BGH
Staatsanwältin: Wolbergs-Urteile zu mild

Revision des Regensburger Ex-OBs vor dem BGH läuft: Sein Verteidiger Witting fordert Aufhebung der Urteile und Freispruch.

04.11.2021 | Stand 15.09.2023, 23:22 Uhr
Der ehemalige Regensburger OB Joachim Wolbergs vor der Verhandlung in Leipzig. −Foto: Jan Woitas/picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Das Urteil im ersten Korruptionsprozess gegenden früheren Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergsist nach Überzeugung der Generalbundesanwaltschaft zu milde ausgefallen.Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzigforderte Staatsanwältin Claudia Kohlschmidt am Donnerstag die teilweise Aufhebung der Urteile aus den Jahren 2019 und 2020 aufgrund rechtlicher und sachlicher Fehler. Wolbergs‘ Verteidiger Peter Witting forderte die Aufhebung der Urteile und jeweils einen Freispruch für seinen Mandanten. Der BGH verkündete an diesem Donnerstag frühestens um 18.20 Uhr eine Entscheidung treffen zu wollen.

BGH: Straffreiheit wurde bemängelt

Kohlschmidt bemängelte insbesondere die Straffreiheit für Wolbergs im ersten Urteil nach Paragraf 60 im Strafgesetzbuch - dieser besagt, dass ein Täter durch die Folgen seiner Tat genug gestraft sei. Im Fall Wolbergs seien die Folgen jedoch nicht so schwerwiegend, als dass Straffreiheit gerechtfertigt wäre, sagte Kohlschmidt.

Hier widersprachen die Verteidiger Peter Witting und Thorsten Junker und verwiesen auf die enorme Berichterstattung, die psychischen Belastungen und beruflichen Auswirkungen sowie auf die ihrer Ansicht nach unverhältnismäßige Untersuchungshaft ihres Mandanten.

Wie Christine Straßer, die für die MZ den Prozess in Leipzig begleitet, im Gespräch mit Mittelbayerische Video sagte, wirke Wolbergs sehr angespannt. Allgemein sei die Stimmung allerdings sehr ruhig und sachlich.

Joachim Wolbergs: Kritik von Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwältin kritisierte darüber hinaus die Unterscheidung der Regensburger Richter zwischen Parteispenden, die vor und während Wolbergs‘ Amtszeit als Oberbürgermeister eingegangen waren. Denn: Auch wenn Wolbergs in den Jahren 2011 bis 2014 noch dritter Bürgermeister und als solcher mit Sozialthemen befasst gewesen war, habe er dennoch gelegentlich den damaligen Oberbürgermeister vertreten. Insofern habe zwar keine konkrete, aber eine abstrakte Zuständigkeit Wolbergs für Baufragen bestanden.

Die Regensburger Richter hatten Wolbergs 2019 wegen zwei Fällen der Vorteilsnahme im Zusammenhang mit Parteispenden im Kommunalwahlkampf 2014 verurteilt, jedoch von einer Strafe abgesehen. Im zweiten Prozess war der Kommunalpolitiker 2020 wegen eines Falles der Bestechlichkeit zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Von sämtlichen weiteren Vorwürfen in den beiden Prozessen hatten ihn die jeweiligen Strafkammern freigesprochen.

Wird der Prozess neu aufgerollt?

Der Fall um Korruptionsvorwürfe gegen den früheren Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs könnte neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) befasst sich am Donnerstag in Leipzig mit den zwei Urteilen des Landgerichtes Regensburg. Dort war der 50-Jährige im Juli 2019 im Zusammenhang mit Parteispenden im Kommunalwahlkampf 2014 wegen Vorteilsnahme und Juni 2020 wegen Bestechlichkeit verurteilt worden. Im ersten Urteil verzichteten die Richter auf eine Strafe - am Ende des zweiten Prozesses stand eine einjährige Bewährungsstrafe.

Joachim Wolbergs wird vor Gericht gehört

Bei der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem sechsten Strafsenat des BGH werden Wolbergs und sein Verteidiger Peter Witting sowie weitere Verfahrensbeteiligte gehört. Wann eine Entscheidung verkündet wird, stand zunächst noch nicht fest. Die Verhandlung vor dem BGH wird mit Spannung erwartet, denn mehrere Punkte der Urteile gegen Wolbergs sind umstritten.

So drehte sich der erste Prozess unter anderem um Parteispenden aus der Immobilienbranche auf das Konto des SPD-Ortsvereins des damaligen OB-Kandidaten Wolbergs - und zwar insgesamt 475 000 Euro zwischen 2011 und 2016. Laut Urteil flossen die Spenden über Strohleute eines Bauträgers und gestückelt in Beträgen von jeweils knapp unter 10 000 Euro - und somit unter der gesetzlichen Veröffentlichungsgrenze. Wegen Vorteilsannahme verurteilt wurde Wolbergs für die zwischen 2015 und 2016 eingegangenen Spenden in Höhe von insgesamt 150 000 Euro.

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Gericht sah kein „Anfüttern“

Laut Begründung der Richter war Wolbergs in den Jahren zuvor noch dritter Bürgermeister und als solcher für Sozial- und nicht für Bauthemen zuständig. Den Vorwurf des sogenannten Anfütterns eines Politikers für den Fall seiner Wahl sah die Kammer demnach nicht. Auch im zweiten Prozess unterschieden die Richter zwischen Spenden vor und während Wolbergs‘ Zeit als OB.

Für Diskussionen sorgte unter anderem auch die Straffreiheit für Wolbergs beim ersten Urteil sowie das Argument, der Kommunalpolitiker habe nicht vorsätzlich, sondern irrtümlich gehandelt.

Korruptionsaffäre löste politisches Beben aus

Die sogenannte Regensburger Korruptionsaffäre löste seit Mitte 2016 in der oberpfälzischen Stadt ein politisches Beben aus. Damals waren die Ermittlungen gegen Wolbergs - zu dem Zeitpunkt noch in der SPD - öffentlich geworden. Auch gegen weitere Kommunalpolitiker sowie gegen mehrere Bauträger wurde ermittelt. Wolbergs wurde als OB suspendiert, saß Anfang 2017 für sechs Wochen in U-Haft und musste sich seit September 2018 zwei Gerichtsverfahren stellen. Er beteuerte stets seine Unschuld.

Aus der SPD - als deren Hoffnungsträger er in Bayern einst galt - war er nach dem ersten Urteil ausgetreten und ging bei der Kommunalwahl 2020 für den von ihm mitbegründeten Wahlverein „Brücke“ ins Rennen. Dabei verpasste Wolbergs knapp die Stichwahl. Seither sitzt er für die „Brücke“ im Stadtrat.(dpa/ph)