Geschichte
So erlebte der Fürst das Kriegsende

Albert I. floh am 14. April 1945 vor den Bomben nach Aschenbrennermarter. Doch dort kam alles nur noch schlimmer.

18.04.2016 | Stand 16.09.2023, 6:45 Uhr
Helmut Wanner
Fürst Albert und Margarete mit Familie 1951 auf der Bank am Aschenbrennermarter −Foto: Sammlung Steib

Am schönsten Punkt des stundenweit ausgedehnten fürstlichen Thierparks, unter altehrwürdigen Buchen, an verwitterten Felsengruppen, 600 Meter hoch am Hang steht der Weiler Aschenbrennermarter. Hier in der Gemarkung Altenthann hat Max Schultze in den Jahren 1893 bis 1899 für Fürst Albert I. von Thurn und Taxis eine Jagdhauskolonie errichtet. Sie hatten Namen wie Prinzenbau, Kegelbahn und Kavaliersbau. Die Angehörigen des Fürstenhauses Thurn und Taxis nannten die Holzhäuser im altrussischen Stil schlicht „die Hütte“. Sie waren ganz aus Holz, mit weißen Holzschindeln und grünen Fensterläden.

„Aber noch war Krieg und die Amis hatten wichtigeres zu tun, als einen Fürsten zu beschützen“,Ignaz Weilner

In dieser Idylle im Wald von Forstmühle, wo normalerweise Hirsche in Rudeln vorbeiziehen, erlebte das fürstliche Haus in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 das Kriegsende. Aber nicht fernab vom Getümmel des Krieges, sondern kurioserweise mitten drin. Eine 40 Mann starke Gruppe der Waffen-SS unter Führung eines 21-jährigen Obersturmführers und Ritterkreuzträgers hatte hier vorübergehend ihr Hauptquartier errichtet. Der Prinzenbau, der Stallbau und die Kantine waren vollgepackt mit Ausrüstung der Wiener Polizei und SS.

Bericht des fürstlichen Hauskaplans

Das berichtet Ignaz Weilner. Die letzten Kriegstage am Hof des Fürsten von Thurn und Taxis erlebte der fürstliche Hauskaplan aus nächster Nähe. Auf Anregung des Historischen Vereins schrieb er darüber einen packenden Augenzeugenbericht, der 1965 mit dem Titel „unter Gottes Gericht“ im Verlag Josef Habbel herauskam. Die Schrift ist vergriffen. Der Regensburger Stadtmaler Werner Steib hat die Rarität in seinem fürstlichen Archiv.

Nach der Lektüre des Büchleins muss man mit der Legende aufräumen, die Alliierten hätten Regensburg wegen der fürstlichen Beziehungen zum englischen Königshaus verschont. Im Schloss hat Weilner die Bombenangriffe vom 20. Januar, 5. Februar und 13. März 1945 auf Regensburg erlebt. Im Luftschutzkeller bot sich dieses skurrile Bild: Fürst Albert, die Schmuckkassette auf den Knien. Erzherzog Joseph, in der Uniform des Generalfeldmarschalls der ungarischen Armee, legte den Marstallstab nicht aus der Hand. Fürstin Margarete malte unentwegt Blumenkarten fürs Kinderspital. Weilner schreibt: „Von ihr ging eine unendliche Ruhe aus.“

Ignaz Weilner hielt es nicht im Keller. Neugierig stieg er immer wieder aufs Dach des Schlosses, einmal sogar begleitet vom18-jährigen Prinz Johannes, der begierig war, einen Blick auf die Bomberverbände zu werfen, die in majestätischer Ordnung anflogen. 24 Bombentrichter zählte Weilner hernach auf dem fürstlichen Schlossgrund. Der Bibliotheksflügel bekam einen Volltreffer, es gab Tote in der fürstlichen Lingerie. Die „Theresienruh“ wurde ausradiert.

Unter dem Eindruck der Bombermacht zog sich die fürstliche Familie am 14. April in die 18 Kilometer entfernte Waldeinsamkeit zurück. Das fürstliche Haus flüchtete in Wägen mit Holzvergasern. Mit dabei war auch die ungarische Verwandtschaft: Erzherzog Joseph und seine Gemahlin, die Erzherzoginnen Elisabeth und Magda sowie der Baron von Thon-Dittmer. Auch draußen am Aschenbrennermarter suchte sich der Hausgeistliche immer wieder einen Aussichtspunkt, von wo er auf die Stadt blicken konnte. Am 16. April sah er den vorletzten Angriff auf Regensburg. Zwei Tage lang lag Rauch über der Stadt. Am 20. April, dem Führergeburtstag, rückte die SS an. Der 21-jährige Obersturmführer aus Deutschlands Norden legte einen Befehl von Feldmarschall Kesselring vor, die Aschenbrennermarter zum Auffanglager für zurückflutende Truppen auszubauen. Die SS-Leute waren zwischen 15 und 23 Jahre alt und nicht allein. Sie waren in Begleitung von Mädchen und hatten Verpflegung satt: 20 000 Zigaretten, Konserven, Schokolade in Mengen sowie 94-prozentigen Wundalkohol.

26. April: Letzter Appell der SS

Einen Tag, nachdem die Amerikaner in Altenthann einmarschierten, am 26. April, versammelte sich die SS auf der Aschenbrennermarter zum letzten Appell. Sie sangen „Wir werden weitermarschieren“, warfen sich aber kurz darauf in Forstarbeiter-Klamotten, um unterzutauchen. Oberforstrat von Braun hatte ihnen die Lage erklärt. Am Thiergarten stünden die ersten Panzer. Einen Tag später rückten die Amerikaner auf der Aschenbrennermarter an.

Es sprach sich herum, dass auf der Aschenbrennermarter in rauen Mengen Pelzwesten, Uniformstoff, Stiefel und Unterwäsche lagerten. Befreite Kriegsgefangene führten Karawanen von Plünderern an. Zeitweise sah Weilner 300 bis 1000 Menschen in der Waldeinsamkeit. Die fürstliche Familie fürchtete um ihr Leben. Fürstin Margarete lief weinend dem kommandierenden Captain nach. „Aber noch war Krieg und die Amis hatten wichtigeres zu tun, als einen Fürsten zu beschützen“, schreibt er.

Am 8. Mai wurde Fürst Albert 78 Jahre alt. Es war wohl der emotionalste Geburtstag seines fast 85 Jahre währenden Lebens. An diesem Tag trat der Waffenstillstand inkraft. 15 Tage später, am 23. Mai, kam General Patton auf die Hütte. Er hatte sein schönstes Geschenk im Gepäck: „off limits“-Schilder für den gesamten Thiergarten und das fürstliche Schloss, als Dank für das beste Quartier, das er in Deutschland je hatte. General Patton residierte im Schloss. Ein Mann mit Überlänge. Wie Andreas Seger seinem Freund Werner Stein berichtete, hatte man an seinem Bett die Fußseite ausschneiden und einen Stuhl dahinter stellen müssen. Am 19. Juli erst konnte der Fürst mit seinem ganzen Gefolge ins Regensburger Schloss zurückkehren.

Sehen Sie in unserer Bildergalerie: Das Leben von Fürst Johannes

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