Menschen
„Wir machen große Dinge in Regensburg“

Unternehmer Martin Schmack spricht über die Schnapsidee, die ihn reich werden ließ, seine Vision, Sohn Emil und einen Schwur.

26.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr

Will den Stadtosten in ein In-Viertel verwandeln: Martin Schmack Foto: Koller

Martin Schmack fährt sich oft durch das Haar. Das Glas Tee vor sich auf dem Bürotisch rührt der Immobilienunternehmer nicht an. Seine Kleidung: eine Mischung aus klassisch und salopp. Weißes Hemd mit Manschettenknöpfen, Jeans, dunkelgraues Sakko. Der 47-Jährige marschiert auf und ab, während er erzählt. Lange hält Schmack Zigarette und Feuerzeug in Händen, ehe er anzündet. Als ihm die Sekretärin nach zwei Stunden den nächsten Besucher ankündigt, dreht er immer hektischere Runden um den Tisch – und spinnt seine philosophischen Gedanken fort.

Herr Schmack, Sie sind vor drei Monaten Vater geworden. Hat Ihr Sohn Ihr Leben verändert?

Das weiß ich jetzt gar nicht. Ich habe eine ganz wunderbare Frau, die ich sehr lange kenne und vor zwei Jahren geheiratet habe. Das hat mein Leben viel mehr verändert. Sie trägt meine verrückten Ideen mit, dass die Leute auf unserem Gelände am Hohen Kreuz im Bauwagen wohnen und im Sommer in einen Teich hüpfen können. Das gibt mir Auftrieb, denn wir müssen oft gegen Windmühlen kämpfen. Man muss die ganzen offiziellen Stellen von einem Bauvorhaben überzeugen und dann die Menschen begeistern. Aber von den Bürgern haben wir Unterstützung für die Baugebiete Candis II und Dreibrücken.

Und Ihr Sohn, was hat er verändert?

Emil hat mein Leben verändert, weil er nachts schreit – und dann geht die Runde an mich.

Schauen Sie nicht mehr nachts in die Filmbühne?

Doch, mein Sohn hat ja seine Zeit. Der kommt so um halb zwei. Er ist pflegeleicht. Aber es stimmt schon, ich verbringe mehr Zeit zu Hause. Oder ich gehe nicht mehr in entlegene Kneipen, damit mich meine Frau Lissi schnell rufen kann. Ein Nachtmensch bin ich geblieben.

Die Schmack GmbH hat 2008 das Zuckerfabrikareal und angrenzende Flächen mit 650 000 Quadratmetern gekauft.

Das ist Schicksal oder Zufall, dass mein Bruder Ferdinand und ich mit dieser Fläche verbunden sind. Wir wollten eine kleine Fläche am ehemaligen Rübenhof entwickeln. 2008 war überhaupt nicht sicher, ob mit der Hauptproduktion der Zuckerfabrik auch die Lagerlogistik, die Siloanlagen und die Zuckerveredlung weg müssen. Das waren voll funktionierende Industrieanlagen mit einem Wert von einer halben Milliarde. Die Südzucker AG wusste nicht, wie weit die Rückbauforderungen der EU gehen würden. Erst nach zwei Jahren erfuhren wir, es wird ernst. Wir müssen jetzt die große Nummer machen.

Wie sieht die aus?

Wir entwickeln Candis, das angrenzende Dreibrücken im Gleisdreieck und das Hohe Kreuz. Auf der Schäferwiese an der Irler Höhe, wo Leute in Bauwagen leben, wollen wir auf 30 000 Quadratmetern einen Garten „Ostiense“ etablieren, wie ihn reiche Leute in Florenz oder Rom schon vor 500 Jahren gebaut haben. Das soll eine Perle werden. Die Bauwagenbewohner bleiben. Unsere Vision: Wir binden das lange durch die Zuckerfabrik abgeschnittene Hohe Kreuz über die neuen Baugebiete Candis und Dreibrücken an die Innenstadt an. Fußgänger- und Fahrradbrücken werden über die Gleise führen.

Sie wohnen jetzt in der Glockengasse und wollen später in den Stadtosten ziehen.

Ja, es gibt mir zusätzlichen Antrieb, diesen Garten in Ostiense an der Irler Höhe und die dort geplanten Atelierhäuser mit Wohnen und Werkstätten voranzutreiben, weil ich dort einziehen möchte. Sie sind mit einem Katzensprung im Grünen und dürfen dort mehr als in einer Grünanlage im Westen. Das ist ein bisschen wie die Welt von Peter Lustig, der diese Woche gestorben ist. Von der Glockengasse brauche ich höchstens 20 Minuten.

In Candis I wurden ca. 300 Millionen Euro investiert. Woher kommt das Geld?

Die Baufelder wurden an Bauträger vergeben, darunter die St. Joseph Stiftung Bamberg, Wohnbau Lambert, Haueissen & Kinskofer, die Stadtbau Regensburg, BayernCare und das Immobilienzentrum. Einige Gebäude haben wir selbst errichtet. Am Rübenhof haben Sontowski & Partner aus Erlangen investiert. All diese Immobilien wurden ganz klassisch finanziert. Den Grundstücksankauf konnten wir bequem aus unserer 25-jährigen Immobilien-Unternehmung heraus stemmen. Damals gründeten mein Bruder Ferdinand und ich zusammen die Ferdinand Schmack jun. GmbH. Eigentlich wollten wir ursprünglich nur ein Haus kaufen, um existenziell nicht abhängig zu sein. Schopenhauers Biografie brachte mich auf diesen Gedanken. Er verklagte seine Mutter, weil sie ihm das Erbe vorenthielt. Sein Argument: Er brauche die zwei Frankfurter Häuser, um frei zu sein und als Philosoph leben zu können. Er gewann. Aus dieser sehr naiven Vorstellung kam ich in den 80er Jahren zum ersten Haus. Wir kauften es mit Geld der Eltern. Aber das führte zum nächsten. Wir sanierten in der Altstadt. Als das funktionierte, sind wir als Bauträger aufgetreten.

Es wird kolportiert, dass Sie den früheren OB Hans Schaidinger nicht mochten und schworen, sich die Haare erst wieder schneiden zu lassen, wenn er abtritt.

Ich hatte mit Herrn Schaidinger nicht das beste Verhältnis, will aber keine Schuldzuweisungen aussprechen. Wir machen große Dinge in Regensburg, da gerät man aneinander. Mit meinen Haaren hat das nichts zu tun. Das bezog sich auf Maximilian Raab, den früheren Leiter des Bauordnungsamts. Wir hatten unterschiedliche Auffassungen zur Güte seiner Amtsführung. Ich habe in Santa Maria dell’Anima in Rom als Ausdruck meiner biblischen Trauer über diesen Zustand geschworen, die Haare erst wieder zu schneiden, wenn das Amt neu besetzt ist.

Wie kommen Sie mit Oberbürgermeister Joachim Wolbergs klar?

Das ist ein neuer Politikstil, der Regensburg gut tut. Mit dem rasanten Wachstum haben wir rasante Veränderungen. Neue Kulturen, neue Bedürfnisse entstehen. Wolbergs moderiert stärker als Schaidinger. Dadurch entsteht ein besserer Interessenausgleich. Dieser Politikstil der Kommunikation aller Gruppen miteinander und nicht des Ausgrenzens und Totschweigens ist der richtige. Es ist aber auch Schicksal eines OB, Entscheidungen treffen zu müssen, die weh tun. Für unser Vorhaben im Stadtosten erfahren wir Zustimmung quer durch die Fraktionen. Der Stadtrat glaubt uns, dass unsere Anliegen über Gewinnstreben hinausgehen.

Inwiefern?

Wir unterscheiden uns von normalen Immobilien-Unternehmern, weil wir uns als patriotische Regensburger und Bürger sehen. Darauf sind wir stolz. Wir sind deshalb nicht die tollen Gutmenschen, aber es ist ein gewisser Altruismus dabei. Wir entwickeln nicht nur ein Baugebiet, sondern auch das Umfeld mit Kita, Rewe, Ärztehaus, also der ganzen Infrastruktur. Wir sind nach der Fertigstellung Eigentümer einiger Immobilien, deren Wertentwicklung das Umfeld beeinflusst.

Candis I ist aber sehr dicht bebaut wie jedes andere Investoren-Baugebiet.

Ich bin sehr zufrieden mit der Bebauung. Sie ist auf keinen Fall so dicht wie im Marina Quartier. Wenn Sie Menschen so unterbringen wollen, dass es ihnen gut geht, müssen Sie dicht bauen. Ein Friseur, ein Weinhändler, ein Kindergarten, eine Pflegestation siedeln sich nur an, wenn genügend Kunden da sind. Zur Straubinger Straße hin ist Candis wegen des Lärmschutzes dicht bebaut. Diese Häuser sind alle zum ruhigen Süden offen. An der Straße liegen die Funktionsräume. Die Fingerbebauung in den Park hinein ist aufgelockert. Zu den Türmen stehe ich, das ist städtisches Wohnen. Dafür haben wir viele Freiflächen. Wir haben alle Bauformen, um die soziale und funktionale Mischung einer Innenstadt abzubilden. Das Ärztehaus und der Bäcker sind ein Gewinn für das Viertel.

Wie weit ist die Planung für die Waldorfschule, die Ihr Unternehmen an der Franz-Josef-Strauß-Allee baut?

Die Waldorfschule startet im Herbst in einem Provisorium mit zwei Klassen.

Sie finanzieren einen Philosophiezirkel im Kaisersaal am Haidplatz.

Ja, das ist immer sehr schön. Ich interessiere mich für Philosophie. Das ist für mich eine echte Muse. Dann kam Theologieprofessor Dr. Veit Neumann auf mich zu und stellte in Erwägung, ob man nicht eine philosophische Soiree machen könne. Kurz bevor Benedikt XVI. Regensburg besuchte, war das Verhältnis von Glaube und Vernunft unser großes Thema.

Warum?

Wir haben eine Zeit des totalen Säkularismus, Materialismus und der Naturwissenschafts-Gläubigkeit. Sollte in so einer Zeit nicht beleuchtet werden, inwiefern der Glaube eine Rolle spielt? Wir stellten uns die Fragen: Wo sind die Grenzen zwischen Glaube und Vernunft, wie bedingen sie einander? Bei seinem Besuch im September 2006 hielt der Papst seine (umstrittene) Regensburger Rede mit der Überschrift „Glaube und Vernunft“ – und plötzlich waren wir hochaktuell. Das war vor der Finanzmarkt-Krise. Diese hat dann zusätzlich zum Umdenken geführt. Auch der Wirtschaft wurde klar, dass das nicht funktionieren kann ohne Wertekodex. Alles kann man nicht dem Markt überlassen.

Sie sehen die Gesellschaft sehr kritisch.

Ja, medial werden wir den ganzen Tag mit dem größten Quatsch bombardiert. Das zerstört unsere Lebensqualität. Wenn ich philosophische Themen diskutiere, stelle ich meine eigene Sprache auf den Prüfstand. Für mich ist das eine Befreiung. Aber es macht auch Spaß. Im Zirkel werden eine Menge Ideen entwickelt. Er ist übrigens offen für alle. Nächster Termin: 17. September.

Glauben Sie?

Ich glaube an die Existenz Gottes. Er ist ein stets anwesendes Harmonieprinzip. Was der Tod ist, können wir nicht sagen. Nur: das Ende des hiesigen Lebens.

Harmonieprinzip? Was ist mit Flüchtlingselend und Kriegen?

Das sind philosophisch sehr schwierige Fragen. Wie kommt das Böse in die Welt? Man möchte verzweifeln. Mich macht es auch ratlos. Ich hoffe, dass es sich zum Guten wendet. Das ist die Conditio Humana. Wir leiden auch. Was aber nicht hindert, ein fröhlicher Mensch zu sein. Eine gute, also vernünftige Antwort kann ich Ihnen aber nicht bieten.

Auf der Schäferwiese, wo der Landschaftsgarten entstehen soll, züchten Sie Bienen.

Wir haben elf Völker.Studenten und Freunde lernen bei mir die Imkerei.Die Stadtimkerei ist mittlerweile erfolgreicher als die am Land, weil man ein vielfältigeres Blütenangebot hat. Mich fasziniert die Fähigkeit der Bienen, sich mit ihrer Umgebung komplett abzustimmen. Ein Lebewesen, das man für archaisch und wenig reizvoll hält, kommuniziert mit allen anderen – vom Menschen über die Ameise bis zu den Pflanzen. Die Biene schädigt die Blume nicht, von der sie Honig holt, sondern sie nutzt ihr.

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