Auslastung sehr hoch
Wirtschaft in Ostbayern: Drei Monate Warten auf den Handwerker

19.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:23 Uhr
Aktuell sieht nur das Gesundheitsgewerbe eher optimistisch in die Zukunft. Nahezu alle anderen Handwerksgruppen gehen angesichts der aktuellen Krisen eher von einer Verschlechterung als von einer Verbesserung ihrer Geschäftslage aus. −Foto: Falk Heller

Für die meisten ostbayerischen Handwerksbetriebe dürfte es gerne so bleiben wie es ist. Sie verfügen über reichlich Aufträge, die Auslastung ist sehr hoch.



86 Prozent der befragten Betriebe bewerten ihre Lage als gut oder befriedigend, steht im Konjunkturbericht der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz für das zweite Quartal 2022, den die Organisation gestern in Regensburg veröffentlichte. Doch die Befürchtungen sind groß, dass es nicht so bleiben kann. Jeder fünfte Betrieb rechnet mit einer Verschlechterung binnen drei Monaten.

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Was den Betrieben aktuell Recht ist, macht den Kunden zum Teil schwer zu schaffen. Bezogen auf das Gesamthandwerk warteten Kunden im Durchschnitt 12,7 Wochen auf ihren Handwerker, berichtet der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Jürgen Kilger. Das ist erneut ein Rekordzeitraum. Er übertrifft noch die Wartezeit des Vorquartals, die auch schon einen Spitzenwert erreicht hatte. Noch mehr Geduld brauchten Kunden, die einen Handwerker aus dem Ausbaugewerbe benötigten: durchschnittliche Wartezeit aktuell 15,6 Wochen.

Zum Teil noch mehr Aufträge

Die Kammer sieht das aus der Sicht der Betriebe: So heißt es im Konjunkturbericht, dass es mehr als der Hälfte der Betriebe trotz schwieriger Rahmenbedingungen gelungen sei, ihre Auftragseingänge konstant zu halten. Knapp ein Viertel habe sogar noch mehr Aufträge verbucht als im Quartal davor. Von steigenden Aufträgen berichteten insbesondere Betriebe in den Handwerken für den privaten Bedarf, im Lebensmittelgewerbe und im Kraftfahrzeuggewerbe. Die Auslastung habe deutlich angezogen, besonders im Gesundheitsgewerbe, im gewerblichen Bedarf, im Kfz-Gewerbe und im Lebensmittelbereich. Die meisten Betriebe nennen sie mittel oder gut.

Obwohl die Handwerksbetriebe also vielfach mehr als genug zu tun haben, steigt die Zahl der Mitarbeiter nicht. Bereits im 3. Quartal hätten mehr Betriebe (16 Prozent) einen Rückgang der Belegschaft als einen Anstieg (13 Prozent) gemeldet. Die vor der Corona-Pandemie übliche Belebung im 2. Quartal – es werden mehr Mitarbeiter ein- und weniger ausgestellt – sei erneut ausgeblieben.

„Noch sind die Auftragsbücher der ostbayerischen Handwerksbetriebe sehr gut gefüllt“, wird Kilger zitiert. Dieses „noch“ drückt zum einen aus, dass das Niveau schon sehr hoch ist. Zum anderen muss etwa das Bauhauptgewerbe bereits mit einer schlechteren Lage und einem getrübten Ausblick zurechtkommen.

Preise steigen stetig weiter

Und es gibt auf Dauer schädliche Entwicklungen. Die weltweiten Preisanstiege bereiten Sorgen – zuallererst den Kunden, in der Folge auch den Handwerkern. Rund zwei Drittel der Betriebe haben, so die Kammer, ihre Preise bereits erhöht, genauso viele wie im Vorquartal. Das Ende bei den Preisen ist den Einschätzungen zufolge noch lange nicht erreicht. 85 Prozent der Betriebe erwarten laut der Umfrage Preissteigerungen im Einkauf, etwa zwei Drittel rechnen damit, die eigenen Preise anzuheben.

Aufgeschlüsselt nach Branchen zeigt sich, dass 70 Prozent der Baufirmen die Preise angezogen haben, im Ausbaugewerbe sogar 76 Prozent. Noch deutlicher war die Entwicklung im Lebensmittelgewerbe. Hier haben fast alle Anbieter (88 Prozent) verteuert, verbilligt gar keiner. Relativ gemäßigt ist dagegen das Bild im Gesundheitsbereich: Hier hat den Daten zufolge lediglich ein Viertel die Preise erhöht.

Die Aussichten sind ungewiss. Einerseits ist die Auftragslage hervorragend, andererseits stehen Krisenszenarien im Raum mit möglichen drastischen Auswirkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Die Betriebe tun sich schwer damit abzuschätzen, wie all das in Summe wirkt. Kilger erklärt, nach den mehr als zwei Corona-Jahren gebe es Verunsicherung. Weil Personal und Ressourcen knapper geworden seien und sich die Gesamtsituation verändert habe, seien die Unternehmen nicht mehr so robust.