Wachsam und analytisch: Journalist Harald Raab verfolgt kritisch das Weltgeschehen. Am 17. Dezember wird er 80 Jahre alt. Foto: altrofoto.de
Regensburg.Es muss irgendwann um die Jahrtausendwende herum gewesen sein. Harald Raab hatte den
Auftrag angenommen, über eine Ausstellung zu berichten, und ich als Neuling der Kulturredaktion
meinte, den älteren Kollegen briefen zu müssen. Also erklärte ich ihm, mit welchem
Maler er es zu tun habe. Einen Tag später las ich bei ihm, um wen es sich tatsächlich
handelte. Ich hatte zwei Künstler verwechselt. Harald Raab hatte meine Einlassungen
mit einem distanzierten „Aha“ quittiert und blieb – über alles schweigend – ganz Gentleman.
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„Schreiben ist sein Lebenelixier“, sagt seine Tochter Ulla Verdugo-Raab. Sein journalistischer
Eifer ist ungebrochen. Am Dienstag, 17. Dezember, wird Harald Raab 80 Jahre alt und
hat nichts an analytischer Kraft, Formulierungskunst, feinem Humor und streitbarem
Intellekt eingebüßt. Es sind – neben dem großen Feld der Kunst und Kultur – immer
noch die gleichen Themen, die ihn umtreiben, über die er veröffentlicht und über die
er als Experte spricht:
#Israel #und die Palästinenser, der Staat Tschechien und die Vertriebenenverbände, Antisemitismus,
#Nationalsozialismus#, Nationalismus – das sind Konfliktfelder, zu denen Harald Raab journalistisch laut
werden kann, zu denen er klar, liberal und demokratisch Position bezieht. Was ihm
wiederholt unflätige Leserbriefe vom rechten Rand und auch Vertriebenen beschert hat.
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Harald
Raab wurde als Kind mit seiner Familie aus dem Sudetenland vertrieben. Doch Revisionismus
kam ihm nie in den Sinn. Er progagierte Versöhnung.
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Durch seine frühere Ehefrau Monika, die aus einer Regensburger Theaterfamilie stammt,
kam Raab verstärkt mit Künstlern in Kontakt und wurde mit den Jahren zum Experten
für Theater, Tanz, Kunst und Literatur und schließlich als Galerist sogar zum ausgewiesenen
Förderer der Foto-Kunst. Aus dem Lokaljournalisten wurde ein herausragender Feuilletonist
und gefragter Redner bei Ausstellungseröffnungen.
#„Harald Raab, den Reporter, kenn ich seit meiner Regensburger MZ-Volontariatszeit
im Januar 1967. Ich kannte ihn erst mal jahrelang als fast ausschließlichen Gerichtsreporter,
kannte und schätze ihn“, erinnert sich Schriftsteller Eckhard Henscheid. Aus eigenen
Versuchen sei ihm vertraut gewesen, wie schwer gerade dieses journalistische Genre
zu bewältigen ist – schwer in technisch-fachlichem wie moralischem Bereich. „Meines
Wissens hat Harald Raab aber nie eine Berichtigung oder Ähnliches einrücken müssen.
Erst viel später wurde mir Raab als journalistischer Universaliker bekannt und vertraut
und abermals sehr schätzenswert; selbst wenn er hin und wieder über mich selber schrieb
– wieder fehlerlos“, sagt Henscheid.
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Raab habe seine journalistischen Kraftfelder wohl so ab 1975 erweitert, und da vor
allem für das inzwischen verblichene Wochenjournal „Die Woche“, für die Raab von der
Rathaus-Hintergrundberichterstattung bis zur Literatur- und Theaterkritik laut Henscheid
wohl fast alles ebenso kundig wie fleißig betreute. „Ja, überfleißig vor allem. Und
ich meine das nicht als verblümte Journalistenschelte, wenn ich hier der Vermutung
Ausdruck verleihe, dass Harald Raab über einige besonders kraftvolle Jahre hinweg
diese ,Woche‘ hätte alleine besorgen und mit Artikeln hätte vollschreiben können;
abermals vermutlich so gut wie immer fehler- und anstandslos.“
#Journalistischer Universaliker#
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Journalistisch hat Raab viele Ressorts beackert. „Er ist ein wahnsinnig neugieriger
Mensch, in vielen Bereichen“, sagt Tochter Ulla. „Und er ist sehr pflichtbewusst.“
Bei der 1999 eingestellten Regensburger Woche war Raab die gesellschaftspolitische
Stimme, erinnert sich der ehemalige MZ-Kulturchef Ulrich Kelber. „Er war damals das
soziale Gewissen. Er war zu Woche-Zeiten der beste Journalist in Regensburg“. Zu Beginn
habe der relativ links eingestellte Kollege ziemlich aufreißerische Geschichten geschrieben,
erzählt der frühere Woche-Redakteur Manfred Rohm. „Was mir damals sehr gefallen hat:
Wie er gegen die Bigotterie in Regensburg angeschrieben hat.“ Beispielsweise bei den
Gerichtsverfahren wegen Kuppelei.
#Ärger um Polit-Gedicht
#Aber auch in politischer Hinsicht machte sich Raab nicht nur Freunde. 1980 im Vorfeld
der Bundestagswahl mit dem Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß wurde ein Regensburger
Bürgermeister überführt, Harald Raab das politische Gedicht eines anderen Autors untergeschoben
zu haben –um den CSU-fernen, unbequemen Journalisten öffentlich zu diskreditieren.
Der Schwindel flog auf. „Die Woche“ ließ sich die Geschichte nicht entgehen.
#Staatsmänner, Künstler und Literaten – die Liste seiner Interviewpartner oder der
Prominenten, die er porträtierte, ist lang und beeindruckend: Martin Walser, Adele
Neuhauser, Ernst-Wilhelm Händler, Hildegard Hamm-Brücher, der israelische Diplomat
Shimon Stein, der tschechische Poet und Politiker
#Jiri Grusa# und der frühere tschechische Staatspräsident #Vaclav Havel# – all diese fanden in Raab einen aufmerksamen und fairen Gesprächspartner und Kritiker.
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Dass Raab noch Zeit fand, berufsbegleitend ein Journalistenstudium abzulegen, ist
bewundernswert. Aber er scheut ohnehin keine Herausforderungen. Vor rund zehn Jahren
folgte er seiner Lebensgefährtin, der Museumsdirektorin Ulrike Lorenz, von Regensburg
nach Mannheim und setzte sich auch dort als Journalist durch. Vor einem halben Jahr
erneut ein gemeinsamer Umzug, diesmal nach Weimar. Hier erschließt sich der nun 80-jährige
Autor wieder ein neues publizistisches Feld.
#Von seiner privaten Seite erzählt Harald Raab eher selten. Von seiner Liebe zu Spanien
zum Beispiel. Oder zum Tanzen. „Und mein Vater ist ein leidenschaftlicher Koch“, sagt
Ulla Verdugo-Raab. „Der Beruf ist sein Leben. Trotzdem war er immer für uns da.“ Für
seine drei Kinder und inzwischen für drei Enkel. Mit denen diskutiert er auch über
Politik. Und er schreibt weiter. Kritisch, überlegt und mit dem ihm eigenen Biss.
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