Literatur
Slowenien macht Kafka Konkurrenz

Miha Mazzini stellte seinen Roman „Du existierst nicht“ in der Regensburger Stadtbücherei vor.

14.11.2021 | Stand 15.09.2023, 23:05 Uhr
Florian Sendtner
Der slowenische Autor und Regisseur Miha Mazzini berichtete von den realen Geschehnissen, auf denen sein Buch basiert. −Foto: Florian Sendtner

Im Februar 1992, kurz nachdem sich Slowenien von Jugoslawien losgelöst hatte, löschte man über 25000 Personen, die in Slowenien lebten, aber in einer anderen jugoslawischen Teilrepublik geboren waren, aus dem Computer. Damit waren über 25000 Slowenen auf einmal keine Slowenen mehr, sie waren über Nacht illegale Immigranten geworden, die für den slowenischen Staat nicht mehr existierten, über keinen Wohnsitz und keine Krankenversicherung verfügten.

Die meisten von ihnen merkten das erst, als sie mit den Behörden in Kontakt kamen. Zum Beispiel wenn eine Frau zur Entbindung ins Krankenhaus ging und bei der Aufnahme erfuhr, dass es sie nicht gab. Und wen es nicht gibt, der ist natürlich auch nicht krankenversichert. So beginnt der Roman „Du existierst nicht“ von Miha Mazzini, dessen deutsche Übersetzung soeben in der Edition Converso erschienen ist (312 Seiten, 23 Euro). Der slowenische Bestsellerautor stellte am Freitag die deutsche Ausgabe seines 2014 auf Slowenisch erschienenen Romans vor – Deutschlandpremiere in der Regensburger Stadtbücherei und eine exquisite Nachlese zur Europawoche des Ost-West-Zentrums der Uni Regensburg, die im Mai unter dem Titel „Kennen Sie Slowenien?“ stattfand.

Zala Jovanovi denkt, sie kennt Slowenien. Schließlich lebt sie schon immer hier. Aber sie soll Slowenien erst kennenlernen. Die (fiktive) Heldin des ungemein spannenden Romans, die im Krankenhaus um die Ecke ihren Sohn zur Welt bringt, denkt sich zuerst nichts, als der Computer sie bei der Aufnahme nicht findet. Doch dann entwickelt sich ein kafkaesker Alptraum. Denn einer Frau, die nicht existiert, kann man doch nicht ihr Neugeborenes anvertrauen...

Im Gespräch mit dem Slowenisch-Lektor Slavo Šerc berichtete Miha Mazzini von den realen Geschehnissen, auf denen sein Roman basiert. Erst 1999 erklärte das slowenische Verfassungsgericht die Auslöschung für verfassungswidrig. Doch auch dann – passierte gar nichts, erzählt Miha Mazzini. Es herrscht bis heute kollektives Schweigen. Slowenien: ein Land wie ein Zimmer, in dem ein ziemlich großer Elefant sitzt.