Geschichte Straßennamen werfen Fragen auf
Straßenschilder stellen Verbindungen zur Vergangenheit her – und auf die lohnt sich in Regensburg ein Blick durchaus.

Regensburg.Immer wieder werden die Titel von Straßen, Preisen oder Institutionen umbenannt, weil sich herausstellt, dass ihre Namensgeber während der NS-Zeit im Regime aktiv waren. Die Josef-Engert-Straße heißt seit kurzem „Am Biopark“, die Hans-Herrmann-Schule trägt jetzt den Namen Willi-Ulfig-Schule, und die Florian-Seidl-Straße wurde in Johann-Hösl-Straße umbenannt. Andere Namen werfen weitere Fragen auf.
„Ich fahre immer wieder mit Beklemmen an der Oberländerstraße in Kumpfmühl vorbei und da frage ich mich schon, ob der Nationalsozialist Oberländer hier Namensgeber war“, schreibt ein langjähriger Leser an die Mittelbayerische Zeitung. Doch woher kommt der Name? Ist etwa der Nationalsozialist Oberländer der Namensgeber? „Die Straße ist nicht nach Theodor Oberländer benannt, sondern – das klingt vielleicht im ersten Moment noch schlimmer – nach Adolf Oberländer“, erklärt der Historiker Rainer Ehm.
„Oberländer war nicht ganz koscher“
Adolf Oberländer war ein bayerischer Maler und Zeichner, der 1845 in Regensburg geboren worden ist. Er war Schüler von Ferdinand von Piloty, einem bekannten Maler aus München. 1895 erhielt er den Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. Wohingegen Theodor Oberländer eine nationalsozialistische Karriere aufweist. Schon 1933 trat er in die NSDAP ein und wurde Leiter des Bundes Deutscher Osten.
„Ich bin darauf gestoßen, weil Adenauer einen etwas suspekten Staatssekretär namens Hans Globcke hatte und eben auch Oberländer nicht ganz koscher war“, berichtet der Leser. Der Historiker Ehm ist der Meinung, dass man, um Verwechslungen zu vermeiden, den Vornamen bei der Namensgebung ergänzen könne.
„Ich fahre immer wieder mit Beklemmen an der Oberländerstraße in Kumpfmühl vorbei und da frage ich mich schon, ob der Nationalsozialist Oberländer hier Namensgeber war.“
Straßennamen sind nicht nur ein Lexikon des sich wandelnden Geschichtsverständnisses. Mehr noch, sie haben sich meistens tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt und den Alltag wie selbstverständlich geprägt, ohne dass es ein klares Wissen um die historische Persönlichkeit gibt, deren Name auf dem Straßenschild steht. „Straßennamen gelten als besondere Ehre für den Namensgeber“, sagt der Leser.
Als gutes Beispiel kann man wohl den Dachauplatz nennen. Dieser wurde im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, die im Konzentrationslager Dachau ermordet wurden, „Dachauplatz“ genannt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Freifläche „Exerzierplatz“ genannt. 1918 änderte sich der Name in „Kasernenplatz“ und im Jahr 1933 wurde er als „Moltkeplatz“ bezeichnet.
Doch während in den vergangenen Jahren bereits mehrere Straßen neue Namen erhielten, steht ein Platz in der Konradsiedlung bei der Bevölkerung stets im Fokus: die Danziger Freiheit. Unter „Freiheit“ verstanden die Nazis die Eroberung einer Stadt. Überall in Deutschland seien die Plätze mit dem Namen „Danziger Freiheit“ umbenannt worden. Berühmtestes Beispiel ist die „Münchener Freiheit“ in der bayerischen Landeshauptstadt. „Nur in Regensburg ist der Name geblieben“, sagt Ehm.
Die ehemalige Adolf-Hitler-Brücke

Eine grundlegende Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit begann etwa um 1970. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden viele Straßen zu Zwecken der Propaganda und Machtdemonstration nach bedeutenden NS-Persönlichkeiten benannt. So gab es beispielsweise die Adolf-Hitler-Straße rund 138 Mal. Am 16. Juli 1938 wurde die Adolf-Hitler-Brücke in Regensburg getauft. Schon im April 1945 sprengten diese Einheiten der Wehrmacht und zerstörten sie beinahe vollständig. 1950 konnte das neu errichtete Bauwerk „Nibelungenbrücke“ dem Verkehr übergeben werden.
„Im von der Stadt herausgegebenen Adressbuch findet sich im Straßenteil bei jeder Straße am Anfang der Einwohnerliste eine kurze Beschreibung der Bedeutung beziehungsweise des Namensgebers“, erklärt der Historiker Ehm. So könne man schnell herausfinden, wer für die Namensgebung der eigenen Straße verantwortlich gewesen sei.
Gedenk- und Erinnerungskultur
Die Stadt Regensburg lässt derzeit von Experten ein Gesamtkonzept für die städtische Erinnerungs- und Gedenkkultur entwickeln. Teil dieses Konzepts könnte es sein, im Rahmen von wissenschaftlichen Arbeiten von Studierenden die Straßennamen und auch die Platznamen in Regensburg auf ihre historische Bedeutung und deren Bezug zum Dritten Reich zu überprüfen.
Das Konzept wird voraussichtlich in den nächsten Wochen fertig sein und auf viele Interessenten stoßen. Die Vergangenheit der Welterbe-Altstadt Regensburg ist auch heutzutage noch präsent, auch wenn nicht jeder die Herkunft bestimmter Straßennamen hinterfragt. „Das alles gehört schließlich zu unserer Geschichte und definitiv nicht auf den Schrottplatz“, stellt der Leser fest.
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Die Brücke hat Geschichte
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Nibelungenbrücke:
Zwischen 2001 und 2004 wurde die heutige Konstruktion gebaut, da die alte Brücke, welche zwischen 1935 und 1938 errichtet wurde, für das gestiegene Verkehrsaufkommen nicht mehr ausreichend war. Täglich überqueren 42.000 Fahrzeuge die Brücke, somit ist sie eine der wichtigsten Donaubrücken im Raum Regensburg. -
Amtliches Straßenverzeichnis:
Das Verzeichnis finden Sie im Internet www.statistik.regensburg.de/publikationen/publikationen/Amtliche_Verzeichnisse/amtl_verzeichnisse_strassen.pdf
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