Prozess
Vergewaltigung erfunden: Frau verurteilt

Eine Regensburgerin hatte ihren Chef zu Unrecht eines Sexualverbrechens bezichtigt. Damit zerstörte sie beinahe sein Leben.

11.02.2019 | Stand 16.09.2023, 5:47 Uhr

Die Angeklagte (rechts) gestand die Falschanzeige. Links ihre Anwältin Julia Schneider Foto: Boeselager

In Begleitung ihres Lebensgefährten erschien eine 35-jährige Angestellte aus Regensburg im November 2017 bei der Regensburger Kriminalpolizei und erhob schwere Vorwürfe gegen ihren Chef: Der Mann habe sie brutal vergewaltigt. Doch schnell kam heraus: Die ganze Geschichte war gelogen. Stattdessen hatten die beiden eine einvernehmliche Affäre. Jetzt kam die inzwischen von Gewissensbissen geplagte Regensburgerin vor dem Amtsgericht noch glimpflich davon: Die Richterin verurteilte die bis dahin unbescholtene Frau zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten wegen falscher Verdächtigung und Freiheitsberaubung. Außerdem muss die Angeklagte 120 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Ihrem früheren Vorgesetzten blieb eine Aussage vor Gericht erspart.

Drastische Vorwürfe

Bei der Kripo hatte die aus Tschechien stammende Angestellte die angeblichen sexuellen Übergriffe mit drastischen Worten geschildert: Der Vorgesetzte soll die 35-Jährige im Büro der Firma im Regensburger Stadtnorden zunächst von hinten gegen den Schreibtisch geschubst haben. Dann habe er ihr die Hose heruntergezogen, hieß es in der Strafanzeige. Er riss angeblich an ihren Haaren und vollzog mit ihr gegen ihren Willen den ungeschützten Geschlechtsverkehr. Anschließend habe er sie weiter sexuell misshandelt, so die Anzeigeerstatterin. Schon früher, behauptete die Angestellte, habe er sie über ihrer Kleidung am Busen und im Schritt begrapscht und sie dann ein weiteres Mal vergewaltigt.

Tatsächlich waren die Vorwürfe jedoch „frei erfunden“, so die Staatsanwaltschaft. Das sexuelle Verhältnis sei „einvernehmlich“ gewesen.

Für den Chef hatte die Anzeige massive Konsequenzen: Er wurde an seinem Arbeitsplatz festgenommen und musste sich stundenlangen Verhören unterziehen, bevor er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Erst acht Monate später, im Juli 2018 wurde das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt – wegen „erwiesener Unschuld“. Statt seiner musste seine Mitarbeiterin auf der Anklagebank Platz nehmen.

Wie berichtet, hatte die Angeklagte bereits am ersten Prozesstag im Januar die Falschaussage gestanden. Sie sei damals in der Probezeit gewesen, teilte sie über ihre Anwältin Julia Schneider mit, und habe sich auf ein Verhältnis mit ihrem Chef eingelassen. Nach einer Weile wollte sie das Verhältnis aber wieder beenden. Da habe ihr Chef ihr aber gedroht, sie sei ja noch in der Probezeit. Er habe das Recht darüber zu entscheiden, ob sie bleiben könne oder gehen müsse. Aus Angst um ihren Arbeitsplatz und aus Scham gegenüber ihrem Lebensgefährten habe sie die Räuberpistole mit der Vergewaltigung erfunden. Nachdem sie davon einer Kollegin berichtet hatte, riet ihr diese zum Gang zur Polizei. So kam der Stein ins Rollen. Die Lügengeschichte war in der Welt und ließ sich so einfach nicht mehr rückgängig machen.

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Dies genügte jedoch der Amtsrichterin nicht: Sie hielt der 35-Jährigen vor, die Auswertung der Handys habe keinen Hinweis darauf erbracht, dass sie die Affäre mit ihrem Chef habe beenden wollen. Auch von angeblichen Drohungen sei nichts darauf zu finden. Die Richterin setzte einen Fortsetzungstermin fest, um zur weiteren Erhellung der Umstände den früheren Chef der inzwischen gefeuerten Frau als Zeugen zu hören.

Chef drohte nicht

Dies erwies sich aber als unnötig. Am zweiten Prozesstag war von Drohungen des Chefs auf einmal nicht mehr die Rede. Die 35-Jährige habe die Affäre „aus moralischen Gründen wegen ihres Freundes“ beenden wollen, erklärte nun ihr zweiter Verteidiger Jörg Meyer für seine sichtlich zerknirschte Mandantin. Der Chef habe daraufhin aber keineswegs drohend reagiert, nicht einmal ansatzweise. Die Angestellte habe sich „nur gedacht, dass es Schwierigkeiten geben könnte.“ Nach der „Offenbarung“ der angeblichen Übergriffe im Gespräch mit einer Kollegin konnte sie aber nicht mehr zurück.

„Das Verhalten der Angeklagten war bösartig und existenzgefährdend.“Die Staatsanwältin

Der Geschädigte habe sich nicht mit einer bloßen Entschuldigung begnügen wollen, sondern ein Schmerzensgeld und die Übernahme von 3300 Euro Rechtsanwaltskosten gefordert. Seine Mandantin, so Meyer, sei inzwischen mittellos und ohne Job. Sie habe sich das Geld von Freunden ausgeliehen. Die Sache tue ihr längst „unendlich leid.“

Als „bösartig“ und „existenzgefährdend“ verurteilte die Staatsanwältin das Verhalten der Angeklagten in Hinblick auf die Konsequenzen für ihren Vorgesetzten. Sie forderte für die bis dahin nicht vorbestrafte Frau eine Freiheitsstrafe von acht Monaten mit Bewährung plus 120 Stunden Sozialarbeit.

Verteidigerin Julia Schneider blieb in ihrem Plädoyer zwei Monate unter dem Antrag der Anklagevertreterin: Sechs Monate „mit“ seien tat- und schuldangemessen. Das Gericht blieb mit seinem Urteil zwischen beiden Anträgen. Der Richterspruch ist rechtskräftig.

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