geld gegen Pfand – und zwar innerhalb von Minuten“, sagt Joachim Struck, Vorsitzender des ZdP. Und noch eine Kundengruppe wächst laut ZdP: Ausländische Mitbürger, die ohne deutschen Pass nur schwer Geld von den Banken erhielten.

Das Pfand bleibt Eigentum des Verpfänders

„Wir haben sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund, die zu uns kommen“, bestätigt Andrea Weigl. Das sei eben eines der Prinzipien der Pfandleihe: Jeder, der sich ausweisen kann und einen Wertgegenstand hinterlegt, bekommt auch sein Geld – ohne Verdienstbescheinigungen vorlegen zu müssen, ohne Schufa-Auskunft, ohne, dass er Schulden macht. Denn: Das Pfand bleibt Eigentum des Verpfänders, er haftet nur mit ihm, nicht aber mit sonstigem Vermögen oder persönlich für den Kredit. Voraussetzung für das alles, ist allerdings, dass es sich bei dem Pfand um einen echten Wertgegenstand handelt. Das zu ermitteln, wird für die Taxatoren, also Sachverständige, die Gegenstände auf ihren Wiederverkaufswert schätzen, immer schwieriger.

Andrea Weigl ist inzwischen eine Koryphäe im Schätzen von Schmuck und Uhren. „Die Chefin erkennt Falschgold oft schon mit bloßem Auge an der Farbe“, sagt Pfandleihe-Mitarbeiter Philipp Demeter. Eben sitzt der junge Mann am Prüfplatz und hält ein Diamantencollier unter eine Zehnfach-Lupe. Damit will er den sogenannten 4 C auf die Spur kommen – Carat (Karat), Colour (Farbe), Clarity (Reinheit) und Cut (Schliffgüte) sind bei der Bewertung von Diamanten ganz entscheidend. Eine kleine Elektronikbox mit angeschlossenem Kabel hilft ihm außerdem dabei: „Damit werden die Wärmeleitfähigkeit und die elektrische Leitfähigkeit des Diamanten gemessen“, erklärt Philipp Demeter. Ein echter Diamant hat die höchste Wärmeleitfähigkeit aller bekannten Materialien.

Bei Goldschmuck sind andere Proben gefragt: Auf einem kleinen Schieferstein wird beispielsweise ein Ring kurz abgerieben. Auf das am Stein haftengebliebene Gold wird sodann ein Lösungsgemisch mit Salpetersäure geträufelt, das es in verschiedenen Konzentrationen gibt: Verschwindet das Gold auch in der niedrigsten Konzentration, handelt es sich um eine Fälschung. Um auch die zunehmend raffinierteren Goldimitate zweifelsfrei auf Echtheit zu überprüfen, bilden sich die Mitarbeiter der Regensburger Pfandleihe regelmäßig weiter: in Seminaren bei der Deutschen Gemmologischen Gesellschaft in Idar-Oberstein beispielsweise, wo die Teilnehmer alles über Edelsteine, Diamanten oder Perlen lernen können.

70 bis 80 Prozent sind Stammkunden

Was sonst an Kenntnissen im Beruf des Pfandleihers nötig ist, musste sich Andrea Weigl, die 1985 das Geschäft von ihrem Vater Heinrich Eymann als damals jüngste Pfandleiherin Deutschland übernahm, selbst aneignen. Pfandleiher ist kein Ausbildungsberuf, Andrea Weigl startete mit einer abgeschlossenen kaufmännischen Lehre in den Betrieb.

Dass sie inzwischen professionelle Taxatorin ist, brachte die jahrzehntelange Erfahrung mit sich. Dass die Kunden, von denen nach ihren Angaben 70 bis 80 Prozent Stammkunden sind, immer wiederkommen, ist ihrem Händchen für die Kundenwünsche zu verdanken: „Unsere Kunden wollen nicht betüddelt werden, die brauchen kein Glaserl Champagner, wie sie’s vielleicht beim Juwelier bekommen. Die kommen, weil schon ihre Oma bei uns gekauft hat“, sagt Andrea Weigl.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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