Sudetendeutscher Tag in Regensburg
Söder setzt bei Pfingsttreffen Signal: „Ich bin ein Sudetendeutscher“

28.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:18 Uhr

Einzug zur Hauptkundgebung der Sudetendeutschen: Ministerpräsident Markus Söder wurde von Sozialministerin Ulrike Scharf und vom Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Bayern, Steffen Hörtler, flankiert. Foto: altrofoto.de

Der bayerische Ministerpräsident bekennt sich beim Sudetendeutschen Tag in Regensburg zum „vierten Stamm“, der nach dem Zweiten Weltkrieg, Flucht und Vertreibung im Freistaat eine neue Heimat fand. Das wichtigste politische Zeichen sendet an diesem Tag aber Tschechien.



Es geht am Abschlusstag des Sudetendeutschen Pfingsttreffens um große Politik – Tschechien entsendet erstmals offiziell einen Regierungsvertreter und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder legt ein persönliches Bekenntnis der Verbundenheit ab („Ich bin ein Sudetendeutscher“). Es geht aber nicht minder um Heimat, Wurzeln und Traditionen. Der Einzug der 21 Fahnenabordnungen und Trachtengruppen zur Hauptkundgebung am Sonntag zeigt das ganze farbenprächtige Spektrum. Ganz vorne dran: Die Sudetendeutsche Jugend mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Stefanie Januschko. „Die Musik, die Tänze und die Leute, die man jedes Jahr trifft: Ich bin damit aufgewachsen“, schwärmt die 26-Jährige. Sie will dieses Erbe weitertragen.

Ein Treffen, anders als die 72 davor


Der 73. Sudetendeutschen Tag unterscheidet sich von den 72 davor. „Ich gebrauche das Wort historisch nicht oft. Aber das war ein historischer Moment“, sagt der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, nach dem Grußwort des tschechischen Bildungsministers Mikuláš Bek. Dass Bek als erster offizieller Regierungsvertreter zu Gast ist, unterstreicht die neue Selbstverständlichkeit in den bayerisch-tschechischen Beziehungen, die mit Staatspräsident Petr Pavel und Ministerpräsident Petr Fiala eingezogen ist. Fiala und Pavel hatten zuletzt bei Besuchen in Regensburg und Selb selbst das neue Miteinander vorgelebt.

Sudetendeutsche spüren Wertschätzung



Steffen Hörtler, Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Bayern, schwärmt deshalb in Bezug auf die Beziehungen vom „Super-Monat“ Mai. „Noch nie spürte ich als Sudetendeutscher eine solche Wertschätzung von allerhöchster tschechischer Seite.“ Söder formuliert es so: „Man bespricht ernsthafte Themen - aber man hat keine Angst mehr, ein kleines falsches Wort zu sagen.“

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Nazidiktatur und Zweiter Weltkrieg, Flucht und Vertreibung hatten das Verhältnis lange schwer überschattet, mit Fall des Eisernen Vorhangs entwickelte sich in kleinen Schritten inklusive einiger Rückschläge viel Gemeinsames. Der Dialog Tschechiens mit den Sudetendeutschen ist nach Worten Beks dabei ein wichtiger Faktor gewesen. „Ich bin überzeugt, dass die Geschichte der Versöhnung ziemlich lehrreich ist für alle anderen Völker.

Er verhehlt nicht, dass der Versöhnungsprozess auch in Tschechien in der Vergangenheit auf große Vorbehalte gestoßen ist. „Es ist das erste Mal, dass ein tschechischer Minister hier steht, ohne dazu Mut zu brauchen.“ Vor Bek hatten bisher Regierungsvertreter nur in halbprivater Mission den Sudetendeutschen Tag besucht, waren dafür daheim in Tschechien teils angefeindet worden.

Scharfe Kritik an Putin



Bek formuliert bei der Hauptkundgebung die gemeinsamen Verpflichtung von Tschechen, Deutschen und Sudetendeutschen für die Zukunft: „Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit: Das ist unsere Aufgabe. Und wir müssen gemeinsam in Europa gegen die Aggression im Osten stehen.“ Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine war während des gesamten Pfingsttreffens immer wieder unmissverständlich verurteilt worden. Ministerpräsident Söder spricht am Sonntag vom unseligen Gift des Nationalismus, das auch heute wieder verbreitet werde. „Nie wieder und auf keinen Fall“, müsse darauf die Antwort sein. „Wer einmal damit durchkommt, andere zu unterjochen und mit Gewalt Grenzen zu verschieben, der hört doch nicht auf“, sagt er mit Bezug auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

An den drei Tagen des Pfingsttreffens standen zahlreiche Politiker von CSU, Freien Wählern, SPD, Grünen und FDP auf der Gästeliste - darunter auch Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger, Sozialministerin Ulrike Scharf und die Regensburger OB Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Die Oberpfälzer Bezirkshauptstadt hatte 1951 die Patenschaft für die Sudetendeutsche Volksgruppe übernommen. Von den über drei Millionen Sudetendeutsche, die nach Zweiten Weltkrieg aus Tschechien vertrieben worden waren, hatte sich gut die Hälfte in Bayern angesiedelt

Mit 80 Jahren weiter dabei



Die Sudetendeutschen Tage halten die Volksgruppe zusammen - sie ähneln Familienfesten: „Es ist ein Treffen mit Gleichgesinnten. Bei 60 bis 65 dürfte ich dabei gewesen sein“, sagt Erika Weinert, Frauenbeauftragte des Böhmerwaldbundes München. Die 80-Jährige steht auch am Pfingstsonntag wieder an ihrem Verkaufsstand und bietet an, was es schon in der alten Heimat gegeben hat: Kratzeier, in die Blumen oder Tiere geritzt sind, Perlenarbeiten, gestickte Fähnchen. Was sich im Lauf der Jahre geändert habe? Es bleibe immer gleich schön, antwortet sie, „die Leute werden halt jetzt weniger“. Diejenigen, die Vertreibung noch selbst erlebt haben, würden zunehmend älter. „Die Jüngeren haben auch andere Interessen.“