Menschen
Der gute Nachbar aus Bagdad

Wenn der Scheichsohn Saad Almahmoud über die arabische Welt und das andere Denken spricht, ist es Wissen aus erster Hand.

17.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:13 Uhr
Helmut Wanner

Eingewurzelt: Monika und Saad Almahmoud am Gartenzaun ihres Lappersdorfer Reihenhauses Foto: Wanner

Almahmoud steht seit 1979 an der Türe seines Reihenhauses. In der Heimat wäre er jetzt Clan-Chef über 100 000. In Lappersdorf ist er der gute Nachbar von nebenan

Saad Abdullah Al Mahmoud El Mejied El Jasien El Jehesch lautet sein voller Name. Nach über 55 Jahren in Deutschland pflegt er immer noch ein paar Besonderheiten seiner orientalischen Heimat: Bei jedem neuen Auto legt er ein Ei unter jedes Rad, bevor er losfährt. Die Alpen mag er nicht („ich bin nicht schwindelfrei“), den deutschen Wald auch nicht („das gibt mir nichts“). Den Koran hat er um den Hals hängen – aber das eher als Glücksbringer. „Meine Mutter hat ihn mir geschenkt, als ich 12 Jahre alt war.“

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Im Garten schliefen Leibwächter

Saad heißt übersetzt „der Glückliche“. Der Mann aus Bagdad bezeichnet sich als den bestintegrierten Iraker in Regensburg. Viele meinen, zu Recht. Der pensionierte Siemens-Ingenieur dolmetscht fürs Bundesamt für Migration (BAMF), ist Fachlehrer für interkulturelle Kompetenz an der Berufsschule II und gibt Sprachunterricht für Deutsche und Araber.

„Meine Frau Monika sagt immer, ich bin deutscher als die Deutschen.“Saad Almahmoud

„Meine Frau Monika sagt immer, ich bin deutscher als die Deutschen.“ Er war beim Papstbesuch im September 2011 der einzige Moslem auf der Islinger Wiese, begleitet seine Frau bisweilen in die Kirche, aber kniet nicht. Er ist der Sohn eines Scheichs, aufgewachsen in einem großen Haus in Bagdad/Karrada. Im Garten schliefen die Leibwächter.

Das Kamel ist ein Tier, das ihm imponiert, weil es eine dicke Haut hat. Kamele lieferten auch das Lebensmotto, das einmal in Deutsch und Arabisch auf seinem Grabstein am Unteren katholischen Friedhof stehen wird: „Wer geht, der kommt an.“ Er will sich auf seinem Regensburger Schwiegervater beerdigen lassen.

Glückliche Pigmentstörungen! In Regensburg ging er wegen eines Farbfehlers zum Hautarzt. Dort sah er das frisch entlassene Englische Fräulein Monika Gruber, Tochter des Direktors der Spedition Schenker und Enkelin des Mitbegründers der OTM (Ostbayerische Tisch und Möbelfabrik). Sie war 17, klein und schwarzhaarig, als es zwischen Empfang und Behandlungszimmer zwischen ihnen funkte.

Im R 4 zurück in die Heimat

Der Stress ist lang vorbei. Saad Almahmoud wird am 25. Mai 75 Jahre alt. Der Geburtstag fällt dieses Jahr in den Ramadan. Der Jubilar, ein Sonderfall geglückter Integration, feiert im „Goldenen Hirschen“ in Prüfening. Die Gäste können wählen zwischen Schweinsbraten, Zwiebelrostbraten und Schnitzel. In Bagdad, meint er, würde das die Sittenpolizei verhindern.